Johann t'Serclaes Graf von Tilly Standbild in der Münchner Feldherrnhalle
Freundlicher Graf von Thurn
Melchior Khlesl ©Wikipedia/Joseph Keszler |
Freiburgs Geschichte in Zitaten |
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Der Dreißigjährige Krieg I
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Vorgeschichte des großen Krieges oder ein Bruderzwist im Hause Habsburg
Der geistig verwirrte Kaiser wird den Habsburgern zunehmend zur Belastung. Deshalb trifft sich der Familienrat 1606 in Pressburg und bestimmt in einem geheimen Papier Matthias (1612–1619) zum Oberhaupt der Familie und Nachfolger Rudolfs. Damit beginnt der sich in Etappen zuspitzende Bruderzwist, den Franz Grillparzer (1791-1872) in seinem Drama so eindrücklich beschreibt.
Die blutigen Hugenottenkriege in Frankreich mit ihrem Höhepunkt der Bartholomäusnacht vor Augen sieht Kaiser Rudolf (1576-1612) mit dem Religionskonflikt zwischen Katholiken und Lutheranern auch im Reich kriegerische Auseinandersetzungen heraufziehen. Besonders gefährlich scheint ihm die massive Einmischung der deutschen Protestanten in den Personen des lutherischen sächsischen Kurfürsten Johann Georg (1611-1656) und des intriganten bekennenden Calvinisten Christian von Anhalt-Bernburg (1586-1630) in die böhmischen Angelegenheiten. So empfiehlt Rudolf das kleinere Übel: Die Türkenfurcht bezähmt den Lutheraner, Fluch jedem Krieg! Doch besser mit den Türken als Bürgerkrieg, als Glaubens-, Meinungsschlachten und weigert sich, den von Matthias abgeschlossenen Waffenstillstandsvertrag mit den Türken zu unterzeichnen.
Zur Verschärfung des Religionskonflikts trägt die Reichsexekution des bayerischen Herzogs Maximilian (1597-1651) gegen das in die Acht gefallene Donauwörth bei. Dort war 1606 am Markustag (25. April) eine kleine katholische Prozession durch die evangelische Stadt gezogen, was in einem Kreuz- und Fahnengefecht endete.
Nach einem weiteren Vorfall hatte Kaiser Rudolf am 3. August 1607 gegen geltendes Reichsrecht (die Stadt gehörte zum schwäbischen und nicht zum bayrischen Reichskreis) den erzkatholischen Bayernherzog mit der Exekution der Acht beauftragt, der anschließend Donauwörth nach Rekatholisierung als sein Eigentum betrachtet.
Der kinderlose Rudolf hasst seinen Bruder Matthias und favorisiert als Nachfolger auf dem Kaiserthron seinen im katholischen Glauben festen Neffen Erzherzog Ferdinand (1578-1637) ) aus der steirischen Linie der Habsburger, von dem es heißt, er wolle lieber eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer.
Rudolf schickt den Eiferer Ferdinand 1608 als seinen Stellvertreter zum Reichstag nach Regensburg. Dort sehen die protestantischen Stände wegen der bestehenden Waffenruhe an der Balkanfront nicht ein, weshalb sie dem Kaiser eine neue Türkensteuer bewilligen sollen. Schließlich verlangen sie für ihre Zustimmung die Bestätigung des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Dafür möchte Ferdinand im Gegenzug den status ante quo für die seither in protestantischen Besitz gekommenen Gebiete wiederhergestellt wissen. Wie zu erwarten, einigt man sich nicht. So geht nicht nur der Regensburger Reichstag am 3. April 1608 ohne Abschied auseinander, sondern die Delegation der calvinistischen Kurpfalz verlässt unter Protest zusammen mit weiteren Ständen den Reichstag [Salt11].
Darauf und in Erinnerung an Donauwörth schließen sich zum Schutz ihrer Rechte gegen die katholisch-kaiserliche Partei am 14. Mai zunächst calvinistische Reichsstände unter Führung des Pfälzer Kurfürsten Friedrich (1583-1610) zu einer Union zusammen. Jetzt fühlen sich die Katholiken bedroht, und so gründet Maximilian von Bayern im Juli 1609 in München die katholische Reichsliga zur Wahrung von Friede und Recht, der zunächst nur die geistlichen Reichsfürsten, also Bischöfe und Reichsprälaten, beitreten. Die Habsburger sehen wohl, dass der Bayernherzog die Speerspitze der Gegenreformation in deutschen Landen bildet und stehen dem Bündnis recht argwöhnisch gegenüber.
Dieser König ist nicht gut, wir brauchen einen anderen
Derweil spitzt sich der Habsburger Bruderzwist zu. Als Matthias mit 20 000 Mann in Böhmen einmarschiert, muss der Kaiser 1608 im Vertrag zu Lieben seinem Bruder die Verwaltung in den österreichischen, ungarischen und mährischen Landen überlassen. Auch dreht der Familienklan Rudolf langsam den Geldhahn zu, so dass der katholische Kaiser auf die finanzielle Hilfe der protestantischen Stände in Böhmen angewiesen ist. Diese verlangen gegen Zahlung einer großen Summe weitere Zugeständnisse in Religionsfragen.
Als im April 1609 Graf Heinrich Matthias von Thurn (1567-1640) sich mit Getreuen einen Weg in die Gemächer des Kaisers auf dem Hradschin bahnt, wobei einige seiner Männer rufen: Dieser König ist nicht gut, wir brauchen einen anderen [Wils09], garantiert Rudolf II. am 9. Juli 1609 den Anhängern des Böhmischen Bekenntnisses, den tschechischen Hussiten und Glaubensbrüdern im Majestätsbrief: Vom heutigen Tage an soll niemand … von [seiner] Religion abgedrängt und zu einer anderen Religion durch Gewalt oder auf irgendeine ersonnene Art gezwungen werden.
Das Dokument verbrieft den Ultraquisten neben der Religionsfreiheit auch das Privileg, Kirchen zu bauen und Schulen einzurichten. Die Prager Universität wird protestantisch. Doch das kühlt die Atmosphäre nur vorübergehend ab, denn in Böhmen vermengt sich die religiöse Auseinandersetzung mit dem Nationalitätenkonflikt zwischen der tschechisch und der deutsch sprechenden Bevölkerung zu einer explosiven Mischung.
Rudolfs Majestätsbrief
Rudolfs zweiter Neffe Erzherzog Leopold (1609-1632), schon 1598 mit zwölf Jahren Bischof von Passau und seit 1607 auch von Straßburg, hatte vergeblich versucht, im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit den kaiserlich-katholischen Standpunkt militärisch durchzusetzen. Nun formiert er seine Truppen in Passau neu und hofft, wenn er den Kaiser aus seiner misslichen Lage befreit, von ihm als sein Nachfolger bestimmt zu werden. So heißt er seine Söldner auf Prag marschieren. Nach einem Raubzug durch Oberösterreich erreicht der undisziplinierte Haufen der Passauer - 9000 zu Fuß, 4000 zu Pferd – am 15. Februar 1611 Prag und besetzt die Kleinseite [Mann06]. Nur mit knapper Not können die Truppen der böhmischen Stände durch ihr beherztes Eingreifen die Einnahme der Prager Alt- und Neustadt durch das Passauer Volk verhindern. Jetzt bitten die Bürger Prags Matthias um militärische Hilfe und der zwingt Rudolf im Mai 1911 zur Abdankung auch in Böhmen.
Seine Wahl zum Kaiser durch die Kurfürsten lässt Matthias für den Mai 1612 ansetzen. Sein zynisches Motto: Einigkeit ist stärker als Licht [Wils09], was Franz Grillparzers Rudolf resigniert klagen lässt: Ich selbst, wie einst mein Oheim, Karl der Fünfte, Als er die Welt, wie sie nun mich, zurückstieß, Im Kloster von Sankt Justus in Hispanien Den Tod erwartete, so will auch ich. Dazu jedoch kommt es nicht, denn Rudolf empfiehlt sich vergrämt selbst seinem Gott und stirbt, ohne einen Priester kommen zu lassen, noch im Januar des gleichen Jahres unvermählt und unbedauert in Prag.
