Johann Georg Jacobi

 

 

 

 

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Freiburgs Geschichte in Zitaten

Johann Georg Jacobi (1740 -1814)

 

Im Westfälischen Frieden war in den deutschen Landen neben dem Grundsatz Cuius regio, eius religio die Duldung der jeweils anderen Religionen vereinbart worden. Doch erst das Toleranzedikt Josefs II. von 1781 garantierte die Religionsfreiheit auch in Österreich. Freiburg und seine Universität waren bis dahin rein katholisch geblieben, und so galt im Jahre 1784 die durch den Kaiser höchstpersönlich erfolgte Berufung des evangelischen Johann Georg Jacobis auf den Lehrstuhl für schöne Künste und Wissenschaften vielen Bürgern als Skandal und anderen als eine gezielte Provokation.

 

Johann Georg Jacobi am 2. September 1740 als Sohn eines wohlhabenden Zuckerkaufmanns auf dem Gut Pempelfort bei Düsseldorf geboren steht heute ganz im Schatten seines drei Jahre jüngeren Bruders des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, doch damals ist Johann Georg als Dichter, Schöngeist und Herausgeber mindestens ebenso berühmt. Zusammen mit Christoph Martin Wieland gibt er 1773 den „Teutschen Merkur“ heraus und später mit Johann Jacob Wilhelm Heinse die „Iris" eine literarische Vierteljahrsschrift für Frauenzimmer. Diese bildet von 1774 bis 1776 auch ein Forum für Goethe, der dort u. a. Teile seiner bis 1790 nur stückweise bekannten Jugendlyrik veröffentlicht.

 

Entgegen seinen poetischen Neigungen studiert Johann Georg Jacobi von 1763 bis 1766 Theologie in Göttingen sowie Jura und Philologie in Helmstedt, Marburg, Leipzig und Jena. Er erhält 1766 die Professur für Philosophie in Halle, doch als er im gleichen Jahr die Bekanntschaft Wilhelm Ludwig Gleims (1719-1803) aus Halberstadt macht, brechen Jacobis dichterischen Neigungen wieder hervor, besonders, als Vater Gleim ihn in seinen poetischen Bemühungen bestärkt. Ja, Gleim besorgt ihm, um das Talent an sich zu binden, 1769 die Sinekure eines Kanonikus an der Halberstädter Kathedrale. In Halberstadt verfasst Jacobi wie sein Gönner Liebes- und Trinklieder im Stil des altgriechischen Lyrikers Anakreon. Diese Werke geben dann wohl den Ausschlag für den Ruf Jacobis an die Universität Freiburg, aber sie führen nach anfänglicher Freundschaft auch zu Zerwürfnissen mit den Großen jener Zeit, die die anakreonischen Dichtung als oberflächliches Blendwerk abtun.

 

Klopstock lacht nur über Jacobi, Herder bezeichnet dessen Werke als faden Unsinn. Georg Christoph Lichtenberg nennt Jacobi einen Doctorem Jubilatum, einen Professor, der einige Zeit rühmlichst gedienet hat, und [sich in Halberstadt] endlich bei einem Kanonikat in Ruhe gesetzt hat, und verspottet dessen Dichtkunst:

 

Sprach allzeit zärtlich tändelnd so wie
Der Nachtgedankenfeind Jacobi ...
Schrieb jedem Mägden holde Briefgen
Voll Lieb und mit Diminutivgen,
Nie alles voll, stets nur ein bißgen,
Knosp ward ein Knöspgen, Fuß ein Füßgen,
Und wie Trüppgen von Pygmäen
Stehn da die Marzipan-Ideen.
Oh ruft man aus, das ist gewiß von
Gleim oder gar Anakreaon?

 

Auch Goethe mäkelt an Jakobis Gedichten herum und schreibt deren Erfolg den Frauenzimmern zu, die ein Gedicht schön finden und denken dabei bloß an die Empfindungen, an die Worte, an die Verse. Dass aber die wahre Kraft und Wirkung eines Gedichts in der Situation, in den Motiven besteht, daran denkt niemand. Und aus diesem Grunde werden denn auch Tausende von Gedichten gemacht, wo das Motiv durchaus null ist, und die bloß durch Empfindungen und klingende Verse eine Art von Existenz vorspiegeln.

 

Doch durch eben diese Frauenzimmer findet der Protestant Jacobi rasch seinen Einstieg in die gut katholische Freiburger Gesellschaft. In der Trauerrede für Josef II. erwähnt Jacobi 1790 seine herzliche Aufnahme in Freiburg: Gleich bei dem Eintritt in diese Stadt hieß jedes Auge mich willkommen; jede Haustüre öffnete sich mir zu leutseligem Empfang. Er richtet in seiner Wohnung in der Herrenstraße im ersten Stock den gebildeten Damen ein literarisches Kränzchen ein. Darüber berichtet die Dichterin Maria Therese von Artner einer Freundin: Was wir also in unserem Kränzchen thun? Wir versammeln uns um den geselligen Theetopf, schlürfen seinen dampfenden Abguß, plaudern dieß und jenes, sind auch nicht ein bißchen altklug, und ich darf so viel und herzlich lachen, als es Lust und Laune zugiebt, tout comme chez nous … Der beliebteste Stoff sind Züge aus dem Leben vorzüglicher Menschen, wovon denn Jacobi das meiste zu liefern vermag.

