Kaiser Maximilian I. Standbild an der Fassade des Freiburger Kaufhauses
Haus zum Walfisch |
Freiburgs Geschichte in Zitaten |
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Maximilian I. |
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Ein Gönner Freiburgs
Im Jahre 1473 kommt der 14-jährige Maximilian in Begleitung seines Vaters Kaiser Friedrichs III. (1439-1493) zum ersten Mal nach Freiburg. Als er eine Poliermühle (Steinschleife) besuchte, reizte ihn der Fürwitz, daß er seinen spitzigen Schuh an das Palierrad stieß, welches ihm auch den Spitz abriß und auch den Fuß oder gar ihn selber mitgenommen hätte, wenn er den Fuß nicht mit aller Gewalt zurückgezogen [Schr57]. Diesen Unfall trägt Maximilian der Stadt jedoch nicht nach, sondern kehrt später immer gern nach Freiburg zurück.
Fürwitziger Jung-Maximilian mit dem Fuß in der Poliermühle. Illustration aus dem Theuerdank von 1519: Wie Fürwiitig den Edlen Teurdannk aber in ain anndere geferlicheit füret mit ainem pallier rad. Oben links ist die Burg Freiburg dargestellt.
So auch im Jahre 1490, als die Freiburger Bürger dem Thronfolger - Friedrich III. hatte bereits 1486 seinen Sohn Maximilian als seinen designierten Nachfolger von den Kurfürsten zum römischen König wählen lassen - bei seinem Einzug in Freiburg als erblich regierenden Landesfürsten huldigen.
Die Vorgeschichte: Der immer geldhungrige Landesherr Erzherzog Sigismund hatte im Jahre 1485 bei den Fuggern einen Kleinkredit von 3000 Gulden aufgenommen. Statt einer Rückzahlung liefert Sigismund seinen Geldgebern aus seinen Tiroler Gruben Silber zu Vorzugspreisen, welches die Augsburger mit hohem Gewinn verkaufen. Mit der Zeit reicht jedoch auch ein ständig erhöhter Kreditrahmen nicht aus, um des Erzherzogs finanzielle Bedürfnisse zu decken. Deshalb rezidiviert Sigismund: Aufs schmerzlichste muß es jeden unbefangenen Freund der Geschichte berühren, wenn er den Erherzog Sigmund nach Allem, was die Lande für ihn gethan und aufgeopfert hatten, neuerdings bereit sieht, dieselben an irgend einen Meistbietenden loszuschlagen. Die bairischen Herzoge Albert und Georg zeigten zu solcher Pfandschaft Lust, und die Unterhandlungen waren an den Höfen schon weit gediehen; als König Maximilian davon unterrichtet wurde, und noch zu guter Stunde einen besonderen Abgeordneten mit dem Auftrage an Freiburg sandte: die Stadt möge sich nur mit dem übrigen Lande aus aller Kraft der Verpfändung entgegensetzen, und an den König halten [Schr25].
Darauf stellen 1487 die vorderösterreichischen Landstände in einem unerhörten Kraftakt Sigismund wegen seiner Misswirtschaft mit einer ständischen Vormundschaftsregierung besetzt mit vierzehn Tiroler, acht vorderösterreichischen und zwei kaiserlichen Räten unter Kuratel [Spec10]. Anschließend drängen sie im Verein mit den Landständen von Tirol ihren Landesherrn, seine Herrschaft an König Maximilian abzugeben.
Sigismunds Kanzler der Freiburger Universitätsprofessor Konrad Stürtzel ist die treibende Kraft. Er handelt einen Vertrag aus, nach dem der Erzherzog gegen ein Leibgeding (Jahrgeld) von 52 000 Gulden für sich und seine Gemahlin all seine Lande im Elsass, Sundgau und Breisgau an seinen Vetter Maximilian abtritt.
Die vereinigten Landstände proklamieren am Pfingstmontag (31. Mai) 1490 Maximilian zu ihrem neuen Landesherrn, der den Berater Sigismunds Stürtzel übernimmt und ihn zum Kanzler von Vorderösterreich und Tirol macht [Spec02].
Mit dem Erwerb der Länder ist nun das gesamte habsburgische Erbe wieder vereinigt, doch jetzt gerät Maximilian in finanzielle Schwierigkeiten und muss ebenfalls einen Kredit bei den Fuggern aufnehmen. Die hohe Summe von 120 000 Gulden zahlt auch er mit Silber aus den Tiroler Bergen zurück. Als er später Jacob Fugger in den erblichen Grafenstand erhebt, soll dieser lakonisch festgestellt haben: Ich habe den Kaiser in meiner Tasche [Böni09]. In der Tat, die Gabe mit Geld umzugehen, war Maximilian nicht gegeben [Spec19].
Seiner lieben Stadt all ir gnad, freyheit, priuilegia, brieff, recht vnd gewohnheit
In einem Freiheitsbrief geben zu Freyburg im Brysgew an montag in der heiligen Pfingstfeyertagen uach chriti geburde vierzehenhundert vnd im newntzigisten, vnsers reichs im fünften iaren verleiht Maximilian seiner lieben Stadt all ir gnad, freyheit, priuilegia, brieff, recht vnd gewohnheit, die sy von alter gehebt und herbrachtt hetten, gnediklich zu bestättigen [Eise83]. Aber alle Freiheit ist nicht viel wert, wenn die Finanzen nicht stimmen. Im Jahre 1477 hatte Freiburg 150 000 Gulden Schulden, was dem zehnfachen der städtischen Jahreseinnahmen entspricht. Bei einem Zinssatz von 5% frisst der Schuldendienst von jährlich 7500 Gulden die Hälfte des städtischen Haushalts, so dass an eine Tilgung nicht zu denken ist. Bei rund 8000 Einwohnern beträgt die Schuldenlast pro Person 19 Gulden, wobei ein Haus in Freiburg damals rund 800 Gulden kostet.* Doch Maximilian ist fest entschlossen, dass wir unser statt in aufnehmen zu bringen gern sehen wollten [Schad98]. *Bei aller Klage über Neuverschuldungen und Lasten für unsere Enkel sind die Verhältnisse im Jahre 2012 nicht ganz so dramatisch wie gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Bei einem Gesamthaushalt vom 800 Millionen Euro hat Freiburg 280 Millionen Schulden, das sind 35 % des Gesamthaushalts. Die Ausgaben für die Sollzinsen belaufen sich auf 12 Millionen Euro jährlich, was lediglich 1,5% des Budgets entspricht. Die Prokopfverschuldung in Freiburg beträgt nur 1200 Euro, wenig gemessen an dem Preis für ein Haus von rund einer Million.
Zu den herkömmlichen zwei Jahrmärkten gewährt Maximilian am 20. April 1516 der Stadt einen dritten auf denn Dienstag nach Invocavit (dem dritten Fastensonntag) vor allem, damit die unpassenden Steigerungen im Münster unterbleiben, denn es besteht in Freiburg ein Brauch, daß die Güter, so man frohnen und verganten wolle, öffentlich in der Pfarrkirch ob dem heiligen Sakrament unter dem gesugnen Amt ausgeruft werden. Solch Vergantung und Berufung, dardurch dann der Gottesdienst beirrt und verhindert wird, nicht mehr in der Kirche, sondern auf dem Markt vor derselben, vor dem Hochamt geschehen zu lassen [Schr57]. Durch eine Neuordnung des Finanz- und Verwaltungswesens kommen der Eisen- und Salzhandel in die Regie der Stadt.
Nicht nur Maximilian weilt gern in Freiburg
Auch seine Entourage wie der neue Hofkanzler halten sich gern in der Stadt auf.
Konrad Stürtzel von Buchheim auf einem Glasfenster in der von ihm gestifteten Kapelle im Chorumgang des Freiburger Münsters. Kopie im Stürtzelsaal im Basler Hof.
Ritter Konrad Stürtzel zum Vogt zu Thann erhoben und Grundherr zu Buchheim* erwirbt sieben zusammenliegende Hofstätten an der Großen Gass, die Häuser zum Fürsten, zum Panther, zum Pflug, zum Barth, zur Sommerau, zum Rust und zum Horn und lässt in den Jahren 1494-96 diese zu einem Stadtpalais, den nachmals Basler Hof benannten Gebäudekomplex, umbauen, während Maximilians Schatzmeister Jakob Villinger von Schönenbach die Hofstätten zum Ofenhus, zum Simpson und zum Blattfuss in der Franziskanerstraße erwirbt und dort 1516 das repräsentative Haus zum Walfisch errichten lässt. Villinger, nach dem Tode Maximilians 1519 nur noch selten in Freiburg, überlässt von 1529-31 dem vor den Bilderstürmern aus Basel geflohenen Erasmus von Rotterdam das Haus als Wohnsitz. *Maximilian hatte Stürtzel 1491, wohl wegen seiner Verdienste um den Vertrag mit Sigismund, in den Adelsstand erhoben
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Um mittentag Geschach ein grüsam donnerschlag auß dem Gewülck
Am 12. Oktober 1492 erreicht Cristóbal Colón, bei uns als Christoph Columbus bekannt, auf dem Seeweg die dem amerikanischen Kontinent vorgelagerten karibischen Inseln und hält sie fälschlicherweise für Westindien. Davon weiß der römische König nichts, als er einen Monat später in die vorderösterreichische Hauptstadt Ensisheim einreitet. Dort zeigt man ihm einen 127 kg schweren Stein, der am 7. November 1492 vom Himmel fallend auf einem Feld in der Nähe der elsässischen Stadt die Bauern in Angst und Schrecken gesetzt hat. Sebastian Brant schreibt darüber folgendes Gedicht:
Da man zalt fierzehnhundert Jar
Maximilian befiehlt, das Gotteszeichen in die Kirche zu bringen und dort aufzubewahren. Er weiß nicht, dass er den ersten geschichtlich bezeugten Meteoriten Europas fast noch warm erleben durfte. Heute wird der Stein im Ensisheimer Rathaus aufbewahrt.
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Bianca Maria Sforza
Der lant friede von 1495
Berthold von Henneberg. Epitaph im Mainzer Dom
Charles VIII |
Maximilian plant Beilager mit Bianca Maria Sforza in Freiburg
Diese Schlagzeile können die Freiburger 1493 nicht lesen, nicht etwa, weil es noch keine Zeitungen gibt, sondern weil die Heiratsvorbereitungen Maximilians als geheime Reichssache laufen, will man doch wegen des zu erwartenden Gästeansturms in der Stadt Preistreibereien besonders bei Lebensmitteln verhindern. Seit dem Tode seiner geliebten Frau Maria Burgund, die 1482 nur 25-jährig bei einer Reiherjagd nach einem Sturz vom Pferd stirbt, wird der junge König nicht keusch getrauert haben, doch bei Hofe sucht man eher nach einer dynastisch profitablen Wiederverheiratung Maximilians.