Kaiser Matthias unter dem Himmel
Nach seiner Wahl bestätigt Matthias den Protestanten zunächst das Recht auf freie Religionsausübung: Die Utraquisten wollen Kirchen bauen, wozu sie Kaiser Rudolfs Brief berechtigt.
100 Jahre Reformation
Im Jahre 1617 finden überall in evangelischen Landen Feiern zum hundertsten Reformationsjubiläum statt. Luther wird als der neue Moses hochgelobt. Darauf antwortet Papst Paul V. (1605-1621) aggressiv mit der Verkündung eines außerordent-lichen Jubeljahres.
Derweil sind am Oberrhein die Jesui-ten eifrig mit der Gegenreformation beschäftigt. Zwar ging Straßburg an die Lutherischen verloren und der ehemalige katholische Bischof hat nun im südlich gelegenen Molsheim seinen Sitz, doch an Allerheiligen 1617 trumpft er groß auf, indem er dort zum 100-jährigen Reformationsjubiläum als Bollwerk des Katholizismus ein von Jesuiten betriebenes Priesterseminar einweiht [Spec18].
Für den sächsischen Hofprediger Matthias Hoë von Hoënegg sind die Reformierten allerdings schlimmer als die Altgläubigen; sie sind der innere Feind im Glauben. So wird der Streit zwischen den beiden protestantischen Religionen um die rechte Auslegung des Evangeliums häufig mit größerer Schärfe geführt als zwischen Katholiken und Lutheranern. Die Calvinisten bezeichen Hoë als sächsischen Papst oder neuen Judas [Wils09].
Die Evangelischen mögen nicht, dass so viele edle Länder … dem Kalvinismus in den Rachen fliegen und der römische Antichrist nur dem helvetischen Platz machen sollte [Schi64]. Für die lutherischen Württemberger sind die Calvinisten die Unterdrücker des wahren Glaubens vergleichbar mit falschen Lehrern, blutdürstigen Tyrannen, Papst, Jesuiten, Zwinglianern und anderen Sekten [Wils09].
Das Unkraut wachßen lasßen
Nach 1610 verschärfen sich auch die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten, ohne dass eine Partei die Oberhand gewinnt. So äußert sich der Kanzler Kaiser Matthias’ und Bischof von Wien Kardinal Khlesl 1613 recht pessimistisch über den Umgang mit den Ketzern im Reich, will es aber nicht zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen lassen: Es sei unvermeidlich „das Unkraut wachßen [zu] lasßen, weil wüers ohne Schaden nit ausßreütten khünnen“, das sei dann aber doch ein bloßes „connivieren und dissimuliern” [Asch18].
Jacob I. (1567-1625) von Großbritannien und Oberhaupt der anglikanischen Kirche bemüht sich um einen Ausgleich mit der römischen Kirche, doch bei seinem Connivieren unterstellt man ihm die Absicht, er wolle England rekatholisieren. Damit teilt er das Schicksal vieler, die sich um Vermittlung im Religionskonflikt bemühen und sich als Verräter und Doppelagenten beschimpfen lassen müssen. Während die gemeinen Leute in Glaubensfragen meist pragmatisch reagieren und kompromissbereit sind, ist der große Teil der Geistlichkeit auf beiden Seiten den Abgrenzern und Scharfmachern zuzuordnen.
Im Reich herrscht ein Klima des Misstrauens, die Atmosphäre ist vergiftet. Während die spanische Linie der Habsburger dank ihrer militärischen Vormacht eine Pax Hispania durchsetzen möchte, beklagen die Protestanten die viehische Brutalität der Spanier [Asch18].
Ich will lieber mein Brod vor den Thüren betteln
Abgekämpft und krank empfiehlt Kaiser Matthias im Sommer 1617 den Böhmen seinen Adoptivsohn Ferdinand als König. Es ist dies eins in der Weltgeschichte unbegreiflichen Geschehnisse, dass die böhmischen Stände aus freien Stücken den fanatischen Habsburger zu ihrem König wählen, denn mit ihm kommen sie vom Regen in die Traufe [Mann06], hatte doch Ferdinand als Erzherzog erklärt: Ich will lieber mein Brod vor den Thüren betteln und mich in Stücken hauen lassen, als das Unrecht der Ketzerei länger in meinem Lande dulden. Ich liebe die Ketzer, da ich sie vom Bösen bekehren will, und würde mich köpfen lassen, wenn ich sie dadurch alle von der Ketzerei befreien könnte [Schm53] und Ich möchte lieber sterben, als in Fragen der Religion den Ketzern irgendwelche Zugeständnisse machen [Kissi94]. In diesem Sinne hatte Ferdinand in seinen Stammländern Steiermark, Kärnten und Krain mit der Ausweisung Andersgläubiger und der Verhängung von Todesstrafen gegen Unbekehrbare eine rigorose Gegenreformation betrieben.
Relief Ferdinands als Erzherzog im Innenhof des neuen Rathauses in Freiburg über der Tür zum ehemaligen Senatsgebäude der alten Universität 1580.
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Kammerpräsident Slavata
Freiherr von Martinitz
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Nun werden wir uns wider unsere Religionsfeinde rechtschaffen verhalten
Ferdinand, am 29. Juni 1617 zum böhmischen König gekrönt, führt zunächst eine Zensur aller protestantischen Schriften ein. Auch kocht der Konflikt um den früheren katholischen Kirchenbesitz in Böhmen wieder hoch.. Er eskaliert im Streit um die Schließung einer lutherischen Kirche in der nordostböhmischen Stadt Braunau (Broumov) und nach dem Abriss eines gerade erbauten reformierten Gotteshauses in der Bergbaustadt Klostergrab (Hrob) durch den katholischen Bischof.
Diese Provokationen Ferdinands beantworten die böhmischen Stände am 23. Mai 1618 mit dem Besuch einer Delegation unter Führung des Grafen Thurn bei den kaiserlichen Statthaltern Wilhelm Slavata (1572-1652) und Jaroslaw Martinitz (1582-1649) auf dem Prager Hradschin. Mit den Worten: Nun werden wir uns wider unsere Religionsfeinde rechtschaffen verhalten, stürzen die Eindringlinge den Kammerpräsidenten Slavata, den Freiherrn Martinez und ihren Sekretär Magister Philipp Fabricius, römisch kaiserlicher Rat und Königreich Böhmens Sekretarius, aus dem Fenster.
Die Prager Defenestration Voller Todesangst ruft Martinitz die Heilige Jungfrau an. Als unten die drei wider Erwarten wieder auf ihre Füße kommen und Martinitz davonhumpelt, schreit einer aus der Ständedelegation: Mein Gott, seine Maria hat ihm geholfen. Wegen des von der katholischen Propaganda weidlich ausgeschlachteten Wunders kommt Fabricius zu dem sinnigen Adelstitel von Hohenfall [Wils09].
Martinitz, als erster aus dem Fenster gestoßen, berichtet später vom Sturz Slavatas: Sie haben erst die Finger seiner Hand, mit der er sich festgehalten hat, bis aufs Blut zerschlagen und ihn durch das Fenster ohne Hut, im schwarzen samtenen Mantel hinab geworfen. Er ist auf die Erde gefallen, hat sich noch 8 Ellen tiefer als ich in den Graben gewälzt und sich sehr mit dem Kopf in seinen schweren Mantel verwickelt [Kolb18].