 

Zum Thee bei Jacobi

 

Jacobi wird mit dem Kosenamen Phaon nach dem schönen Geliebten der Sappho aus Mytilene auf Lesbos belegt. Nach so viel Erfolg bringt er ab 1795 Taschenbücher für die gelehrten Frauenzimmer heraus und lässt aus diesen in Freiburg im Jahre 1803 seine geliebte „Iris“ wiedererstehen. Die Zeitschrift dient besonders als Forum für den von ihm gegründeten oberrheinischen Dich-terkreis, zu dem Goethes Schwager Johann Georg Schlosser, Gottlieb Konrad Pfeffel aus Colmar und Johann Peter Hebel zählen. Jacobi selbst verfasst zahlreiche Gedichte, schreibt Prologe zu Theateraufführungen, dichtet Sing- und Schauspiele und fördert mit einer eigenen Schwarzwald-dichtung das regionale Bewusstsein um 1800. Viele seiner Lieder werden von Schubert, Haydn und Mendelssohn vertont.

 

Sappho und Phaon

 

Jacobis Vorlesungen sind sehr beliebt, so dass nicht nur Studenten, sondern auch Zuhörer aller Stände und Frauenzimmer häufig anwesend waren, und die Hörsäle die Interessierten oft nicht fassen konnten. Die Theologen rückten meist in Vollzahl aus, um seinen ästhetischen Vorträgen beizuwohnen. Begeistert schreibt Jacobi seinem Freund Gleim, er wolle als Lehrer der alten und neuen Litteratur in einer Catholischen Gegend, als erster Apostel der Musen, Gelegenheit finden, mehr Gutes zu würken, als in einem bereits aufgeklärtem Lande. Er wird mehrmals Dekan seiner Fakultät und 1791 der erste protestantische Rektor der Universität. Nochmals in schwere Zeit 1803 in diese Amt gewählt, helfen ihm bei dessen Ausübung besonders seine ausgezeichneten Französischkenntnisse.

 

Im Jahre 1806 gehört Jacobi zu den Mitbegründern der von Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Drais Freiherr von Sauerbronn angeregten Freiburger Lesegesellschaft. Nach der Restauration verfasst Jacobi das Leitmotiv der badischen Großherzöge, die mit dem Hinweis auf ihre Zähringer Abstammung den Breisgauern die endgültige Angliederung an Baden schmackhaft machen möchten:

 

Die seit Jahrhunderten getrennten Schilde
vereinen wieder sich, und eines Fürsten Milde
wird nun der guten Bürger Seelen
getrennten Ländern gleich vermählen.

 

Der Tod seines Sohnes mit nur 17 Jahren ist ein schwerer Schicksalsschlag für den greisen Jacobi. Seine Trauer versucht er mit einem Artikel über den Stadtfriedhof (heute Alter Friedhof) zu überwinden: Was mir bei meiner Trauerbewältigung zu Hülfe kommt, ist die anmutige Lage des hiesigen Gottesackers, der, die Kreuze auf den Grabhügeln ausgenommen, nichts von seiner traurigen Bestimmung verrät. Unweit der Stadt an einer mit Pappeln besetzten Landstraße, von Gärten mit fruchttragenden Bäumen umringt, scheint er weniger die Toten aufnehmen, als die Lebenden einladen zu wollen. (...) Das Traurige, was sonst ein Begräbnisort zu haben pflegt, wird von dem unsrigen insonderheit dadurch entfernt, dass ein Fußpfad über denselben nach einem in der Nähe gelegenen Dorf (Herdern), zu Gärten, Feldern und Reben führt. Da eilen früh morgens Gärtner und Ackerleute zu ihrer Arbeit, und kehren abends, ihre Gerätschaft auf der Schulter, heim. Viele ruhen sich hier aus, wo künftig ein längerer Feierabend sie erwartet [Sigm10].

 

Während der Befreiungskriege erlebt der greise Poet 1813 den Einmarsch der Alliierten in Freiburg: Gern will ich nun sterben, denn ich sterbe als freier Deutscher. Der Tod nimmt ihn beim Wort. Im Jahr darauf stirbt Johann Georg Jacobi am 4. Januar 1814. Sein Schüler Karl von Rotteck hält die Totenrede auf den zärtlichen Dichter und Liebhaber des Schönen. Am Begräbnis auf dem Alten Friedhof nimmt die ganze Universität Anteil: Die Trauer war allgemein, sehr feierlich der Leichenzug. Der Sarg wurde von Studenten zum Friedhof getragen. Auf dem schwarzen Grabtuch lag ein weißes Polster, auf diesem der wohlverdiente Lorbeerkranz. Ein Mädchenchor, der dem Sarge voranschritt, sang des Dichters Aschermittwochlied. Der Zufall fügte es, daß der Zug an dem Hause vorüberkam, wo Friedrich Wilhelm III. damals abgestiegen war. Der König trat auf den Balkon und grüßte teilnahmsvoll, der Preuße den Preußen, der Herrscher den Poeten.

This page was last updated on 24 August, 2018