Die Heirat mit Bianca Maria Sforza ist nicht gerade standesgemäß - die Sforza waren mit einem Militärputsch in Mailand an die Macht gekommen und gehören zum Geldadel- doch bringt diese Ehe dem König zwei Vorteile: einen verlässlichen Bundesgenossen gegen die französischen Expansionsbestrebungen in Oberitalien und eine willkommene Mitgift von 400 000 Dukaten für die notorisch finanziell klammen Habsburger [Rabe89]. Dafür legitimiert Maximilian das Haus Sforza mit der Belehnung Mailands.
Nachdem die offizielle Hochzeit Biancas ohne den König per procuram mit Christoph von Baden im Mailänder Dom stattgefunden hatte, plant Maximilian, Bianca gegen Ende 1493 in Freiburg beizuliegen. Der Tod seines Vaters im August verzögert jedoch die Vorbereitungen, denn in einem Rechtssprichwort heißt es: Wenn der Kaiser stirbt, setzt sich der römische König in den Sattel [Rabe89]. So hat die Krönung Maximilians (1493-1519) Vorrang. Braut Bianca bricht erst Ende Jahr von Mailand gen Freiburg auf, doch die Alpen sind verschneit und als die Nachricht eintrifft, in Freiburg sei die Pest ausgebrochen, schwenkt der Zug kurzerhand nach Innsbruck um. Maximilians Beilager findet schließlich im nahegelegenen Hall statt. Was soll nun mit dem bereits in Freiburg angelieferten teuren Wein geschehen? Maximilian gibt Order, den Wein vor Ort meistbietend zu verkaufen und das Geld der königlichen Kasse anzuweisen [Joos07].
Für Maximilian ist Bianca nur einen Geldheirat. Der König hält es lieber mit Schlafweibern, mit denen er Dutzende Kinder zeugt.
... haben Wir durch das Hailig Reich und Teutsch Nacion ainen gemainen Friden fürgenomen, aufgericht, geordnet und gemacht ...
Als neuer Herrscher erfüllt Maximilian die in ihn gesetzten Erwartungen. Bereits auf dem Reichstag zu Worms 1495 kümmert er sich um die anstehenden Reformen. Die zunehmenden Fehden und Räubereien im Reich machen die Verkündigung eines Ewigen Landfriedens dringend notwendig: Also das von Zeit diser Verkündung niemand, von was Wirden (Würden) Stats oder Wesens der sey, den andern bevechden (befehden), bekriegen, berauben, vahen (gefangensetzen), überziehen, belegern, auch dartzu durch sich selbs oder yemand anders von seinen wegen nicht dienen, noch auch ainich Schloß, Stet, Märckt, Bevestigung, Dörffer, Höff oder Weyler absteigen oder on des andern Willen mit gewaltiger Tat frevenlich einnemen oder gevarlich mit Brand oder in ander Weg dermassen beschedigen sol ... [Köpf01]. Zur besseren Durchsetzung dieses Friedens werden Reichskreise - anfänglich sechs – gebildet, die neben dem Reichstag regelmäßig Kreistage abhalten sollen. Bemerkenswert ist hier das Erwachen eines deutschen Nationalgefühls mit der Unterscheidung zwischen deutscher Nation und Reich, denn Italien und Böhmen bleiben außerhalb der Reichskreiseinteilung [Schm99].
Zukünftig gilt bei Fehden nicht mehr das mit dem Schwert blutig ausgefochtene Faustrecht, sondern Streithähne sollen sich der Entscheidung des Kaisers und des Reiches Kammergericht beugen, welches sich in Worms konstituiert. Doch mit dem Kammergericht ist Maximilian nicht zufrieden, zumal der Erzbischof und Kurfürst zu Mainz Reichskanzler Berthold von Henneberg dieses in ein Reformpaket verpackt hatte, welches ein Mitspracherecht der Stände in Reichsangelegenheiten, das Reichsregiment, vorsieht. Auch gesteht der Reichstag dem König zur Finanzierung von Reichsausgaben eine direkte Reichssteuer zu, den gemeinen Pfenning, doch den hatte schon Maximilians Vater Friedrich III. auf dem Reichstag zu Regensburg 1471 behufs der Abwehr der Türken, den Zehnten von allem Einkommen verlangt. Städte und Grafen hatten sich dagegen gewehrt, obgleich osmannische Streifschaaren damals zum erstenmal aus Bosnien in Deutschland selbst eingefallen waren und eine Menge Christen getödtet oder in die Sclaverei geschleppt hatten [Schr57].
Maximilian sieht sich der wachsenden Macht der Stände gegenüber, die im Laufe der Jahrhunderte den deutschen Kaisern und Königen Privilegien abgetrotzt oder abgekauft hatten. Nachdem die Fürsten ihre Länder als Erbgut betrachteten, war das Lehnswesen zur Farce verkommen, zumal auch die geistlichen Lehen als Pfründe für die zweit- oder drittgeborenen Söhne der Fürstenhäuser häufig über Generationen im gleichen Geschlecht verbleiben. Zwar sitzt der König dem vorgeschlagenen Reichsregiment vor, doch sieht Maximilian zurecht darin eine weitere Beschneidung seiner Macht [Ecke13].
Böse Blattern in Freiburg
Neben diesen innenpolitischen Querelen sind Maximilians außenpolitische Probleme nicht geringer. Als sich der König anschickt, zur Kaiserkrönung nach Rom zu ziehen, marschiert 1494 der französische König Charles VIII (1483-1498) unbehelligt durch Norditalien bis nach Neapel und nimmt die Stadt ein. Schließlich vertreibt eine in Venedig geschmiedete heilige Liga Charles aus Italien.
De pestilentia scorra sive mala de Franzos (Die sich schnell verbreitende Pest oder Franzosenkrankheit). Maria krönt links Kaiser Maximilian, während das Jesuskind rechts über zwei Ge- und Befallene seinen Segen ausgießt
Charles' Söldner hatten sich in Neapel mit einer Krankheit infiziert, die 1493 Kolumbus' Seeleute aus der neuen Welt eingeschleppt hatten und die das Heer bei seinen Rückmarsch nach Frankreich entlang seines Weges verbreitet. Als 1496 erste Fälle von bisher nicht bekannten bösen Blattern in Freiburg auftauchen, handelt es sich um diese morbo gallico, die Franzosenkrankheit (Syphilis). Der Stadtrat richtet ein Blatternhaus ein
Der Reichstag zu Freiburg 1497/1498
Nachdem es 1493 mit dem königlichen Beilager in Freiburg nicht geklappt hatte, wird die Einberufung des Reichstags nach Freiburg im Jahre 1498 zum Höhepunkt der Gunstbezeigungen Maximilians seiner Stadt gegenüber. Zwar hatten die Stände, die bereits zu einem weiteren Reichstag im Frühjahr 1497 in Worms versammelt waren, am 7. August dem königlichen Ansinnen, den Reichstag in eine habsburgische Stadt zu eren und gefallen des Königs zu verrücken, nur unter Bedenken zugestimmt. Im Wormser Reichsabschied vom 23. August heißt es, die Stände oder ihre Botschafter sollten sich zügig nach Freiburg begeben, um dort ab Michaelis (29. September) die Eckpunkte der 1495 in Worms beschlossenen Reichsreform, d. h. Landfriede, Reichskammergericht und Gemeinen Pfennig weiterzuverhandeln.
Damit bleibt den Freiburgern und ihrem Rat nur wenig Zeit zur Vorbereitung dieses Großereignisses, dessen Durchführung für die nur 6000 Einwohner zählende Stadt eine große Herausforderung darstellt. Vor allem fehlt ein geeigneter Versammlungsraum. So beschließt der Stadtrat, dem Reichstag seine Stube in der Gerichtslaube zur Verfügung zu stellen. Daneben müssen noch Tagungsräume für die verschiedenen Ausschusssitzungen gefunden werden. Am 19. September 1497 verabschiedet der Rat eine abred unnd ordnung, um Höchstpreise festzulegen und dabei eine angemessene Beherbergung der 6000 Gäste sowie deren ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und Futter für die 2000 Pferde sicherzustellen [Ecke98].
Die Anwesenheit des Königs bietet dem Rat die willkommenen Gelegenheit, die artickel, so einer statt nott sind ze bedencken, an unsern gnedigen herrn den kunig anzebringen und ihn so in einer Sitzung vom 27. November 1497 um die Erlaubnis zu einer Revision des Stadtrechts zu bitten [Scha98].
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Georg der Reiche von Bayern
Herzog von Mecklenburg
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Warten auf den König
Als der Reichstag am 28. September 1497 beginnen soll, hatten zwar die meisten Teilnehmer ihre Quartiere reserviert, doch treffen die ersten Gäste nur mit großer Verspätung in Freiburg ein. Reichskanzler und Erzbischof von Mainz Berthold von Henneberg reitet erst am 16. Oktober in die Stadt. Am 19. Oktober schreiben die bisher versammelten Stände an Maximilian, der mit seinem Hof in Innsbruck weilt, er möge sich doch bitte nach Freiburg begeben.
Am 26. Oktober beruft Kanzler Berthold die Reichsversammlung in die Gerichtslaube ein, um über den Wormser Handel zu beraten. Doch diesen Handel hatte Maximilian inzwischen mehrfach unterlaufen. So stellt er neben die Reichskanzlei Berthold von Hennebergs die Hofkanzlei unter der Leitung Konrad Stürtzels. Das Reichskammergericht hatte Maximilan zwar akzeptiert, doch höhlt er dessen Befugnisse mit einer Aufwertung des königlichen Kammergerichts zum Reichshofrat aus. Nach dem Reichsabschied von 1495 waren die Fronten zwischen dem König und den Ständen verhärtet, und so spürt Maximilian geringe Neigung, sich in Freiburg weiter zu streiten. Doch ohne Anwesenheit des Königs kain fruchtbar oder erschießlich arbeit oder handlung geschehen mag [Ecke01]. Auch wegen der Abwesenheit fast aller Reichsfürsten - sie hatten nur ihre Botschafter nach Freiburg geschickt - ließen sich keine Fortschritte bei der Lösung der strittigen Punkte erzielen. Ein Gesandter bemerkte über den untätigen Reichstag: Und liegen also, handeln nichts, dan verzeren vil geltz [Ecke98]. Mehrmals stehen die Reichsstände kurz vor der Abreise, doch Maximilian führt immer neue Entschuldigungen für sein Ausbleiben an ja, er provoziert die versammelten Stände mit der Bemerkung, sie möchten sich doch während seiner Abwesenheit um die Aufbringung des in Worms beschlossenen Reichspfennigs kümmern. Da die Steuern nur zögerlich eingehen, bringt Maximilian so die meisten Reichsstände in Verlegenheit.