Ein international beachtetes Ereignis, worüber die Frankfurter Kaiserlichen Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung am 18. Juni 1618 in einer Notiz berichtet, in der die Übermittlung der Namen nicht ganz korrekt erfolgt: Aus Prag, vom 29. Ditto. Allhie gehet es seltsam zu, denn zwischen den Herren Kaiserlichen Officirern und den Herren Ständen sich etlicher Streit erhebet, wegen der von den Herren Ständen angestellten Zusammenkünfte, welche [von] ihnen nit gut geheißen werden wöllen. Daher am 23. dieses [Monats] sich in der Hofkanzlei ein Unwillen erhebet. Darüber Herr Slawata, Herr Schmezonsky und Herr Phillip Plinreß, Secretarius, zum Fenster hinaus geworfen worden, welche, ob es wohl eine ziemlich Höhe, noch alle im Leben [Medi18].
Nach erfolgter Tat setzen die Stände eine Revolutionsregierung ein, deren erste Maßnahme die Austreibung der Jesuiten aus Böhmen ist. Ein rasch aufgestelltes kleines Heer von 16 000 Söldnern unter Graf Heinrich Matthias von Thurn zwingt das zunächst zögernde Südböhmen unter die Prager Zentralregierung. Dann erfolgt der Anschluss Mährens an Böhmen, und schließlich steht Thurn im Juni 1619 mit seiner zusammengewürfelten Truppe sogar vor der österreichischen Hauptstadt Wien, ohne jedoch die Stadt in Bedrängnis bringen zu können.
Himmelszeichen über Freiburg
Seit Isidor von Sevilla (560-636) gilt das Auftreten eines Kometen als himmlisches Vorzeichen, welches entweder Pest, Hunger oder Krieg ankündigt [Fuhr87].
Hans Heberle aus Ulm schreibt 1630 in sein Zeytregister: Anno 1618 ist ein großer Comet erschienen in Gestalt einer großen und schröcklichen Rutten, welcher uns von und durch Gott heftig drohet, von wegen unseres sündlichen Lebens, was wir vielfältig verdient und noch täglich verdienen. Derselbige ist gesehen worden vom Herbst an bis in den Frühling. Was er bedeutet, was auch darauf folgen wird, das selbige ist mit heißen Tränen zu beweinen, wie wir leider das selbige wohl erfahren und erfahren haben, anno [16]20 büß anno [16]30, welches nicht genugsam zu beschreiben ist, wie solches dieses Büchlein fleißig ausweiset [Medi18].
Der Stich von 1635 aus Mattheus Merians Theatri Europaei zeigt den Halleyschen Kometen über Heidelberg, der deutschen Hauptstadt des Calvinismus. Das Bild ist aber auch eine Allegorie, denn der Unheilsstern schwebt über dem Schloss, Herkunftsort und Stammsitz des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., der 1618 zum böhmischen König gewählt wurde und kaum zwei Jahre später seinen Thron infolge der verlorenen Schlacht am Weißen Berg wieder verliert [Medi18].
Doch wie erleben die Freiburger den Ausbruch des großen Krieges? Der plötzliche Tod Erzherzog Maximilians (1593-1618), ihres Gubernators, beunruhigt die Menschen. Da wird in Freiburgs Kirchen ein vierzigstündiges Gebet abgehalten auch der Böhemischen Unruh halben.
Die unguten Gefühle werden verstärkt, als in der Nacht vom 29. auf den 30. November 1618 am Himmel über Freiburg ein großer und erschröcklicher Komet in der Gestalt einer Ruothen oder Schwerts, ein Vorbott alles Übels teutscher Nation erscheint. Da lassen die Behörden in Erwartung eines Krieges die Befestigungsanlagen der Stadt überprüfen und alle wehrfähigen Bürger im Rahmen ihrer Zünfte mustern [Haum01].
Neuer Regent in Tirol und den vorderösterreichischen Landen wird der uns schon bekannte Bischof von Passau und Straßburg Erzherzog Leopold.
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Churfürst von Pfalz (Erztruchsess)
Georg Friedrich V.
Friedrich,
Hie sicht man die 12 Köpff auff den Prager Bruckenthurn aufgesteckt
Gubernator Leopold im geistlichen Ornat |
Man möge sich nur gleich auf einen zwanzig-, dreißig-
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Martin Opitz
Maximilian endlich Kurfürst |
Was ihr noch nicht getan, das tut die Christenheit
Anfang 1621 noch ganz im Siegestaumel von Prag verfolgt Tilly die pfälzischen Truppen unter dem im Dienste des Winterkönigs stehenden Grafen Ernst von Mansfeld (1604-1626) zunächst bis in die Oberpfalz.
Mansfeld kann sich dort militärisch nicht halten und zieht sich mit seinen Männern in das Elsass zurück, um seine Söldner auf Kosten des Hauses Habsburg, d. h. des Erzherzogs Leopold, des Bischofs von Straßburg, zu versorgen. Mansfeld erpresst Schutzgeld von den Städten Landau, Weißenburg und Hagenau, doch Rosheim widersteht ihm.
Im Frühjahr 1622, als die Witterung wieder größere militärische Bewegungen erlaubte, hatte Mansfeld seine Truppen auf insgesamt 35000 Mann gebracht.
Auch Tilly legt die damals übliche Winterpause ein. Im Frühjahr 1622 schickt Herzog Maximilian seinen Feldherrn mit dem Ligaheer in der Hoffnung auf Landgewinn und Kurwürde in die Rheinpfalz. Der verliert dort prompt am 27. April 1622 am Ohrenberg die Schlacht bei Mingolsheim gegen die vereinigten Unionstruppen des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach und dessen aus dem Elsass zurückgekehrten Bundesgenossen Mansfeld.
Des tollen Halberstädters Pfaffenfeindthaler [Ehre18]
Inzwischen erobert der Kriegsunternehmer Herzog Christian von Braunschweig (1621-1626), auch bekannt als der tolle Halberstädter, das Erzbistum Paderborn, raubt den Domschatz, schmilzt ihn ein und lässt den Pfaffenfeindthaler schlagen mit der Inschrift Gottes Freundt der Pfaffen Feindt [Ehre18].
Ein Tilly gibt nicht auf und schlägt, nachdem sich Georg Friedrichs und Mansfelds Truppen getrennt hatten, am 6. Mai die Armee des Markgrafen bei Wimpfen entscheidend. Als Christian von Braunschweig seinem Mentor Georg Friedrich zu Hilfe eilt, stellt Tilly ihn am 20. Juni bei Höchst, wo der tolle Halberstädter eine Brücke über den Main hatte errichten lassen. Bei seinem Rückzug gerät die Brücke unter Beschuss der Kaiserlichen: Die Flüchtigen haben ihre retirade auff die Brucken genommen und sind deren etliche hundert, darunter vornehme Befehlshaber ertruncken. Irrer (Ihrer) vil haben durch den Meyn gesetzt und sind am selbigen Abend in großer Flucht und Unordnung jenseit Frankfurt ankommen [Kolb18]. Christians Banner mit dem gestickten Wahlspruch Pour Dieux et pour elle*, d. i. Elizabeth die Winterkönigin, werden eine Beute der Kaiserlichen [Wils09]. *Für Gott und sie
Nach fast 500 Jahren: Sichtbare Spuren der Schlacht bei Wimpfen im Gelände (©Rudolf Landauer) Kurfürst Friedrich ohne Geld setzt nun auf ein Verhandlungslösung und entlässt im Juli 1622 seine Heerführer Mansfeld und Herzog Christian mit ihren Männern, die nun arbeitslos als warlords mit ihren Haufen mordend, brennend, sengend und plündernd zunächst durch Lothringen ziehen. In einer nach Ernst von Mansfeld benannten Apologie heißt es: Da schonen sie keiner Person, sie sey wes Standes vnnd Würdens sie wolle. Es istjhnen kein Ort frey noch zu heilig. Die Kirchen die Altar, die Gräber, ja die todte Cörper, seynd vor ihren Dieb vnd Rauberischen Gewaltthaten nicht sicher [Oltm11].
Als am 16. September 1622 Tilly Heidelberg, das Zentrum des reformierten Bekenntnisses, einnimmt, ist die Statt den Soldaten nach Kriegsbrauch zu plündern preiß gegeben worden.
Die Beschießung Haidelbergs durch Tilly Der Dichter Martin Opitz (1577-1639) hat seine Erinnerungen an die Eroberung Heidelbergs in seinem Trostgedicht in den Widerwärtigkeiten des Krieges festgehalten:
Der Mann
hat müssen sehn, sein Ehebette schwächen,
Im Frühjahr 1622 hatte Erzherzog Leopold die Vertreter der Dekapolis in Colmar zusammenkommen lassen und verlangt, ihm eine Armee gegen das tirannische Kriegsvolk zur Landesrettung dieses oberelsässische Vatterland zu finanzieren. Zu spät, denn als in Lothringen nichts mehr zu holen ist, kehrt Mansfeld mit dreißigtausend hungrigen Mäulern ins Elsass zurück.
Nachdem er Hagenau eingenommen hat, plündert seine Soldateska Weissenburg, Landau, Obernai und die dazugehörigen Dörfer und tut sich vor allem an katholischem Eigentum gütlich. Nach der anschließenden kurzen Belagerung von Rosheim massakrieren die Mansfelder wohl in Erinnerung an die Vorjahresschmach, als die Stadt ihnen Schutzgelder verweigert hatte, 150 Männer, Frauen und Kinder. Frauen und Mädchen sind Freiwild, die Stadt wird vollständig ausgeraubt [Vogl09]. Sie haben die armen unbewehrten Bauern haufenweise in die brennenden Häuser mitten in die Flammen geworfen, und diejenigen, die sich retten wollten, wie die Hunde niedergeschossen. Sie haben die Kirchen aufgebrochen, beraubt, die Altäre abgerissen, das heilig hochwürdige Sakrament mit Füßen getreten, einander ihre blutrünstigen Schuhe mit dem heiligen Öle und Chrysam angestrichen und beschmiert. Sie haben die Taufsteine ausgeschüttet und beschmiert und sie auf unehrliche Weise zuschanden gemacht. Sie haben alle Weibspersonen öffentlich geschändet und nach verübtem Mutwillen dieselben ins Feuer geworfen. Sie haben junge Kinder von neun, zehn Jahren mit unaussprechlicher teuflischer Unzucht verderbt, so lange unmenschlich rottenweise geschändet, bis sie unter ihnen gestorben. Wie dann junger und alter Weibsbilder eine gute Anzahl danach in offenen Wegen, in den alten verbrannten Scheuern noch unehrlich, unbedeckt tot gefunden worden, andere aber dermaßen verderbt, daß sie kaum atmen können und nach wenigen Tagen ebenfalls weggestorben, wie ein Zeitgenosse berichtet [Münk17].
Damals bläst ein kalter Hauch des Krieges über den Rhein und den Bürgern Freiburgs ins Gesicht, die ängstlich ihr kärgliches militärisches Aufgebot mustern, besteht doch das Freiburger Fähnlein lediglich aus 300 Mann Landvolk [Nach18].
Schließlich bieten die Holländer den Mansfeldern vorübergehend Dienste in ihrem Kampf gegen die Spanier an. Doch bald wieder arbeitslos lässt Mansfeld seine Soldaten nun Ostfriesland leerfressen, während Christian in Niedersachsen einfällt.
Dass es nur um Religion gehe und um nichts sonst
Nach den Erfolgen seines Generals erhält der bairische Maximilian am 23. Februar 1623 die gesamte Oberpfalz sowie die östliche Unterpfalz und auf dem Reichsdeputationstag im gleichen Jahr die ersehnte Kurwürde seines pfälzischen Vetters. Da schenkt er nach anfänglichem Zögern dem Papst die berühmte Heidelberger Bibliothek.
Nun beginnt ein Krieg, der dreißig Jahre dauern sollte und der vordergründig als Religionskrieg bezeichnet wird. Immer war es die These der [böhmischen] Rebellen gewesen, dass es nur um Religion gehe und um nichts sonst; immer die Gegenthese der Kaiserlichen, dass es um Religion überhaupt nicht gehe, sondern um weltlichen Aufruhr [Mann06]. Doch letztlich geht es wie bei jeder kriegerischen Auseinandersetzung nur um Macht. Die Mächtigen argumentieren zynisch mit religiöser Ideologie und halten so den gemeinen Mann bei der Stange, ja machen ihn gefügig.
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Christian IV:
Gottfried Heinrich
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Als Tilly das bayrische und Wallenstein das kaiserliche Heer nach Norden in den Niedersächsischen Kreis marschieren lassen, wird der folgende Dreißigjährige Krieg zuvörderst zu einer Machtprobe zwischen dem katholischen nach absoluter Macht strebendem Kaiser und den auf ihre Libertät bedachten protestantischen Ständen.
Auf den böhmisch-pfälzischen Krieg (1618-1623) folgt durch das aktive Eingreifen ausländische Mächte, d. i. zunächst der Dänen auf Seiten der protestantischen Union, der dänisch-niedersächsische Krieg (1625 bis 1629). Ab 1630 bis 1635 sind die Schweden auf Reichsgebiet im so genannten schwedischen Krieg engagiert. Als französische Truppen 1635 aktiv in die Kämpfe eingreifen, wird mit dem französisch-schwedischen Krieg (1635-1648) aus der innerdeutschen Auseinandersetzung endgültig ein europäischer Krieg, der vornehmlich auf deutschem Boden ausgetragen wird und in dem sich niemand mehr um sein Gebetbuch schert.
Jeder Soldat braucht drei Bauern
Während in den folgenden Jahren immer neue Nachrichten über Kriegsgräuel Freiburg erreichen, werden die katholische Stadt und ihr Umland zu Beginn des Großen Krieges nur sporadisch von durchziehenden spanischen und kaiserlichen Truppen heimgesucht, die sich aber bald als ungetrew, aydtsvergesen, betrieglich und landesverderblich erweisen. Vor allem die Landbevölkerung ist der marodierenden Soldateska schutzlos ausgeliefert.
Sebastian Vrancx: Soldaten plündern einen Bauernhof [DHMB] Damals macht das Wort die Runde, dass jeder Soldat drei Bauern braucht: einen, der ihn ernähre, einen, der ihm ein schönes Weib beschere, und einen, der für ihn zur Hölle fahre [Jung03]. Später benehmen sich nassausche Soldaten, die als ein teutsch Regiment Disciplin und Ordnung zue halten gewohnt sind, auch nicht besser als die welschen Wallonen.
Die Freiburger beten, sie möchten biß auf das künftige Jahr den Friden zuo erlangen
Erzherzog Leopold zeigt derweil Präsenz am Oberrhein und erhöht von Ensisheim aus nach den bösen Erfahrungen mit der Mansfeldschen Sodateska die Verteidigungsanstrengungen. Er wirbt Truppen an und auch die Freiburger Universität bewaffnet 300 Studenten. Im Jahre 1624 ist die Sicherheitslage so normal, dass der polnische König den Oberrhein bereist und dabei in Begleitung Leopolds Schlettstadt und Breisach besucht [Spec10].
Derweil beten die Freiburger hoffnungsvoll jeden Sonntag im Münster, sie möchten biß auf das künftige Jahr den Friden zuo erlangen. Doch plötzlich ist die Furcht unter der Bevölkerung groß, denn ist ein großer Uflauf entstanden, da der König aus Schweden aller Orth und End eingenommen und ausgeblindert [Haum01].
Tatsächlich bleibt der Südwesten des Reiches zunächst vom Krieg verschont auch dank des Württembergischen Herzogs Johann Friedrich. Der war Mitglied in der protestantischen Union, hatte zusammen mit Georg Friedrich von Baden in der Schlacht von Wimpfen gegen Tilly gekämpft und verloren. Kriegsmüde schließt er anschließend einen Nichtangriffspakt mit dem Kaiser. So dient sein neutralisiertes Herzogtum den habsburgischen Gebieten am Ostufer des Oberrheins als Schutzschild gegen den Einfall feindlicher Truppen [Bren18].