Maximilian beschenkt mit hundert guldin in gold in eim seckel
Als am 7. April 1498 der französische König Karl VIII. stirbt und sein Nachfolger Ludwig XII. Ansprüche auf das Herzogtum Mailand, das Erbe von Maximilians Ehefrau Bianca, erhebt, hat es Maximilian plötzlich eilig. Zunächst trifft Bianca am 29. Mai in Begleitung Georgs des Reichen von Bayern-Landshut in Freiburg ein, der König mit großem Gefolge erst am 18 Juni, drei Wochen später. Nach alter Tradition empfangen die Stadt und die versammelten Gäste Maximilian beim Adventus Regis vor dem Münchstor, von wo aus der Zug seinen Weg nicht über die Große Gass, sondern den graben hinumb zu den predigern nimmt [Ecke98]. Dabei trägt der Kurfürst von Sachsen Friedrich der Weise (1486-1525) in seiner Eigenschaft als archimarescallus (Erzmarschall) dem König das Reichsschwert voraus.
Der König, sein Sohn aus erster Ehe mit Maria von Burgund Philipp der Schöne und seine zweite Gemahlin Bianca Maria Sforza wohnen standesgemäß im Predigerkloster in des Kaysers Bau [Scha98]. Dort werden sie gut versorgt mit III faß mit win, tünd XI som IV fiertels wins, XXX fiertels habers vnd fisch für III pfunt VI schilling, mit dem züberly, vnd beschenkt mit hundert guldin in gold in eim seckel. der kostet VIII schilling on macherlon [Eise83].
Allerdings muss die Herberge im Predigerkloster wohl nicht ganz standesgemäß gewesen sein, denn Maximilians Hofstab drängt die Stadt, dem König ein angemessenes Haus zu bauen. Der Stadrat registriert zwar, dass ir konigliche gnad mit derselben gemahel und lieben son Ertzhertzogen Philipsen unnserm gnedigsten herren offt hie eynns hoff zehalten möchte, und bietet dann allerdings nur recht halbherzig zum Hausbau wiewol die statt arm ist zimlich lidenlich hilff an [Scha98]. So verläuft das Projekt im Sande.
Der Auftrieb der Gäste in Freiburg ist gewaltig. In einem Reichstagsprotokoll finden sich:
Römisch königliche Mayestat in eigner person und Ir Gmahel Der Bebstlich Legat Die Ertzbischeff Meintz, Cöllen (Hermann von Hessen) in eigner person Hertzog Friderich von Sachssen in eigner person Hertzog Georg in obern unnd nidern Beyern in eigner person Hertzog Albrecht (der Beherzte) unnd Hertzog Hanns (Johann der Beständige) von Sachssen in eigner person Hertzog Heinrich von Mecklenpurg in eigner person Margraff Cristoff von Baden in eigner person Die Bischoff zu Worms (Johann von Dalberg), Wurtzpurg (Lorenz von Bibra), Eystet (Gabriel von Eyb, Eichstätt), Chur (Heinrich von Höven), Cosstentz (Hugo von Hohenlandenberg, Konstanz), Strassburg (Albrecht von Pfalz-Mosbach), Augspurg (Friedrich II. von Zollern), Basel (Kaspar zu Rhein), Brixen (Melchior von Meckau) in eigner person [Prot98].
Es fällt auf, dass sich unter den Anwesenden fast nur persönliche Freunde und finanzielle Gönner Maximilians befinden. Die Fürsten und Kurfürsten, die sich von der Nähe des Königs nichts versprechen, hatten nur ihre Gesandten nach Freiburg geschickt. Ein notorisch Abwesender bei Reichstagen war der König von Böhmen. Diesmal hatte Vladislav II. allen Grund fernzubleiben, hatte er doch Maximilian verärgert, als er ihn beim Erwerb der ungarischen Krone ausgestochen hatte.
Endlich beginnt die Arbeit
Reichskanzler Berthold von Henneberg eröffnet die erste Plenarsitzung des Reichstags mit Maximilian am 23. Juni 1498 in der großen Ratsstube der Stadt: Das Verlangen und Streben des Königs geht dahin, daß im deutschen Reiche Friede und Recht besser als bisher gehandhabt werde. Da dies jedoch nur unter Mitwirkung größerer Geldmittel möglich ist, so habe man bereits zu Worms (1495) den Reichspfenning (nämlich von 500 Gulden Werth an Eigenthum 1/2 Gulden, von 1000 Gulden Werth 1 Gulden, darüber nach Belieben) auf vier Jahre bewilligt, und dazu die Schatzmeister zu Frankfurt aufgestellt, ihn aber seitdem bei weitem noch nicht eingebracht. Der König verlange nun, daß diejenigen, welche im Rückstande seien, sich erklären, ob sie ihren Beitrag liefern wollen oder nicht, damit er sich hernach zu richten wisse [Schr57]. Die Eidgenossen lehnen wie schon früher diese Reichssteuer ab.
Der Reichstag findet
im Erdgeschoss der Gerichtslaube statt, Wegen der beengten Räumlichkeiten im Sitzungssaal kommt es beim Bericht des polnischen Botschafters über die Bedrohung durch die Türken zu Streitereien über die Sitzordnung in der ungeschickten Stube: Uff Freitag Margarethe virginis (am 20. Juli) sind churfürsten, fürsten und ander potschaften des heiligen richs aber erschienen und sollten des khunigs von Poln potschaft gehort haben. Da ward ein zwytracht zwischen den gemeinen fürsten dess sessz (d.h. der Rangfolge) halben. Die wollten nit zu der churfürsten fussen sitzen, dann es was ein ungeschickte Stube und ain bank gar viel hoher da die churfürsten und ir botschafter oben sassen, also das die andern fürsten, geistlich und weltlich gleich iren fussen sitzen solten, das wollten syn nit thun. Die Sitzung wurde also für jenen Tag aufgehoben und alle Bänke wurden alsbald gleich hoch gemacht … [Badi98]. Natürlich hätten die Herren auch rotieren können, damit die anderen auch mal oben sitzen dürfen, die dafür dann den Gestank, der von den Unteren ausgeht, hätten ertragen müssen.
Das in den Erzählungen über den Reichstag zu Freiburg immer wieder angeführte Kornhaus am Münsterplatz als möglicher Tagungsort ist noch im Bau. Am 6. März 1497, lange bevor der Stadtrat von der Verrückung des Reichstags nach Freiburg erfuhr, hatte er beschlossen einn neues tantzhus oder kornhus zu bauen, das nützlich, erlich und stattlich sein sollte. Allerdings kommt der buw erst nach Beendigung der Reichstags richtig in Gang und ist jedoch im Oktober 1500 noch nicht fertig [Ecke98].
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Ein weiterer Beratungspunkt des Reichtages betrifft das in 1495 in Worms geschaffene Reichskammergericht, das ohne eine einheitliche Rechtsgrundlage rechtlich in der Luft hängt. Deshalb gibt der Reichstag ein dringlich benötigtes allgemeines Gesetzbuch in Auftrag. Auch das schert die Schweizer wenig, erkennen sie doch die Zuständigkeit des Reichskammergerichts nicht an. So wird es nichts mit der auf dem Reichstag zu Freiburg geplanten Einleitung des Schweizerfriedens.
Maximilian I., Relief am Haus zum Walfisch
Nicht allein dem Reiche bin ich verpflichtet, sondern auch dem Hause Österreich
Jedoch sind die Beratungen zum Reichskammergericht nur Nebenschauplatz, denn der Streit ums Geld bestimmt alle weiteren Verhandlungen. Maximilian fordert, ihm den Kredit von 150 000 Gulden, von dem ihm bisher nur der geringste Theil bezahlt worden war, endlich vollständig aus dem gemeinen Reichsschatz zuzuerkennen, um gegen Frankreich gerüstet zu sein, denn so führt er aus: Ich kenne das Wesen und die Macht der Franzosen recht wohl, und fürchte mich nicht; Gott hat mich nie verlassen, ich hoffe, daß er mich auch jetzt nicht verlassen wird [Schr57]. Von den Lombarden bin ich verraten, von den Deutschen bin ich verlassen. Aber ich will mich nicht wieder wie zu Worms [beim Reichstag] an Händen und Füßen binden und an einen Nagel henken lassen. Den Krieg muss ich führen und will ich führen, man sage mir, was man wolle. Ehe werde ich mich von dem Eide dispensieren, den ich dort hinter dem Altar zu Frankfurt geschworen habe; denn nicht allein dem Reiche bin ich verpflichtet, sondern auch dem Hause Österreich. Ich sage das und muss es sagen, und sollte ich darüber auch die Krone zu meinen Füßen setzen und sie zertreten [Rank20].
Allen Anwesenden ist der Einmarsch der Franzosen in Italien noch wohl in Erinnerung. Jetzt fühlt sich das nahe Breisach, früher zum Burgund Karls des Kühnen gehörig, durch Frankreich bedroht und bittet um Unterstützung: Wir sein zu ausfürung vnnsers geschutzs, so wir yetzo in Burgundi gehabt vnd dosselb zu Amantz gelassen haben, mit vnns das durch die Frantzosen nit abgedrungen werde, ettlicher starcker wegen vnd wagenpferd eylends notdurfftig. Großzügig kommt Freiburg der Stadt mit 170 Mann zu Hilfe [Eise83].
Älteste, reichlich stilisierte Darstellung Freiburgs in der Margarita philosophica von Gregor Reisch
Trauben von Disteln erwarten
Der Hinweis Maximilians auf das Haus Österreich bei der Abwehr der Franzosen erweist sich als kontraproduktiv, denn selbst als der König anbietet, für den Türkenkrieg finanziell in Vorleistung zu treten, lehnen die Stände die Bewilligung von Mitteln ab, obgleich der Feind auf dem Balkan bereits bis an die ungarische Grenze vorgerückt ist, und argumentieren: Da die türkische Macht inzwischen doch den Vorsprung gegen die Grenzen habe, so sei es schon zu spät, aus allen deutschen Ländern Leute zu bestellen und ihr entgegen zu schicken. Was aber das Anerbieten Maximilians betreffe, zu diesem Kriege vorläufig 60 000 Gulden darzuleihen, die ihm dann aus dem Reichsschatze zurückzuzahlen wären, so wissen man im Grunde doch nicht, was dieser vermöge; zudem seien die Stände nicht vollzählig genug, und somit bäte die Versammlung den König, die ganze Verhandlung über diesen Gegenstand auf den nächsten Reichstag zu verschieben. Drob ist Maximilian ernstlich verstimmt und schimpft: Von den deutschen Fürsten Thaten für das allgemeine Wohl des Reiches hoffen, heisst Trauben von Disteln erwarten und hat bei so viel Unwilligkeit nicht übel Lust, den ganzen Krempel hinzuschmeißen.