Merians Plan von Freiburg um 1630. Man erkennt links im Norden! den Stadtteil Neuburg mit der Nikolauskirche, nach Westen breitet sich die Lehener Vorstadt mit dem St. Klara- und dem St. Agneskloster aus. Rechts im Süden befindet sich die Schneckenvorstadt vor dem Martinstor mit der Gerberau und der Insel. Jenseits der Dreisam liegt das Dorf Adelhausen mit dem Katharinenkloster und dem Kloster Maria Verkündigung
Eben dieser Kupferstecher Matthäus Merian gerät in den Wirren des Krieges in der Nähe von Oppenheim bei einem Botengang für seinen Schwiegervater in Lebensgefahr und flieht in die Niederlande wie Joachim von Sandrart in seiner Teutschen Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste berichtet: Weil aber der Teuschen Lande Wolstand mehr und mehr ab- und die Hungersnoth/ neben der Pest/ so stark überhand genommen/ daß man Ihme seinen Scholarn/ den jungen Matthaeum Merian/ als er denselben/ gegen abends/ zu seinem Schwager in einer Verrichtung gesendet/ mit anworf eines Stricks um den Hals/ erwürgen und zur Schlachtbank liefern wollen/ dessen sich etliche hungerige Bauren unterstanden/ denen er aber glücklich entronnen : hat dieses ihn so perplex gemacht/ daß Er sich/ samt den Seinigen/ zu mehrer Sicherheit/ nach Amsterdam verwandelt [Schr18].
Herzog von Friedland
Es wurmt Kaiser Ferdinand gewaltig, dass er in einem Vertrag von 1619 seinem Vetter Maximilian von Bayern zugestehen muss, dass seine inzwischen aufgestellten kaiserlichen Truppen dem Heer der katholischen Liga im Kampf gegen die Protestanten nur beistehen dürfen.
Nun möchte Kriegsherr Ferdinand das vom ihm im Jahre 1625 ausgesprochenen Verbot der Aufrüstung der evangelischen Stände in Norddeutschland militärisch durchsetzen. Als sich darob der niedersächsische Kreis mit dem dänischen König verbündet, kommt das Angebot Albrechts von Wallenstein gerade recht. Er bietet dem Kaiser an, als Kriegsunternehmer eine kaiserliche Armee vorzufinanzieren.
Zuvor schon hatte Wallenstein als Friedländer Großgrundbesitzer dem Kaiser finanziell unter die Arme gegriffen, der als Gegenleistung den kleinen böhmischen Landadeligen 1624 zum Herzog von Friedland erhoben hatte. In einem Dekret vom 7. April 1625 ernennt Ferdinand II. Wallenstein zum Führer und Haupt aller kaiserlichen Truppen im Reich. So kommt es zu einem Konkurrenzkampf zwischen Tilly und der Liga und dem Kriegsunternehmer Wallensteins um Rekruten.
Hatte der Kaiser geahnt, dass sich am 19. Dezember 1625 die Gegner der Habsburger, Dänemark, England, die Niederlande und einige protestantische Reichsfürsten sich in der Haager Allianz zusammenschließen würden?
Invita invidia
Des Kaisers Kriegsunternehmer verheert derweil den Norden des Reiches. Am 25. April 1626 schlägt Wallenstein Mansfeld entscheidend bei Dessau. Darüber schreibt er an Kaiser Ferdinand: Kann E. Kaiserliche Majestät gehorsamlich unberichtet nit lassen, wie heutigen Tages Gott, welcher allzeit E. Majestät gerechter Sache beigestanden, mir das Glück gegeben, daß ich den Mansfelder aufs Haupt geschlagen habe [Kolb18].
Mit dem Sieg über den dänischen König Christian IV. gewinnt der Herzog von Friedland an Macht, denn am 1. Februar 1628 belehnt Kaiser Ferdinand, um seine Schulden zu begleichen, Wallenstein mit dem Herzogtum Mecklenburg. Zwei Wochen später ernennt er ihn zum General des Ozeanischen und Baltischen Meeres. Das ist zu viel für die alteingesessenen Reichsfürsten, die den Emporkömmling beim Kaiser anschwärzen. Ihrem Neid zum Trotz lässt der Friedländer Münzen prägen mit eben dieser provokativen Umschrift: Invita invidia [Kais18].
Wallenstein ist weiter an der Ostseeküste militärisch aktiv, doch beißt er sich an der selbstbewussten Hansestadt Stralsund die Zähne aus. Und wenn die Stadt mit Ketten am Himmel befestigt ist, so werde ich sie dort herunterholen, prahlt er und muss die Belagerung am 21. Juli 1628 doch abbrechen.
Alldort In qartier geleghen, gefressen undt gesoffen
Im Jahre 1627 beginnt Peter Hagendorf seine Soldatenzeit im Dreißigjährigen Krieg. Der Söldner ist neben Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen einer der wenigen Kriegsteilnehmer und Augenzeugen, die während und nach dem Kriege ihre Erlebnisse aufschreiben. Während Grimmelshausen mit seinem Simplizissimus den ersten großen Roman in deutscher Sprache verfasst, schildert Peter Hagendorf in einem Kriegstagebuch seine ganz persönliche Sicht der ersten Schlacht von Breitenfeld, und er erlebte Tillys Untergang bei Rain am Lech. Später wurde er Zeuge der schwedischen Niederlage von Nördlingen. Im Jahre 1638 kämpfte der Söldner in der Schlacht bei Rheinfelden, 1644 in der Schlacht von Freiburg [Müll04].
Hagendorf hatte in Norditalien das Kriegshandwerk erlernt, doch als er dort ausgemustert wird, zieht es ihn wieder in die deutschen Lande. Er reist über den Gotthard, kommt über die teuffelsbrugken und weiß zu berichten: Unter dem bergk lieget ein dorff heiset S Urssel (Andermatt), dornach auff Antorff (Altdorf) bei der linde, da bin Ich auff ein schieff gesessen undt uber den seh (See) gefahren. Alhir ist die cabpellen noch zu sehen, wo Wilhelm telm ist ausgesprungen, wo die schweitzer Ihre Freiheit von her haben.
Wie wir uber sindt mit gudten glugk (Glück), bin Ich auff brugk (Brugg), hir ist alles wieder deutz (deutsch), auff Kögesfeldten (Köngsfelden), ein schönes Kloster, dornach auff schaffhaussen.
Zu schaffhaussen habe Ich so viel erbedtelt, das(s) Ich habe wollen schuh kauffen, aber Ich bin In das wirdtshaus vorgegangen, da Ist der wein so gudt gewessen, das Ich die schuh vergessen habe, habe die schuh mit wieden (Weidenruten) gebunden, undt gelauffen bis nach ulm, an der dona(u).
Dessen 1627 jars In Abpril den 3. habe Ich mich uter den pabpenhemsen (Pappenheimische) Regemendt, zu Ulm, lassen unterhalten (anwerben), den(n) Ich bin gans abgeRissen gewessen, für einen gefreiten. Von da aus, sindt wir auff den musterplatz getzogen, nach die ober Margraffschaff baden (Obermarkgrafschaft Baden) [Pete12].
Während dreier Monate stellt Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim in der Markgrafschaft Baden seine Truppen zusammen, in der Hagendorf Gefallen am Soldatenleben findet: Aldort In qartier geleghen, gefressen vndt gesoffen, das es gudt heisset [Müll04].
Wie viele Söldner im Dreißigjährigen Krieg möchte auch Hagendorf bei den Kriegszügen eine Frau dabeihaben: Achtage nach pfingsten, auff die heiliege dreiifaltiegkeit (16. Juni) habe Ich mich, mit der ehrentugendtsahme, anna stadelrin, aus dem berlandt von draunstein (Bayernland von Traunstein), verheiradt, undt hochzeit gehalten.
Bereits nach einer Woche allerdings ist Abmarsch: Auff den tag Sangt Johannes sindt unser fendel (Fähnlein) an die stange geschlagen worden*, zu bischoff zum hohensteg (Rheinbischofsheim). Alhir sindt wir mit den ganssen Regemendt auff schieffe gesessen, undt gefahren bis nach obpumum (Oppenheim), da sindt wir ausgestiegen. Unter wehgens Aber hat ein schiff auffgefahren das es Ist auff stugken (in Stücke) gegangen, also sindt Ihre edtlichen (etliche) ersoffen sein. *Das Zeichen zum Abmarsch
Die Pappenheimer legen große Wegstrecken zurück: Von obpenheim auff frangfordt (Frankfurt), durch die wedtrauw (Wetterau), undt westvalen durch undt auff wolffenbudtel (Wolfenbüttel) In braunschweiger landt (28. August). Das haben wir belegert, undt schanssen dafür (Schanzen davor) gebauwet undt die Stadt hefftieg zu gesedtzet (zugesetzt), mit wasserschwellen (Wasser aufstauen)*, undt bauwen, also das sie sich haben must ergeheben (19. Dezember).* *Der Fluss Oker wurde mit Hilfe des ersten Schwedendamms gestaut und die Stadt unter Wasser gesetzt.
Alhir Ist mir mein weieb kräng (krank) gewessen die gansse belegerung, den wir sindt 18 wochen dafür gelehgen. Am heiliegen Chrstabent sindt sie Abgezogen dessen 1627 jars Aber meissen teils (meistenteils) hat sich lassen unterhalten (anwerben). Dieses Anwerben beim Gegner ist gängige Praxis im Dreißigjährigen Krieg. Was sollte ein plötzlich arbeitsloser Söldner auch anderes machen?
Wolfenbüttel ist die letzte dänische Festung auf deutschen Boden. Anschließend wird Generalwachtmeister Pappenheim wegen seiner Verdienste bei der Belagerung der Festung in den Reichsgrafenstand erhoben.
Es ist Zeit für ein Winterquartier wie Hagendorf berichtet: Da sindt auff die 200 wehgen (Wagen) aus der alte margk (Altmark) kommen die krangke, undt schadthafitiege (Verletzte), zu fuhren. Da habe Ich mein Weieb auch auffgebracht, da sindt wir In der aldte margk gezogen unser haubtqartier Ist gewesen zu garleben (Gardelegen) unser haubtman, Als (da ist), hans hendrich, kelman, Ist mit seinder combpeniege gelehgen zu salswedel (Salzwedel) [Pete12].
Man nennt es Pumpernickel
Das Jahr 1628 sieht die Fortsetzung des erfolgreichen Kriegszugs der katholischen Liga gegen die Dänen, doch es beginnt schlecht für Hagenbuch, denn Alhir (Salzwedel) bin Ich kräng (krank) worden, undt das weieb wieder gesundt, bin gelehgen 3 wochen, 4 wochen nach meiner krangheit, hat man commandiert nach stade, vnterhalb hamborgk (Hamburgs). Also bin Ich mit commandiert worden.
Zu diesen mal Ist mein Weib niederkommen. Aber das kindt Ist noch nicht zeitieg gewessen (Frühgeburt), sonder also balt gestorben, godt gehbe Ihnen eine fröliche aufferstehung † 1. Ist ein junger söhn gewessen.
Hagendorf fährt fort: Für stade sindt wir gelehgen. Am carfreitag haben wir brodt, fleichs gnug gehabt, undt am heiliegen ostertag (23. April 1628) haben wir kein mundt fol (voll) brodt haben können.
Über die Belagerung von Stade lesen wir in der Dännemarckischen Norwegischen Staats-Geschichte von 1731: Stade, worinnen der Englische Obrist (Charles) Morgan mit 44 Dähnischen Compagnien lag, welche sich lange mit grosser Tapfferkeit verthädigten, verschiedene Ausfälle thaten, und stetig mit denen Feinden scharmutzierten, auch wollten sie, weil selbige Entsatz aus Dänemarck vermutheten sich keineswegs zu Tractaten bequemen, weswegen Tilly alle seine Kunst auf die Belägerung anwandte. Endlich ließ sich der König mit 3 Schiffen auf der Elbe sehen, um selbige zu entsetzen, kunte aber seinen Vorsatz nicht ins Werck richten, weil sich Tilly allzu starck verschantzet hatte, daß man weder zu ihm kommen, noch sein Lager beschiessen kunte, dannenhero die Belägerten endlich capitulirten und die Stadt übergaben [Holb31].
Über die Belagerung weiß auch Matthäus Merian zu berichten; Es hat die Statt Staden ... in den vergangenen Jahren eine langwierige Belagerung außgestanden biß sie endlich vom (englischen) Obristen Morgan dem Herrn Generaln und Grafen von Tilly den 7. May Neuwen Calenders Anno 1628. ist übergeben worden, in welchem Jahr auch die Pest allhie gar starck reagiert hat [Meri62].
Und Hagendorf ergänzt: Wie sie nun abgezogen sindt dessen 1628 jars sindt wir wieder In vnser qartier Stil (still) gelehgen den sommer, darnach sindt wir mit unser combpeniege auff stendel (Stendal) gezogen, auch gudt qartier Gehabt.
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Der Krieg ernährt den Krieg
Im diesem Sommer 1628 belagert der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee, Herzog von Friedland und Mecklenburg, Albrecht von Wallenstein, vom 23. Mai bis zum 28. Juli Stralsund, während Hagendorf seinen Bericht erst im folgenden Jahr fortsetzt: Dessen 1629 jars hat oberste leudtnambt Conlage fürst von mantua Gonzaga, Fürst von Mantua, 2000 Man genommen von dem Regemendt, den(n) das Regemedt Ist 35 hundert (3500) man stargk gewessen, undt Ist In pommern gezogen, undt haben uns gelegert für stralsunne (Stralsund). Aber sie hedten (hätten) uns baldt den weg gewiesen, wen(n) wir noch einen tag weren verblieben, die pagkase (Gepäck) ist In qartier verblieben.
Es ist einer der üblichen Raubzüge nach dem Motto: Der Krieg ernährt den Krieg, wobei nach dem Scheitern Wallensteins die Stralsunder mit neuem Selbstbewusstsein wissen, ihr Hinterland von katholischer Soldateska freizuhalten.
Zu diesen mal weil (während) Ich bin aus gewessen Ist Meine frauw, wieder mit einer Iunge tochter erfreuwet Ist auch In abwesens meiner getaufft worden, anna, maria. Ist auch gestorben weil (während) Ich bin aus gewessen. † 2. godt verleige Ihnen eine fröliche aufferstehung. .
Die nächsten Monate verbringt Hagendorfs Regiment immer auf der Suche nach Essen und einem guten Quartier mit Herumziehen, sehr zu Lasten der Zivilbevölkerung: Von stralsundt sindt wir alles den wasser auff, welches die schweine (Swine) genandt wirdt, uber dis wasser geschiesset (geschiffet) mit 2 schieffe, undt In kasschuben (das Gebiet der Kaschuben) gar ein wildes landt, aber trefflich viehtzucht von allerlei vieh.
Alhir haben wir kein Rindtfleichs mehr wollen essen, sonder es haben must gensse, endten, oder hunner (Gänse, Enten oder Hühner) sein, den(n) wo wir uber nacht gelegen sindt, hat der vater (Wirt) must ein jedtwiedern einen halben taler gehben, aber mit allen guten (aber zum Guten), weil wir mit Ihm zufrieden sindt gewessen undt haben Ihn sein vieh zufrieden (in Frieden) gelassen.