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König von Böhmen
Einblattdruck: |
Ausschreiben betr. die Verfälschung der Weine
Nicht nur die finanziellen Probleme bereiten dem König Kopfschmerzen, sondern auch der reichliche Weingenuss. Die Sitzungen währten bis Mitte August. Die sommerliche Hitze war so drückend, daß der Stadtrat an manchen Tagen zur Erfrischung der Sitzungsteilnehmer drei große Kannen Wein herumreichen ließ [Badi38]. Doch die Wirte rücken mit ihrem guten Tropfen nicht heraus. Der Markgräfler bleibt im Keller… [Kühb98]. So ist sich Maximilian beim Thema Wein und Kopfschmerz in Freiburg mit den Ständen bald einig und man geht nicht ganz ohne Reichstagsbeschluss nach Hause. In Abwesenheit des verantwortlichen böhmischen Reichserzschenks verabschieden die Anwesenden noch vor dem Reinheitsgebot für Bier flugs das erste deutsche Weinmandat, die satzung unnd ordnung über die weyne. Genau genommen handelt es sich hier um die Erneuerung und Verschärfung einer von Maximilians Vater Friedrich III. bereits 1487 beförderten Weinordnung, nachdem die Verböserung der Weine durch Zucker, Schwefel oder gar mit Giften wie Silberglätte und antimonhaltigem Spiegelglanz nicht aufgehört hatte, woran die Teilnehmer der Reichstages täglich beim morgendlichen Kater erinnert wurden [Baum07a, Hefe41] :
Wir Maximilian von gottes gnaden | Römischer künig / zůallentzeiten merer des Reichs | zů Hunngern | Dallmatien | Croatien etc. künig Ertzhertzog zu Osterreich | Hertzog zů Burgundi | zů Brabant | zů Gelldern etc. Grafe zů Flandern | zů Tyrol etc. Embieten. n. allen vnd yegklichen Curfürsten / Fürsten | geistlichen vnd welltlichen | Prelaten | Grafen | Freyen | herrnn | Rittern | knechten | Haubtleüten | Vitzthůmben | Vögten | Pflegern / Verwesern | Ambtlewten | Schultheyssen | Burgermeistern | Richtern | Reten | Burgern | gemeinden | Auch den Weynkiesern (Weintestern) | Visierern (Begutachtern) | Eychern | Vnderkewffern (Weiterverkäufern) | Ewtrern (Eutern=Zapfern) | Penndern (Fassbindern) | besehern der Wein | vnd andern | so mit weynen vnd fassen zů handlen haben | vnd sonnst allen anndern vnsern vnd des heilgen Reichs vnderthanen vnd getrewen | in was wir den stattes oder wesens die sein | den diser vnser künigclicher brief | oder glawplicher abschrift | dauon fürkumbt | vnd zů wissen wirder | Vnnser gnad vnd alles gůt | Erwirdigen | Hochgebornen | Wolgebornen | Ersamen | Edlen lieben Neuen | öheimen | Churfürsten | Fürsten | Andechtigen | vnd getrewen | Nachdem weylend der durchleüchtigest Fürst herr Fridrich Römischer keyser etc. vnnser lieber herr vnnd vatter loblicher gedechtnuss | die pösen schedlichen gemechd (Gemächte=Beimischungen) der Weyne verbotten | vnd deßhalben mit zeittigem Rate | ettlich ordnung vnd satzung gemacht | vnd außschreiben lassen hat | Vnnd aber mit solichen pösen gemechten | seidher nit still gestanden | sunnder darüber als wir zům ermalen bericht sein | wider die yetzberürt | vnsers lieben herren vnd vaters satzung vnd ordnung | dannocht an vilennden (an vielen Enden=überall)| die Weyn | wider Ir natur | in menigerley weyse | mit vnzimlichen pösen gemechden belestigt | vnd annders dann Sy | von natur seyen zůbringen vnderstanden werden. Daraus | als wir bey den gelerten der Artzney | vnd sunst erfinden (herausgefunden=erfahren) | den menschen zůuil malen swere lang werende vnüberwyndtlich tödtlich kranckheiten. Vnnd sunderlich | den Frowen personen so sy swanger | oder nachdem sy kindes genesen | oder aber sunst mit natürlichen kranckheiten beswert sein. dermassen schaden vnd verderbnuß empfahen. das Sy vnnd ire frücht | der sterben | oder fürohin nit mer empfengklich noch fruchtpar werden mügen volgen | Darein wir als Römischer Regirender künig | gemeinem nutz zůgůt | gnedigklichen gesehen | vnd darumb mitsampt vnnsern vnd des heiligen Reichs Churfürsten | Fürsten / Stennden vnnd gemeiner besamblung (allgemeiner Versammlung) | auf dem Reichstag allhie zů Freyburg zůuerhüttung solichs übels gesetzt | vnnd geordennt setzen vnnd orden auch von Römischer künigklicher macht wissenntlich mit disem brieff. Zům ersten | da die Weynper (Weinbeeren) | so die von den weynreben zů den kalltern | oder pressen | vnnd darauf gebracht werden. on alles gemechd vnnd zůsatz | ausgebresset | der wirtz in slechte | vnzůberayttet einichs gemächts vass getan (der wird in schlichte unvorbereitete ohne Zusätze Fass getan) | vnd dieselben most mit steter ordennlicher füll gehalten | damit die volkumenlich vnnd gentzlich ir verierunge haben mügen | vnd auch fürter (further=weiterhin) denselben weynen keinerley schedlich vnnd pöss (böse) gemechd oder zůsatz | weder auch mit bedempfen | zůmachen | oder in einich ander weyse getan | sunder das die | mit ordenlicher füll wie oben begriffen ist | biss zům ablassen gehalten werden süllen. Zům andern | so man die weyne ablassen welt | oder wurde | das man die dann in slechte vnzůberayte einichs gemechts vaß | ablass doch also ob yemand wer der were | zů dem ablassen vmb bestendigkeit willen des weins | sein vass mit einem Swefel zůberayten wolt. das solt | er zůtůn macht haben. doch einen weyne ein mal | vnd nit mer | auch nit annders | dann zůberaytung eins fürderigen vass (Fass der Größe eines Fuders) | Ein lot lawtters (lauter=rein) Swefels. Also sol es auch gehalten werden | nach antzal des Swefels zů einem grössern | oder kleinern vass | Doch ob yemand weyne überlannd füren wolt | der den in bestendigkeit zůbehalten wytteres swefels dann yetzberürt notdurfftig were | der mag solh vaß | mit einem swefel | auch zimlichen beraytten. Vnnd nemblich zů dem weyne | die als obsteet zůuor geswefelt weren | in ein füderig vaß | ein halb lot swefels. Weliche aber vormals nit geswefelt wern | in ein füderig vass | ein lot lawtters swefels wie vorsteet vnd fürter nach antzal | des swefels zů einem grossern vnd kleinern vass | vnd auch nit mer noch ferrer. Vnd welcher oder welche Ire weyne also geswefelt haben | der oder dieselben | süllen den auch also für geswefelt verkawffen | das den kawffern eroffnen | damit derselb weyne nit weiter geswefelt | sunder damit wie obgeschriben steet (oben geschrieben sthet) gehalten. Vnd wer dise ordnung vorgeschriben verbreche / oder die wein anders | oder mer dann obsteet geswefelt het | das dann dem | oder denselben | die vass darinn solher wein erfunden wurd | zůstůnd daselbs | der boden außgeslagen vnd der weyne darinn verschüt | vnnd darzů von denen | da solich gemehd / oder mer geswefelt weine dann vorgemelt ist / bey funden | vnnd betretten wurden dem Fürsten / herren / oder Stat / dem derselb vberfarer / obgemelter ordnung zůstůnd solh vberfaren verkünndt / vnd alsdann derselbig vberfarer seiner herrschafft | von einem yeden Aymer einen Reinischen guldin vnablößlich zů bůss zůgeben verfallen sein | vnnd gegeben werden. Nachdem auch yezůzeitten / die fůrlewt / vnd schifflewt weyn zů wasser | oder lande fůren | vnd Iren lon darumb empfahen vnderwegen in herbergen | vnd in Iren eygen wonungen aus den vassen / so Sy also füren | one der herren der sy sein | wissen | weyne dieblich nemen | vnd nach Irem gefallen verzeren | vnd an desselben genomen weynes stat | wasser giessen | vnd die vaß widerumb damit zůfüllen | das solhs hinfüro denselben fůer | vnd schifflewten nit verhengt gestat / noch zůgesehen: sunder darumb | mitsambt den Ihenen so Inen des verhollffen (verholfen=behilflich) hetten weren wirtsknecht | oder annder nach mass Irer verhandlung an Iren Eren | leiben | vnd güttern vnnachlessig gestrafft werden. Es sol auch ein yeder Fürst. Graf. Herr | vnd vnnser vnd des Reichs Stette | In seinen gerichten | vnd gebieten allenthalben zůhandthabung vnd haltung solher vorbestympten ordnung | einen oder mer | Ambtlewt nach gelegenheit Ir yedes gebiet | ordnen | Vnnd von dem / oder denelben Amptlewten | wann sy zů solhem Ambt aufgenomen werden. Eyde zů got vnd den heiligen nemen. Auch dar zů den Benndern (Fassbindern) / Eychern vnderkewffern (Wiederverkäufern) / vnd anndern Iren Amptlewten | vnd den Iren / so in Iren gerichten vnd gebieten gesessen vnnd vnderworffen sein / vnnd mit weynen vnd vassen zůhandlen haben / bey Iren pflichten / damit Sy Inen verbunden sein / ernstlich beuelhen (befehlen) vnd Sy darzů halten vnnd vermügen | das sy auf solh gemechd der weyne / Ir fleyssig aufsehen haben / vnd wo sy die | hiewider erkunden Irer herrschafft anbringen / vnd die ytzt gemelten verordneten Amptlewt solh ir ampt / trewlich vnd aufrichtiklich verwesen / vnd damit wie vorgeschriben stet handlen / Auch darinn weder miet / gab / fründtschafft / veindtschafft | noch ichts anders ansehen | sunder strackhs vnnd aufrichtigklich allein | denselben iren ampten außwarten | vnnd nachgeen wellen | getrewlich vnnd vngeuerlich (ungefählich) | damit das | so annders dann wie obsteet erfunden wurd | auch obgeschribner mass gestrafft werd. Wo aber yemannd wer der | oder die weren /geistlich oder weltlich personen | erfunden wurden | von wem / oder so offt das beschehe der einicherley pöss vnnd schedlich gemecht | nichtzit außgenomen | dann allein die obgeschriben zůlassung des swefels | in die weyn oder vass tette (täte) | machte / oder zůtůnd bestelte | es wer vor / oder nach dem ablass / durch sich selbs oder yemands annders demselben süllen zůuorderst / von stundan / an den ennden da solh weyne gefunden werden / den vassen den poden außgeslagen / vnd der weyn verschüt | vnd darzů | ein yeder zů yedem male / Ein pene / Nemlich hundert guldin Reinisch / halb in vnnser vnd des Reichs Camer / vnnd den anndern halbentiel seiner herrschafft vnableßlich zůbetzalen verfallen sein | vnnd also gestrafft werden. Item es süllen auch / Alent Salue / Wermutweyn vnd ander der gleichen würtzwein. deßgleichen die Petwein / Kempwein / vnd Sponwein hierinn die zů iren fůgklichen zeiten / zůnyessen zůgebrauchen wie sich zympt / vnnd von allter herkumen ist. vorbehalten vnnd aufgesatzt. deßgleichen auch der Malfasier Rainfal / vnd annder welsch weyne / Auch gefewrt / getrebert / vnnd gesotten weyne | doch das in dieselben Malfasier / Reinfal / vnnd annder wellisch weyne / noch auch / in die gefewrten getreberten vnd gesott weyne | keinerley schedlich oder pös gemehd / oder zůsatz getan / noch das der keiner vnder den anderen gezogen (unterziehen=mischen) / auch mit andern weynen nit gemeret (vermehrt=gepanscht) | sunder yeder für sich selbs hingegeben vnnd außgeschencht werden bey der hochsten půss (Buße) wie obsteet. Solichs verkünnden wir Eüch. Gebieten Eüch auch darauf von Römischer küngklicher macht bey vermeydung vnnser vnnd des Reichs sweren vngnad vnd straffe. Vnnd darzů verliesung einer pene (Verhängung einer Strafe) Nemlich Fünfftzigk Marckh lötigs golds / vns in vnser künigklich Camer / vnableßlich zůbetzalen ernnstlich vnd wellen das Ir solher obberürter ordnung vnnd satzung | nach seiner innhalt nachkumet / vnnd die allenthalben in Ewern gerichten / vnd gebieten / offenlich verkünden lasset. vnnd bey Ewren vndertanen darob seyet / schaffet / vnd bestellet. damit die obbestympt ordnung vnd satzung nach irer Innhalt / on abgang (ohne Veränderung) / durch Sy genntzlich volzogen vnnd dawider nit getan werd / Als lieb Eüch sey vnser vnd des Reichs swere vngnad | vnd die obberürten pene zůuermeyden /. Mit vrkünd dits briefs besigelt mit vnnserm künigclichen aufgedrücktem Insigel Geben zů Freyburg im Bryßgow am xxiiii tag des Monets Augusti. Nach Cristigebürde Vierzehenhundert | vnd im Achtundnewntzigisten | Vnsrer Reich des Römischen im dreytzehenden / vnd des Hungreschen im Newnten Jaren.
Doch selbst für den genossenen schlechten Wein kann Maximilian seine Zeche nicht zahlen. Als er die Stadt verlässt*, bleibt Frau Bianca als Pfand zurück und muss einige Zeit in Freiburg ausharren, bis wenigstens ein Teil der während des Reichstags gemachten Schulden beglichen ist [Joos07]. Bei ihrer Abreise kommt es unter den Handwerkern und Kaufleuten ob nicht beglichener Schulden fast zu einem Aufruhr [Ecke13]. Noch nach zwanzig Jahren sind finanzielle Forderungen von über 20 000 Gulden offen [Kalc06]. *In seiner Residenz Innsbruck kann er sich schwerlich blicken lassen, steht er doch bei den dortigen Wirten mit 24 000 Gulden ebenfalls in der Kreide [Rose02].
Maximilian als Bettler an dem von
Auch Berthold von Henneberg muss schwer erkrankt in Freiburg zurückbleiben, hatte er sich doch wie viele der Teilnehmer am Reichstag mit den bösen Blattern infiziert.
Gemein ordnung durch daz Reiche
Bereits auf dem Reichstag zu Worms hatten die Stände ein gemein ordnung durch daz Reiche wegen der ubermessigen kleydung und anderer unzimlichen kostlichkeit, auch von der spilleut, betler und zigeuner wegen angemahnt [Oesc98].
Eine in Freiburg verabschiedete Kleiderordnung fordert für Rock und Mantel, das er hinden und vorn zimlich und wol decken möge und gesteht Bauern und arbeytend leut keine gestückelt kleyder wie Schlitzärmel, sondern nur Kleider aus einfachem Tuch zu.
Gegen Ende des 15ten Jahrhunderts hatte das Bettelwesen überhand genommen. Nun soll nach dem Willen des Reichstags nur mit Schwachheit oder Gebrechen belasteten Personen das Betteln gestattet sein. Die Kinder werden den Eltern entzogen damit sie nit also für und für dem bettel anhangen und erhalten einen handwerkliche oder Dienstleistungs-Ausbildung. Schließlich verweist der Reichsabschied von 1498 die Zeigeiner aus deutschen Gebieten und erklärt sie als vogelfrei.
Alia quoque multa fuerunt satis utiliter proposita,
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Reichsadler am alten Zollhaus in Colmar. Ein Kopf steht für den Kaiser der andere für die Reichsstände |
Der Schwabenkrieg
Im folgenden Jahr versucht Maximilian, die aufmüpfigen Schweizer in die Pflicht für das Hailig Reych und Teutsch Nacion zu nehmen. Den Ständen gegenüber bereitet der König seinen Feldzug, den Schwabenkrieg, propagandistisch vor: Die Eidgenossen haben sich erfrecht, während die Türken mit ungeheurer Macht die Christenheit bedrohen, ohne Absage, ärger als Türken und Heiden, in's heilige Reich zu dringen, einen Theil desselben mit Feuer zu verwüsten, einen anderen aber (so die Stadt Tiengen) in ihre unnatürliche Vereinigung zu bringen; so daß gegenwärtig, - schrecklich zu hören, - Glieder des heiligen römischen Reichs diesen schnöden gottlosen Bauern, denen Tugend und adeliches Blut mangelt, gegen ihre eigenen Oberherrn beistehen [Schr57].
Bei Heinrich Schreiber kann man über die Idylle am Vorabend der Schlacht bei Dornach lesen: Das Lager der Östereicher befand sich in der schönen Ebene zwischen Arlesheim, Dorneck und Rheinach, an den Ufern der Birs. Einige von den dortigen Kriegern sammelten Äste zu Laubhütten, Andre badeten; viele Ritter zechten aus silbernen Bechern und genossen der herrlichen Gerichte, welche sie von ihren Freunden in Basel erhalten hatten, oder sangen, oder unterhielten sich im Schatten der Gezelte mit schönen Mädchen; Andre bereiteten das Abendmahl oder versuchten das Glück im Spiele. Es war St. Magdalenen=Tag (22. Juli), die Mittagshitze glühend. Doch ergriff auch Manche die Ahnung von herannahendem Unglück, sie saßen traurig und sprachen von Klugheit auf feindlichem Gebiet; aber die Freude der sorglosen Menge übertäubte sie und der Feldherr selbst spottete ihrer: es werde doch nicht Schweizer schneien, wer sich fürchte, möge einen Panzer anziehen oder heimgehen [Schr57].
Am folgenden Tag schlagen die Kuhschweizer die Sauschwaben der Reichsarmee vernichtend. Wie der Stadtschreiber berichtet, kehren die Freiburger Bürger wie schon 1386 ohne ihre Fahne heim und zwar elenclich, barschenkel, on gürtel, on gwer, on kappen und hüt, mit armen stecklin, also daß alle mentschen ein ser mitliden und trurigkeit mit in hetten. Mußtent dennocht gott loben, daß sie mit dem leben darvonkommen warent. Sagtend also, daß sie all und all, so bi 1200 da gelegen, ir fenlin verloren hetten [Hefe41]. Da nun aber gleichzeitig der französische König in Norditalien militärisch aktiv ist, muss Maximilian die Schweizer rasch befrieden. Mit dem Frieden zu Basel, in dem sie ihre Ablehnung des Reichsgerichts und des gemeinen Pfennigs endgültig durchsetzen, scheiden die Eidgenossen 1499 de facto aus dem Reichsverband aus.
Doch noch im Jahre 1507 appelliert Maximilian beim Konstanzer Reichstag an die deutsche Treue der Schweizer nicht dem hailigen Rom. rich und sunderlich Tutscher nation, irem vaterland, widerwertig ze sin und froembden nationen und froebmden zungen anzehangen wider die Tutschen ... und verweist ausdrücklich auf Frankreich, dessen König wegen der kaiserlichen Krone der teutschen nation natürlicher feind ist, und ewiglich sein wird. Ein erster Hinweis auf den Erbfeind?! [Schm99].
Maximilian kam nur bis Trient
Diese kaiserliche Krone jedoch hatte Maximilian noch nicht. So zieht er ein Jahr später in alter Tradition begleitet von einem allerdings nur mickrigen Reichsheer über die Alpen. Auf dem Reichtag zu Konstanz 1507 war der König um die Finanzierung von 12.000 Soldaten für seinen Zug in die Ewige Stadt eingekommen, um sich dort zum römischen Kaiser salben und krönen zu lassen. Doch der Reichtag hatte nur das Geld für 1000 Mann bewilligt, ein Aufgebot, das Maximilian mit Hilfe fuggerschen Geldes auf 8000 aufgestockt hatte.
Schließlich verweigern die Venezianer ihm und seinem kleinen Tross den Durchzug durch ihr Gebiet. So kommt Maximilian nur bis Trient. Dort proklamiert ihn sein Kanzler Matthäus Lang im Dom der Stadt zum Erwählten Römischen Kaiser. Die Messe liest nur ein Weihbischof, so dass Maximilians Feinde ihn als flüchtigen Kaiser, der in Trient Rom gesehen habe, verspotten [Böni09]. Künftig verzichten die meisten seiner Nachfolger auf die beschwerliche Reise nach Rom und legen sich den Kaisertitel einfach formlos bei [Schm06].
In den folgenden Jahren hält sich der letzte Ritter noch mehrmals in seinem geliebten Freiburg auf, dem er sogar das Recht zur Prägung von Goldmünzen verleiht. Im Jahre 1510 logiert der Kaiser zum letzten Mal in der Stadt; dann im fertiggestellten Stadtpalais seines Hofkanzlers Konrad Stürtzel.
Im gleichen Jahr bestimmt Maximilian das elsässische Ensisheim zur Außenstelle der in Innsbruck befindlichen vorderösterreichischen Regierung. Dieses Ensisheimer Regiment zuständig für die vier vorderen Lande Elsass, Sundgau, Breisgau und dem Schwarzwald mit den vier Waldstädten umfasst sechs Räte und wird von einem Landvogt geleitet [Spec10].
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Verschwörung unter Bauern
Das 15. Jahrhundert sieht eine immer weiter um sich greifende Verelendung des Landvolks. So schreibt Kardinal Julian Cesarini über die Gärungen im Bauernvolk an Papst Eugen IV., wobei der Kardinal noch ganz unter dem Eindruck der vernichtenden Niederlage seiner von ihm geführten Kreuzritter 1431 in der Schlacht von Taus gegen die Hussiten steht. Cesarini war verkleidet als einfacher Soldat dem Gemetzel nur knapp entkommen: Mißbräuche und Unordnungen erregen den Haß des Volkes gegen den ganzen geistlichen Stand, und wenn man sie nicht abstellt, so ist zu besorgen, daß das Volk sich über die Geistlichen hermachen wird nach dem Vorgange der Hussiten. Schon lassen sich offen solche Drohungen hören. Alle Gemüther sind in der angespanntesten Erwartung, was man thun wird, und es hat ganz das Ansehen, daß irgend etwas sehr Tragisches daraus entstehen wird. Der Gift, den sie gegen uns im Herzen tragen, zeigt sich schon offenbar, und bald werden sie glauben, Gott einen Dienst zu erzeigen, wenn sie die Geistlichen als Menschen, die Gott und Menschen gleich verhaßt sind, mißhandeln und ausplündern [Zimm56]. Da Äbte und Bischöfe die An- und Eintreiberei ihren Beamten überlassen, kursiert damals unter den Bauern der Spruch: Es ist kein Amt so klein, das nicht hängenswerth wäre [Zimm56].