Also sindt wir mit die 2000 Man hin undt wieder gezogen, alle tage ein frichs qartier, 7 wochen lang, bei neige stedtin (Neustettin) sindt wir 2 tage stil gelegen. Alhir haben sich die offecierer, mit kuh, pferdt, schaffe wol versehen, den(n) es Ist alles volauff (wohlauf, reichlich) gewessen.
Von da aus, auff spando (Spandau), eine mechtieger pas* (Pass), da hat man auff ein mal nicht mehr Als eine combpeniege durchgelassen. Wie wir nun wieder In der margk In unser qartier kommen sindt halt dornach dieses jars dessen 1629 sindt wir mit den ganssen Regement auffbrochen undt gezogen In die Wedtrauw (Wetterau). Zu Weisbade (Wiesbaden), unterhalb frangfordt (Frankfurt) Ist unser haubtqartier gewessen, für graff pabpenhem, unser haubtman, mit der combpenige (Kompanie) Ist gelehgen auff den Vogelsbergk. Zu lauterbach Ist der haubtman gelehgen, die combpeniege auff den landt. Alhir haben wir wieder gudt qartier gehabt, 20 Wochen lang. *gemeint ist die Festung Spandau, die vorbeiziehenden Truppen den Weg verlegt
Alhir Ist mein frauw wieder mit einer junge tochter verehrete worden. Ist getaufit worden Eliesabedt.
Nach 20 wochen sindt wir auffbrochen, undt gezogen In Westvalen, unser qartier Ist gewessen In der liebstadt (Lippstadt), den winter (1629/30) sindt wir darin gelehgen. In diesen landt, sindt grosse stargke leute man, undt weibesperschonen, undt ein fruchtbar landt, undt vil Viehzucht, Auff dem landt, sindt fast, lauter einelietzliche höffe (Einzelgehöfte) undt haben Ihre feldtbau, hols (Holz) wiesewagsx (Wiesenwachs) alles bei den hausse (nahe dem Haus).
In der liebstadt hat es gudt aldt bir, undt hat auch böse leute darin, das Ich habe Ihrer 7 verbrennen sehen darunter Ist sogar ein schönes medelein gewesen von 18 jahren. Aber sie Ist doch Verbrandt worden.
In diesen landt, tudt man brodt bagken, die so gros sein Als ein grosser schleiffstein 4 egkicht (viereckig), mus 24 stunden In offen stehen, man heist es pombpernigkel (Pumpernickel), Aber gut schmaghafftieg brodt gans Schwartz [Pete12].
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Armand Jean de Richelieu
Der Löw' aus Mitternacht
Georg Wilhelm
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Dass jede von den Protestanten geschehene Einziehung zu widerrufen sei
Nachdem Tilly mit der Liga-Armee des bayrischen Kurfürsten Maximilian und Wallenstein mit der von ihm vorfinanzierten kaiserlichen Reichsarmee Norddeutschland militärisch beherrschen, nimmt der kaiserliche Druck auf die im Glauben abtrünnigen Stände zu.
Hilfe tut Not, als Kaiser Ferdinand am 6. März 1629 das Restitutionsedikt unterschreibt, daß jede, nach dem Datum dieses Friedens, von den Protestanten geschehene Einziehung sowohl mittelbarer als unmittelbarer Stifter dem Sinn dieses Friedens zuwiderlaufe, und als eine Verletzung desselben zu widerrufen sei [Schi64].
Kaiser Ferdinand unterzeichnet das Restitutionsedikt, rechts Lamormaini [Ehre18] Danach müssen die protestantischen Stände des Reiches das gesamte katholische Gut, welches sie sich nach dem Passauer Vertrag von 1552 angeeignet hatten, unter Androhung der Reichsacht wieder herausgeben. Darunter befinden sich die wichtigen Erzbistümer Bremen und Magdeburg sowie 13 weitere norddeutsche Bistümer und mehr als 500 Klöster in Niedersachsen, Württemberg und Franken [Wils09].
Der Beichtvater Ferdinands Lamormaini (1570-1648) schreibt dem Papst: Kein römischer Pontifex seit den Zeiten Karls des Großen hat in Deutschland größere Freuden ernten können. Papst Urbans (1623-1644) Antwort: Die Abgefallenen sollten gelernt haben, dass die Pforten der Hölle nicht die Kirche ... und die Waffen des mächtigen Österreich überwinden können, bedauert jedoch, dass sein Nuntius am kaiserlichen Hof nicht mit der Oberaufsicht über die Rückerstattung der Kirchengüter betraut worden war [Wils09]. Dabei geht es dem Beichtvater Maximilians I., Adam Contzen, eher um die Restitution der Seelen zum Ruhme Gottes [Medi18].
Da hilft bei den Protestanten nur Gottvertrauen wie beim Augsburger Ratsherrn Jakob Wagner: Aber dieser Zeit will man solche Confession ganz ausrotten und zu Augsburg, das in alle Welt ausgangen*, den Anfang machen. Aber sie werdens wohl müssen bleiben lassen, denn Gott wird’s schon wissen zu erhalten, auf den wollen wir hoffen [Medi18]. *die Confessio Augustana
Wallenstein ist gegen das Restitutionsedikt, schreibt Kurfürst Joachim Georg in diesem Sinne, und übt sich im passiven Widerstand. Vom Kaiser beauftragt, dessen jüngsten Sohn Erzherzog Leopold Wilhelm als Erzbischof von Magdeburg einzusetzen, begnügt sich der Feldherr ab Mitte 1629 zunächst mit einer Blockade später mit einer laschen Zugangskontrolle der Stadt. Erst nachdem Ferdinand ein neues Domkapitel ernannt hatte, muss Joachim Georgs zweiter Sohn August schließlich im Mai 1630 seinen Administratorposten räumen, doch kann wegen der nun folgenden Ereignisse Leopold Wilhelm sein geistliches Amt nicht antreten [Wils09].
Wenn es möglich ist… einen Eingang nach Deutschland zu gewinnen
Wegen seiner inneren Kämpfe gegen die Hugenotten hatte sich der französische König Louis XIII. aus den kriegerischen Auseinandersetzungen im Reich herausgehalten, doch als 1628 mit der Einnahme der letzten Hugenottenfestung La Rochelle der Religionskrieg in Frankreich beendet ist, schreibt Kardinal Armand Jean de Richelieu ein Memorandum an seinen König: Nachdem La Rochelle genommen ist, muss der König, wenn er sich zum mächtigsten Monarchen der Welt und zum angesehensten Fürsten der Welt machen will, vor Gott erwägen und sorgfältig und im Geheimen mit seinen treuen Dienern prüfen, was für seine Person noch zu verlangen und in seinem Staate noch zu reformieren ist ... Was nun die Außenpolitik anbetrifft, so muss man sich stets vor Augen halten, dass man den Fortschritten Spaniens Einhalt gebieten muss ... Dann muss man darauf bedacht sein, sich in Metz zu befestigen und bis Straßburg vorzurücken, wenn es möglich ist, um einen Eingang nach Deutschland zu gewinnen, was mit viel Zeit, großer Umsicht und durch ein vorsichtiges und verdecktes Verhalten geschehen müsste ... Man könnte auch noch an Navarra und die Freigrafschaft Burgund denken, auf die wir Ansprüche haben, da sie an Frankreich angrenzen und, wenn wir nichts anderes zu tun haben, leicht zu erobern sind [Anri40].
Die spanische Straße (©Miguelazo/Wikipedia)
Mit spanischen Fortschritten meint Richelieu auch die Truppenverschiebung auf dem camino de los Tercios españoles, der spanischen Straße. Da der Seeweg in die Vereinigten Niederlande durch englische und holländische Schiffe blockiert ist, pflegen die spanischen Truppen vom Hafen Genua aus in 60 Tagen 1000 km über Mailand, den St. Gotthard, die katholische Innerschweiz durch das Reußtal über den Breisgau und Lothringen nach Flandern zu marschieren, um dort für die Habsburger gegen die protestantischen Niederländer zu kämpfen [Bren18].