So kommt es 1493 zu einen Bauernaufstand im habsburgischen Elsass in der Gegend von Schlettstadt mit 1500 Verschworenen. Die Lage wird so bedrohlich, dass Kaiser Maximilian im gleichen Jahr mit den Bischöfen von Basel und Straßburg sowie den Städten Basel, Colmar und Schlettstadt einen Bund zur gegenseitigen Hilfeleistung gegen die aufrührerischen Bauern schließt. Dieser Einschüchterungsversuch greift bis 1511, als sich die Bauern in Weißenburg, Altenstadt, Schleithal und Seebach gegen ihre geistliche Herrschaft der Klöster der Benediktiner, Dominikaner, Franziskaner und Augustiner erheben. Gegen diese Aufstände kämpft die Dekapolis nach einem Treffen in Hagenau gemeinsam.
Rechtsrheinisch macht 1501 ein gewisser Jodocus (Jos) Fritz aus dem Dorf Untergrombach bei Bruchsal mit einer Verschwörung im Bistum Speyer von sich reden. Die Aufständigen verständigen sich mit der Losung: Loset (hört), was ist jetzt für ein Wesen? Antwort: Wir können nicht vor Pfaffen und vor Adel genesen [Schr57]. Diesen Aufruhr erstickt die Obrigkeit im Keim. Jos muss fliehen und taucht unter.
Im Mai 1502 hängt in den Diözesen Speyer und Straßburg ein Mandat Maximilians gegen die Bundschuher - bezeichnet als arbeitsscheue Bauern - die versuchen, sich irer untertenigkeit fri zu machen. Wer in den pundschuh gelobt soll hingerichtet werden, denn der Bundschuh führt zu einem usdilgen alles frides (Austilgen alles Friedens), aller ordnung, zerstörung gemeins nutz und der gesistlichkeit, aller göttlichen, menschlichen, geistlichen und weltlichen rechten, aller oberkeit (Obrichkeit), regiment, der fursten,adels, stette (Städte) und ander [Busc13].
Herrlich blühet sie nun, die Albertina
Freiburgs Universität blüht, wächst und gedeiht. Einer der bedeutendsten Professoren an der Albertina ist der Karthäusermönch Gregorius Reisch, der im Jahre 1503 die Enzyklopädie Margarita Philsophica herausbringt, von der Alexander von Humboldt sagen wird, dass das Buch einen großen Einfluß auf die Verbreitung mathematischer und physikalischer Kenntnisse gehabt habe [Baum07]. Reisch unterrichtet so bedeutende Schüler wie Johannes Eck, den späteren Gegner Luthers in Mathematik und Hebräisch, Martin Waldseemüller den „Erfinder“ des Namens Amerika in Kosmographie und Sebastian Münster den Verfasser der bekannten Cosmographia in Hebräisch und Geographie.
Der Humanist und Professor für Dichtkunst Engentius (Philipp Engelbrecht von Engen) schreibt 1512 auf den Gründer der Albertina Erzherzog Albrecht eine lateinische Ode, welche Heinrich Schreiber im 19. Jahrhundert wie folgt übersetzt:
Durch Jahrhunderte irrten die
Musen umher
Der kilchhof wird verlegt
Nachdem ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Seuchen und innerstädtischen Friedhöfen vermutet wird, verbietet Kaiser Maximilian in einem Dekret vom 5. Oktober 1512 für Freiburg Bestattungen auf dem Münsterfriedhof. Dieser kilchhof am Münster geht bereits auf die frühere Pfarrkirche St. Nikolaus zurück. Vorgesehen für den neuen Stadtfriedhof ist ein Gelände in der Neustadt bei der neuen Pfarrkirche St. Nikolaus [Kalc15].
Auf einem Detail des großen Sickingerplans von 1589 sieht man rechts Unserer Frauen Münster und die umgebende Friedhofsmauer mit dem Beinhaus an der Nordseite. Davor der Korn Marckt mit dem Korn Haus. In die Neustadt zur Kirche St. Nikolaus (rechts) gelangt man über die Große Gass durch das Christoffel Thor. Oberhalb der Kirche links erkennt man deutlich die Kreuze des neuen Gotts Acker. Natürlich gefällt die Verlagerung der Begräbnisstätte den Bürgern nicht. Erst als Papst Leo X., der Ablasspapst, in einer Enzyklika vom 26. Juli 1513 dem neuen Friedhof die gleichen Privilegien wie dem Campo Santo Teutonico, dem deutsche Friedhof in Rom, einräumt und von dort auch gleich noch ein Säckchen heilige Erde mitschickt, die dann auf dem neuen Gelände verteilt wird, legt sich der Volkszorn. Die Neustadt wird in den späteren Kriegen völlig verwüstet. So zeugt heute nur noch die jetzt Alter Friedhof genannte Grabstätte von dem einstigen großen Gräberfeld.
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Jos Fritz
Mit der falschen Fahne:
Jubiläum 500 Jahre Bundschuh zu Lehen und Betzenhausen |
Verschwörung der Bauern 1513 unter Jos Fritz, dem Bannwart in Lehen
Auch die Lehener Verschwörung zeugt von den im Ausgang des Mittelalters gelebten sozialen und gesellschaftlichen Spannungen, welche die Bauern durch helfenwollen zu der göttlichen gerechtigkeit zu überwinden trachten [Schau35]. Der Anführer ist ein alter Bekannter, Jos Fritz, der Organisator der missglückten Verschwörung von 1502 im Bistum Speyer. Im Gebiet des Bodensees, in das Jos anschließend geflohen war, hatte er seine Frau Els Schmid, die Schmidin*, kennengelernt, die er um 1510 in Nenzingen heiratet. *damals behalten Frauen ihren Mädchennamen, an den bei der Heirat ein -in angehängt wird
Nun ist Jos seit 1510 Bannwart (Feldhüter) des Gerichtsherren Balthasar von Blumeneck in Lehen. Blumeneck bekleidet das Amt seit 1507 und ist bei den Bauern gefürchtet. Er erhebt hohe Zinsen, verfolgt Gläubiger, die in Zinsverzug geraten sind, und schränkt die Nutzung von Wald und Wiesen ein. Mehrfach ermahnt die Stadt Freiburg den Gerichtsherren ob seiner Strenge. Doch auch die Kirche und die Grundherren derer von Ankenreut sind bei den Abgaben (der Zehnte) und der Anforderung von Frontdiensten nicht zimperlich. Übermäßige Forderungen und Unterdrückung schüren den Unmut unter den Bauern.
Als 1513 Jos die Lehener und Betzenhauser Bauern mit seinen neuerlichen Plänen zur Aufwerfung eines Bundschuhs bekannt macht, trifft er auf fruchtbaren Boden. Zu den ersten von Jos Fritz in Lehen Geworbenen gehörten der Bauer Kilius Meyger und der Bäckerknecht Hieronymus aus Tirol. Beide waren im Verlauf der Verschwörung zentrale Figuren, die Mitglieder anwarben und Gelder sammelten. Erste Unterstützer waren auch die Bauern Hans und Karius Heitz sowie Hans Freuder aus Lehen, Conrad Brun und Hans Giger aus Betzenhausen und der aus Feuerbach bei Stuttgart nach Lehen zugezogene Schneider Hans Humel. Von den Ortsansässigen engagierte sich besonders die geachtete Bauernfamilie Enderlin, darunter der Altvogt Hans Enderlin, Augustin, Konrad und Bernard Enderlin. Die Familie Studlen, deren Mitglieder in verschiedenen Dörfern ansässig waren, gehörte ebenfalls zu den Stützen des Aufstands. Die genaue Zahl der Verschwörer ist nicht bekannt [Bund17].
Heinrich Schreiber sieht Jos recht einseitig als Volksverführer, wenn er schreibt: Es war ihm gelungen, sich unter dem Gewande der Scheinheiligkeit einzuschleichen, und der arglosen Menschen Vertrauen zu gewinnen. Anfänglich sprach er nur vom schlechten Geiste der Zeit, und dem Verderbnisse der Sitten, vom Zutrinken, Gotteslästern und Ehebrechen; aber bald ließ er auch einige Worte von dem Drucke, unter welchem gegenwärtig der arme Mann schmachte, einfließen. Sie selbst müßten, versicherte er, ein Einsehen haben, aber vor Allem nur dem leben, was göttlich, ziemlich und recht sei. So wußte er nach und nach den Schwächling zu bethören, den Unbefangenen zu überlisten, und jeden Mißvergnügten an sich zu ziehen. Endlich warf er die Larve ab, und sagte rund heraus, daß es auf einem Bundschuh abgesehen sei. Die meisten Dorfbewohner waren bereits zu sehr verstrickt oder eingenommen, als daß sie hätten zurücktreten können; und schworen ihm daher den abverlangten Eid der Verschwiegenheit und Treue [Schr25]. In einer Villinger Chronik aus dem Jahre 1513 liest man, dass eine rottierung under dem gemainen bursfolck in Brissow ain groß erschrecken in diesem land hervorgerufen hat [Hamm13].
Freiheit und Gerechtigkeit
Anfang September 1513 treffen sich die Verschwörer insgeheim auf einer Wiese, der Hartmatte, zwischen Lehen und Betzenhausen, wollen allein dem nachleben, was göttlich, geziemend und billig ist, und die großen wucherer und was nicht göttlich und billig ist abtun. Ihre Parole ist jetzt: Gott grüß dich gesell! washastu für ein Wesen? Der arm man in der welt mag nit mer genesen!
Eine friedliche Wiese zwischen Mundenhof und Lehen
Bei ihrem Treffen auf der Hartmatte am 21./22. September 1513 wählen die fünfzehn Versammelten Jos Fritz als Hauptmann, Jakob Huser als Fähnrich und Hans Stublin und Hans Gyger als Feldwebel und beschließen, auf der Kirchweih zu Biengen am 9. Oktober loszuschlagen in der Hoffnung, dass ihnen viele folgen werden.
Die Verschwörer auf der Hartmatte leisten Jos Fritz - in der Bildmitte mit Rechen - den Eid. Im Hintergrund eine Szene aus dem Alten Testament: Abraham opfert seinen Sohn Isaac. Das Titelbild der 2. Ausgabe von: Der Bundtschu von Pamphilus Gengenbach
In Biengen soll auch die Bundschuhfahne gezeigt werden, die zunächst aus Angst kein Maler herstellen will. Schließlich hat man in Heibronn Erfolg. Die Fahne bestand aus blau-weißem Seidenstoff. Auf der blauen Seite waren ein weißes Kreuz und der Bundschuh aufgemalt. Auf der weißen Seite befanden sich ein Kreuzigungsbild sowie das päpstliche und das kaiserliche Wappen. Zu Füßen des Kreuzes kniete ein Bauer. Ferner trug die Fahne die Inschrift: Herr, steh‘ deiner göttlichen Gerechtigkeit bei [Bund17].
In der Tat sind die Menschen des Mittelalters von der Vorstellung der gottgewollten Ordnung geprägt und so wollen die Aufständigen Kaiser Papst und Gott anerkennen, aber auch andere Herren nicht verleugnen. Man will die alte Ordnung nicht abschaffen, auch weiterhin Abgaben zahlen, doch soll die Welt gerechter werden, wie es vernünftig und vor alten Zeiten war [Busz13]. Bibeltexte waren seinerzeit nicht einfach zugänglich und spielen 1513 nicht die zentrale Rolle wie im großen Bauernkrieg von 1525, doch unterstützt der Pfarrer in Lehen Johannes Schwartz mit dem sozialen Zustand der Bauern hadernd Jos mit theologischen Argumenten, die göttliche Gerechtigkeit zu begründen. Für Johannes ist der Bundschuh ein göttlich Ding [Bund17].
Die Hartmatte lag in nördlicher Richtung zwischen
dem Dorff Lehen und
Betzenhausen
Die bosen loffen des Bundschuhes
Ein Mitverschwörer, Michael Hanser aus Schallstadt, der einen Bauernkollegen im Streit erschlagen hatte, offenbart sich durch Schuldgefühle geplagt Anfang Oktober Markgraf Philipp von Baden. Um einer Strafe zu entgehen, verrät Hanser auch gleich noch die Verschwörung. So schreibt der Markgraf an die Stadt Freiburg, dass viele vom Kaiserstuhl und viele aus der March im Breisgau darin verwickelt sind [Hamm13]. Die Verschwörer erfahren rechtzeitig von dem Verrat und beschließen im Falle der Entdeckung, in die Schweiz zu fliehen. Bereits am 3. Oktober steht auf der Sitzung des Freiburger Stadtrats der Tagesordnungspunkt: Die bosen loffen des Bundschuhes.
Am 8./9. Oktober überfallen dann die Herren von Freiburg Lehen zu mitternächtlicher Stunde und nehmen einige Bauern fest, doch der rechte Hauptsecher, Jos Fritz, kann fliehen. Der Stadtrat lässt an die Münstertür folgenden Steckbrief heften: GESUCHT wird Jodokus (genannt Jos) Fritz. Der Hauptmann hat ein Male (is swarz) uf der linken Hant und hat ein silberin Rink an der Hant, tregt ein swarzen französischen Rock und ein ziegelfarwen Rock. Uns also Hosen, auch rot Hosen, alles Hosen zerhawen* [Breu05]. *geschlitzte Beinkleider nach Art der Landsknechte
Am 17. Oktober erscheint dann ein tendenziös abgefasster Bericht des Stadtrats über die Vorgänge. Danach wollten die Bundschuhler:
Keine anderen Herren zu haben außer Papst, dem Kaiser und zuoberst Gott.
Zum anderen das geistliche und Rottweiler Gericht abzuschaffen. Die lokale Rechtspflege der Ortsgerichte hatten bei Streitigkeiten mit den geistlichen und weltlichen Obrigkeiten mehr und mehr das Straßburger Bischofsgericht und das kaiserliche Hofgericht zu Rottweil übernommen, bei denen die Bauern naturgemäß schlechte Karten hatten.
Zum Dritten soll die Rückzahlung [einer Schuld] nur solange erfolgen, bis die Schuld beglichen ist. Dann sollen die Schuldbriefe zurückgegeben werden.
Dieses Schmähflugblatt von 1535 soll Jos Fritz auf einer einhörnigen Sau stehend zeigen. Jos starb bereits 1525. Man beachte den Teufel mit Brüsten und den Scheißhaufen auf der Fahne (©BZ).
Zum Vierten soll der Zinssatz 5 Prozent nicht überschreiten. Die Forderung richtet sich gegen drohende Überschuldungen. Die Bauern sind in Ihrem Stand gefangen. Bis auf wenige Jungen, die als zum geistlichen Beruf Begabte vom Ortspfarrer gefördert und auf Lateinschulen geschickt werden, bleibt dem Bauernstand der Aufstieg verschlossen. Dagegen ist nach einigen Missernten und einer Zwangsversteigerung des Hofes der Abstieg der Bauern bis zum Bettler jederzeit möglich.
Zum Fünften sollen Gotteshäusern und Priestern nur die notwendige Nahrung gelassen werden, das Übrige soll unter dem Volk verteilt werden. Es handelt sich hier um die Abschaffung von kirchlichen Mehrfachpfründen, mit denen viele Geistliche, die sogenannten Pfründenfresser, in Saus und Braus leben, während sie ihre Pfarrstellen mit schlecht entlohnten Hilfsgeistlichen besetzen.
Vogel, Fische, Holz und Wald soll Armen und Reichen gleichermaßen gehören.
Ihre Abgaben an die Gotteshäuser und anderen gegenüber wollen sie nicht leisten, damit sie zu Beginn des Vorhabens genügend Mittel zur Verfügung haben.
Der Anschlag ist darauf gerichtet, Freiburg oder Breisach in ihre Gewalt zu bringen, damit ihr Vorhaben umso erfolgreicher sei.
Diejenigen, die sich unterwerfen, wollen sie am Leben lassen; wer sich aber widersetzt, soll zu Tode kommen.
In wenigen Tagen wollen sie das Fähnlein auf der Kirchweih in Biengen hissen [Adam13].
Die zwen gefangen puntschuecher umb ir mißtadt von der welt richten lassen
Am 19. Oktober zieht der in die Schweiz geflüchtete Jos von Basel nach Schaffhausen mit zwei Begleitern, die dort verhaftet werden, während Jos erneut fliehen kann [Hamm13].
Die Behörden sind in Sorge, umziehemde arbeitslose Söldner möchten sich der Verschwörung anschließen. Deshalb verfährt man gegen die gefangenen Bauern mit äußerster Strenge: sie werden gevierteilt, enthauptet oder an den Schwurfingern verstümmelt. Die erste Hinrichtung findet in Freiburg am 24. Oktober statt [Hamm13].
Auch Els Schmidin wird verhaftet, doch obgleich sie Mitwisserin und Helferin ihres Mannes gewesen war, kann der Stadtrat ihr nichts nachweisen. Am 26. Oktober 1513 uf mittwoch vor simonis und jede apostolorum Else Schmidin von Lentzingen under Stockach, Jos Fritzen wib von Lehen, ist ledig (frei) gelassen mit der alten urfehd*; soll in demselben eid versprechen, in acht tagen den costen abzurichten. *eine Verzichtserklärung auf jede Schadensersatzansprüche und auf Erstattung ihrer eigenen Haft- und Gerichtskosten
Zum Schutz der Stadt gegen aufständige Eindringlinge verfügt der Rat folgende Vorsichtsmaßnahmen:
1. Daher sollen die Torschließer die Schlüssel nicht
bei sich tragen, sondern so verstecken, dass sie sie wissen, wo sie sind:
Und sie sollen in ihrer Rüstung und in Waffen bei den Toren warten, bis die
Verwaltung etwas anderes befehlt.
Anfang November wohl nach den Verhörungsprotokollen erstellt erscheint in Freiburg ein zweiter, wesentlich schärfer formulierte Bericht über die Absichten des Bundschuhs: Wir wollen alle Joche und Leibeigenschaften zerbrechen und mit Waffen uns freien, weil wir wie die Schweizer frei sein wollen. Niemals mehr wollen wir Obrigkeit über uns dulden und niemand Zins, Zehnt, Steuer, Zoll und noch andere Beden (Abgaben) bezahlen, sondern uns aller dieser Beschwernisse auf ewig entledigen. Wir wollen die Fürsten und Edelleute mit Gewalt brechen und vertreiben oder totschlagen samt allen Pfaffen und Mönchen; ihre Güter wollen wir teilen [Desc04].
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Nach anderen Quellen war der Überfall der Verschwörer auf Freiburg erst für den 11. November 1513, dem Martinitag, geplant, an dem sich viele Bauern zum großen Jahrmarkt nach der Weinlese in der Stadt aufhalten. Dabei soll Jos auf die Unterstützung durch die Zünfte gegen den Stadtrat gehofft haben. Das Signal zum Aufruhr sollte ein gelegter Brand auf dem Markt sein, der die Bevölkerung in Panik versetzt [Scha98]. Tatsächlich bricht am 11. November im Freiburger Gasthof zum Kiel ein Feuer aus, das prompt dem Bundschuh angelastet wird [Busc13]. .
Deshalb warnt der Freiburger Rat am 13. November 1513 die Zünfte nochmal eindringlich: Bi gemeinen zunften ist uf sonntag nach martini (13.XI.) anno etc. 13 zu handeln die meinung: Nachdem ein boser mortlicher handel in diesem land entsten wellen mit dem puntschu und ein ersamer rat us erberkeit und den pflichten, die er vorab dem allmechtigen Gott und darnach der herrschaft und allen fromen luten zu thun schuldig gewesen ist, etwas flißlich und ernstlich gehandelt und solche boshaftige gesellschaft (sovil an im gewesen ist) hat helfen trennen und abstellen ... dadurch inen (den Bürgern) schad und ungnad begenen möcht, ließ sie ein ersamer rat warnen und uf des host pitten und ersuchen, das sich niemands in schimpf oder ernst mit worten oder werken diser boshaftigen luten gesellschaft und handlungen annime, inen dhein (kein) glimpf, bistand oder furschub thätt mit worten oder werken ...
Johannes Adelphus: Narrenschiff vom Bundschuch. Spottschrift von 1514
Den lesten stein im gewölb vermauret
Ludwigck horneck von hornberg hat den lesten stein im gewölb vermauret, got syß gelobt [Kunz04]. Gemeint ist die lang erwartete Einwölbung des Hochchors des Freiburger Münsters im Jahre 1510. Die Weihe des Chores findet 1513 im Jahr des Bundschuhs in Lehen statt, als Anfang Dezember der Weihbischof von Konstanz in Freiburg eintrifft: Wir Bruder Balthasar vom Predigerorden durch Gottes und des apostolischen Stuhls Gnade Bischof von Troia, bischöflicher Generalvikar des ehrwürdigen Vaters und Herrn Hugos, durch desselben Gnade Bischof von Konstanz bestätigen: Dass wir am 4. Dezember 1513 den Altar in der Mitte vor dem Chor und am 5.12.1513 den inneren Chor geweiht haben zu Ehren der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und der Feste der seligsten Jungfrau Maria, nämlich der Verkündigung, Heimsuchung und Himmelfahrt, und der heiligen drei Könige, der heiligen unschuldigen Kinder und aller Apostel [Fall13].
Das Münster Ende 1513 mit dem fertigen Chor aber einem unfertigen Kapellenkranz [Scha01]
Ob die Feierstimmung des Volksfestes der Kirchweih wegen der im Oktober verhafteten aufständigen Bauern getrübt war, ist nicht überliefert, wohl aber herrscht bei allem Prunk der Zeremonie eine große Unruhe unter den Bürgern.
Die Stadt hat etwa 8000 Einwohner, von denen die Hälfte zum besitzlosen Prekariat gehört. Die andere Hälfte stellen die Zünfte und eine reiche Oberschicht von etwa drei Dutzend Familien, die sich drängen, Plätze im Kapellenkranz des Hochchores zu erwerben, denn seit 1505 hatte man lediglich die Universitäts- und die Stürtzelkapelle fertiggestellt [Fall13].
Bereits vorher hatte anlässlich des Reichstages 1498 der Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg eine „Zwischenweihe“ des Chores in Anwesenheit König Maximilians vorgenommen, der sich auch gleich gemüßigt sieht, Glasmalereien für den Chor zu stiften, um für sein gedechtnus zu sorgen [Kalc06]. Da wollen die Zünfte nicht nachstehen, schließlich hatte Handwerk damals goldenen Boden, und stiften die Glasfenster im Kirchenschiff, die mit ihren Darstellungen die Schaufrömmigkeit der meist leseunkundigen Laien trefflich bedienen.
Die Fertigstellung des Münsterchores verschärft die im späten Mittelalter zunehmde Entfremdung zwischen Klerus und den „Gläubigen“ nicht nur geistig, sondern räumlich, ist doch die durch einen Lettner vom Bereich der Laien getrennte Chorhälfte der Geistlichkeit so lang wie das Kirchenschiff für die Gläubigrn. So ist bei Messen der Laie bestenfalls Zaungast, ahnt im Chor den Priester, der ihm den Rücken kehrt und schaut auf das Altarbild mit der Krönung Mariens.
Hans Baldung Grien (1512-1516): Die Krönung Mariens (Wikipedia) In der Tat, der dem Klerus entfremdete Gläubige des späten Mittelalters flüchtet sich in eine innige Marienverehrung.
Schließlich werden in den Jahren 1513 bis 1536 die übrigen Kapellen des Kranzes fertiggestellt, so dass das letzte Datum die vollständige Fertigstellung des Münsters markiert [Fall13].
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Leopold von Ranke
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Wir wollen ein vorweihnachtliches Zeichen setzen
Ein anrührendes Beispiel für die christliche Milde und Barmherzigkeit des Rats der Stadt Freiburg ist die Behandlung der Witwe Brun aus Betzenhausen, deren Mann Conrad die Obrigkeit wegen seiner Teilnahme am Bundschuh hatte öffentlich hinrichten lassen. Zwar hatte der Bauer unter der Folter angegeben, nur zufällig bei der Vereidigung der Führer auf der Hartmatte gewesen zu sein, doch sah es das Gericht als erwiesen an, dass er der Obrigkeit und mit ihr allen redlichen Bürgern unterstellt hatte, Gott zu lästern, Wucher zu treiben, zu saufen und zu huren. Nun in der Adventszeit 1513 verkündet Bürgermeister Tegelin noch ganz unter dem Eindruck der feierlichen Einweihung des Münsterchores: Wir wollen ein Zeichen setzen.
So schickt der Rat einen Brief an den Komtur des Johanniterordens in Heitersheim, in dem er bittet, der Witwe, deren Mann Leibeigener des Ordens gewesen war, die übliche Erbschaftssteuer zu erlassen. Sollte die Mutter von fünf Töchtern gezwungen sein, ihr bestes Gewand und ihr bestes Stück Vieh, ihr einziges, dem Orden zu übereignen, hieße das, die Familie in die Armut zu treiben. Damit fiele Frau Brun mit ihren Kindern der städtischen Armenkasse zur Last [Bund13].
Und der Rat der Stadt schreibt noch einen Brief, in dem er sich am
heiligen Weihnachtstag 1513 bei den Basler Kollegen für den geleisteten
Dienst bedankt, die zwei gefangene Aufständige nicht ausgeliefert, sondern sie
am 23. Dezember hatten hinrichten lassen: Das schriben, darin ir uns anzougen, das ir
die zwen gefangen puntschuecher umb ir mißtadt von der welt richten lassen,
haben wir gemerkt, und wer on not gewesen, einich entschuldigung diß verzugs
gegen uns ze thun. dann wir deheins andern gedenkens gewesen sint, dann das
ir als sonder liebhaber der gerechtigkeit die gemelten mißtaetter
ongestrafft nit hinließent. dorumb so sagen wir ewer lieb umb solhen
gehapten vlis und nachpurlichs erzougen sonder hochen dankh und erpieten
uns, wo es sich iemer begeben mag, das wir dann solhs in glichem und merrern
sachen ganz fruntlich und nochpurlich umb ewer lieb verdienen wellen.
Doch ist dies nur ein kurzer Aufschub, denn unter der Asche des gelöschten Aufruhrs glüht der Funken der Freiheit weiter. Der Windstoß der Reformation wird das Feuer wieder entfachen, wlches in den Bauernkriegen hell auflodert.
Und schlug das wetter in den thurn zu Freyburg
Am Neujahrstag des Jahres 1515 schlägt ein Blitz in den Turm des Münsters wie Hans Stolz in der Gebweiler Chronik zu berichten weiß: Am nechsten sontag nach dem heiligen weyhenacht tag, zwischen zwey und dreyen, da fieng es an zu donnern und blützen unnd mit einem grossen sturm regen, das man in allen kürchen gegen wetter lüttet (läutet); unnd auf demselben tag starb der könig von Franckhreich (Louis XII), und was ein wetter zu Paryß (Paris), das sie vermeindten, sie muesten unnder gohn. Auf demselben tag starb der bapst*, und schlug das wetter in den thurn zu Freyburg [Stol79]. Ist der Einschlag des Blitzes im Münsterturm am Neujahrstag 1515 ein Zeichen für die bevorstehende Zeitenwende? *Unverständlich, denn Leo X. regierte von 1513 bis 1521
Nach seiner Ode auf die Universität dichtet Egentius im Jahre 1515 zur Faschingszeit ein Lobgedicht auf Freiburg und sein fertiggestelltes Münster:
Viel sind der prächtigen Kirchen und viel der heiligen Orte,
Der sinkende Stern des letzten Ritters
Gegen Ende seines Lebens ist Maximilian I. nicht mehr Herr im Hause. Deutschland und die Reichsordnung versinken immer tiefer ins Chaos. Was nützt es, die Bestimmungen des Landfriedens zu verschärfen, wenn sie sich nicht durchsetzen lassen: Willkühr, Selbstrache und Befehdungswuth, die so leicht die Raubsucht und das Leben aus dem Sattel oder Stegreif begünstigen, [sind] von jeher die Hyder (Hydra), welche das sonst so herrliche Deutschland zerfleischt. So verfallen von jetzt an nicht nur diejenigen, welche den Landfrieden wirklich brechen, oder Ruhestörer aufnehmen, sondern auch sogar diejenigen, welche nur in einen gegründeten Verdacht gerathen, den Frieden zu brechen, oder den Friedbruch unterstützen zu wollen, selbst diejenigen, welche nur Verdächtige aufnehmen, in die Reichsacht, und alle damit verbundenen Strafen [Schr57].
Während seiner letzten Lebensjahre macht der Kaiser, der sich sein ganzes Leben um die Vebreitung seines Ruhm gesorgt hatte, den Entwurf des eigenen Grabmals zu seinem Hobby [Wind10]. Maximilians Motto: Wer im Leben kein Gedächtnis hat, der hat nach seinem Tod kein Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen, und darum wird das Geld, das ich auf Gedächtnis ausgebe, nicht verloren [Spec19].
Als Maximilian 1519 auf Burg Wels stirbt, gibt es nicht einmal genug Geld, um das Begräbnis des Kaisers zu finanzieren, denn die reichen Tiroler Silber- und Kupfergruben sind an die Fugger verpfändet: Alles, was Geld getragen hat, ist versetzt gewesen. Erst geliehenes Geld ermöglicht eine bescheidene Bestattung in Wiener Neustadt.
Maximilians monumentales Grabmal in Innsbruck bleibt leer; sein Herz liegt in Brügge.
Allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn
Da gereicht es zum Trost, dass in schwere Zeit nach der Satzung unnd ordnung über die weyne von 1498 Herzog Wilhelm IV. von Bayern am 23. April anno 1516 der Deutschen liebstes Gebot, das Reinheitsgebot des Bieres, verkündet: Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stüchh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Dazu bemerkte ein Braumeister: Die Heffen, die hoam's vergessen, ohn' die geht fai nix. Das ist zu modern gedacht, denn seinerzeit startet nicht die gezielte Zugabe von Brauhefe den Gärungsprozess der damals obergärigen Biere, sondern ein zufällig anwesender Hefepilz, was jeder Charge ihren eigenen Biergeschmack verleiht. Auch ist es nicht Wilhelm von Bayern, sondern Philipp III von Burgund, der bereits 1438 für sein Staatsgebiet eine Art Pflichtenheft herausgibt, nach dem zur bierre-Herstellung nur Wasser, Gerste und Hopfen verwendet werden dürfen. Dieses Pflichtenheft sorgt sich jedoch nicht so sehr die Reinheit des Bieres, sondern soll das damalige burgundische Hopfenmonopol schützen [Marz13].
Genug der Beckmesserei: Seit Kurzem wird nun der 23. April als Tag des Deutschen Bieres begangen.
Nichts steht in rechter Ordnung
In der Reformatio Sigismundi einer aus dem Jahre 1439 stammenden Reichsreformschrift liest man bereits: Gehorsamkeit ist tot, Gerechtigkeit leidet Not, nichts steht in rechter Ordnung [Goer04]. Jetzt Anfang des 16.Jahrhunderts wird der Ruf nach Reformen immer lauter, doch selbst Ansätze dazu sind nicht sichtbar, wie es Leopold von Ranke recht bildhaft beschreibt: Im Jahre 1517, als nicht allein die Fehdschaften [des Desperados und Raufbolds] Franz von Sickingen Oberdeutschland beunruhigten, sondern die Unordnungen überhaupt ins Unerträgliche stiegen, kam es wieder zu einem Reichstage, diesmal zu Mainz [...] Summa Summarum, schreibt der Frankfurter Gesandte, hier ist nichts als Klage und Gebrechen; höchlich ist zu besorgen, daß dafür kein Rat gefunden wird. Ein Mittel, eine Maßnahme, die etwas hätte helfen können, ward nicht einmal vorgeschlagen; der Reichstag löste sich auf, ohne auch nur zu einem Beschluß geschritten zu sein [Rank20].
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This page was last updated on 16 September, 2024