Ganz reibungslos lassen die Norditaliener die ausländischen Truppen aber nicht passieren, sodass zur Unterstützung der spanischen Verwandten der Kaiser 1629 eine kleine Armee nach Mantua schickt, die die Stadt erobert und plündert [Kamp18].
Mit der Vermittlung eines sechsjährigen Waffenstillstands zwischen Polen und Schweden setzt Richelieu seine verdeckte Politik recht umsichtig ein. Nun kann der schwedische König 1630 unbeschwert und dazu unterstützt mit französischen Subsidien eine Invasionsarmee an der deutschen Ostseeküste landen.
Es gibt keinen besseren Schutz für die Ostsee und folglich keine andere Sicherheit für Schweden als die Offensive
Nun findet man häufig in Geschichtsbüchern die Ansicht, dass Gustav Adolf (1511-1632) den von den Katholiken so arg gebeutelten deutschen Lutheranern zu Hilfe eilte. Zwar beendet sein militärisches Eingreifen die Rekatholisation in Norddeutschland, doch denkt der Schwedenkönig bei seiner Invasion zuvörderst an die Sicherung seines Nordreichs, seiner Herrschaft über die Ostsee, des schwedischen dominium maris Baltici.
Hatte es doch der Habsburger Kaiser gewagt, den Binnenländer Wallenstein als General der Ozeanischen und Baltischen Meere einzusetzen, die Stadt Wismar zum Reichskriegshafen zu erklären und mit dem Aufbau einer bescheidenen kaiserlichen Ostseeflotte zu beginnen. Gustaf Adolf reagiert prompt: Meine Meinung ist, daß für unsere Sicherheit, Ehre und endlichen Frieden nichts dienlicher halte, als einen kühnen Angriff auf den Feind. Entweder müssen wir gehen und den Kaiser in Stralsund aufsuchen, oder er wird kommen und uns in unserer Hafenstadt Kalmar begegnen [Klus11].
Am 13. November 1629 bekräftigt der schwedische Reichstag, dass Angriff die bessere Verteidigung ist: Es ist besser man begegnet dem Kaiser mit einer Armee an seinen eigenen Grenzen und traktiert mit ihm unter dem Helm, als daß man ihn hier in Schweden erwartet … Es gibt keinen besseren Schutz für die Ostsee und folglich keine andere Sicherheit für Schweden als die Offensive. Nach außen dagegen tönt es anders: Das größte Ziel des Krieges ist es, unsere unterdrückten Religionsverwandten aus den Klauen des Papstes zu befreien, was uns hoffentlich mit Gottes Gnade gelingen wird [Milg01].
Solch Ding ist doch nichts als Quisquiliae, die der Wind aufhebt und wegweht
Der Schwedenkönig ist hochgebildet. Mit seiner Mutter spricht er nur Deutsch, man unterrichte ihn auf Latein und er lernt Altgriechisch. Er spricht auch Französisch und Niederländisch und lernt Altgriechisch. Als Gustav Adolf am 26. Juli 1630 mit 15 000 Mann auf Usedom an Land geht, ist ihm Deutschland nicht unbekannt, hatte er doch das Land bereits 1622 bereist.
Gustav Adolf landet auf Usedom.
Allerdings hatte ihn kein protestantischer Fürst gerufen. Die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen sehen in dem Löwen aus Mitternacht eher den Aggressor denn den religiösen Befreier, möchten neutral bleiben und damit ihren Untertanen Kriegsgräuel ersparen. Der König will jedoch von keiner Neutralität nichts wissen und nichts hören: Solch Ding ist doch nichts als Quisquiliae, die der Wind aufhebt und wegweht.
Vergeblich fordert der König in einem Manifest die protestantischen Reichsstände auf, sich ihm anzuschließen und nimmt sich. Georg Wilhelm von Brandenburg (1619-1640) persönlich vor: Euer Gnaden ist entweder mein Freund oder mein Feind. Dies ist ein Kampf zwischen Gott und dem Teufel. Wenn Euer Gnaden mit Gott ist, muss er sich mir anschließen. Wenn er für den Teufel ist, muss er mich bekämpfen. Es gibt keinen dritten Weg [Wils09].
Beim sächsischen Kürfürsten Johann Georg mahnt er Einigkeit an, um das auf Deutschland lastende spanische und österreichische Joch ein für allemal zu zerbrechen und das Volk von den päpstlichen, seelenschänderischen Gräueln zu erlösen [Mann06]. Also lautet Gustav Adolfs Lippenbekenntnis, doch im Kreise seiner Räte äußert er sich als machtbesessener Realist: Si Rex victor, illi praedae sunt*. [Rade08]. War von dieser Bemerkung etwas durchgesickert? Die evangelischen Kurfürsten bleiben ablehnend. Lediglich die Stadt Magdeburg schließt mit Gustav Adolf einen Allianzvertrag. *Wenn der König Sieger ist, werden jene (Fürsten) Beute sein
Neutralität ist auch im katholischen Lager nicht gern gesehen, wenn etwa Tilly es den schwankenden Hessen hineinreibt: Man nennt es Gehorsam und nicht Neutralität. Euer Herr ist ein Reichsfürst und sein Gebieter ist der Kaiser [Wils09].
Nichts war ihm heiliger als ein priesterliches Haupt
Als die Kurfürsten angeführt von Maximilian von Bayern in ihrem Hass auf den Emporkömmling Wallenstein beim Kurfürstentag im September 1630 in Regensburg den Kopf des Friedländers fordern und argumentieren: Was ist denn von einem zu halten, der seine actiones und der Catholischen Religion wohlfahrt mehrerer auf die betrieglich Astrologica, alß auf daß verthrauen zu Gott fundiert [Pötz11], sträubt sich Ferdinand zunächst, seinen Feldherrn zu entlassen.
Da allerdings dem Kaiser, wie sein Beichtvater schreibt, nichts heiliger war als ein priesterliches Haupt, folgt er schließlich den Einflüsterungen Père Josephs, den Kardinal Richelieu als seinen Vertrauten nach Regensburg geschickt hatte: Es würde gut getan sein, den Fürsten in diesem Stücke zu Gefallen zu leben, um desto eher zu der Römischen Königswahl seines Sohnes ihre Stimme zu erhalten [Schi64]. Gleichzeitig aber macht Joseph bei den Kurfürsten auch gegen den Kaiser Stimmung, so dass endlich die Herren seinem Sohn Ferdinand ihre Stimme versagen und am Ende Vater Ferdinand mit leeren Händen dasteht. Als er später jammert: Ein schlechter Kapuziner hat mich durch seinen Rosenkranz entwaffnet, und nicht weniger als sechs Kurhüte in seinen enge Kapuze geschoben, privatisiert der entlassene Wallenstein irgendwie erleichtert bereits wahlweise auf seinem Schloss Gitschin in Friedland oder in seiner Residenz unterhalb des Prager Hradschins. Er meint: Der Kaiser ist verraten, ich bedaure ihn, aber ich vergeb ihm. Es ist klar, daß ihn der hochfahrende Sinn des Bayern dominiert. Zwar tut mirs wehe, daß er mich mit so wenigem Widerstande hingegeben hat, aber ich will gehorchen [Schi64].
Noch im gleichen Jahr nehmen die Schweden alle Festungen in Wallensteins Herzogtum Mecklenburg. Fast ohne Widerstand fallen Neu-Brandenburg, Malchin, Treptow und Schloss Demin. Im Frühjahr des folgenden Jahres wendet sich Gustav Adolf dann gegen Pommern. Seine Truppen erobern die Städte Frankfurt an der Oder und Landsberg an der Warthe. Damit steht das habsburgische Erbland Schlesien dem Angreifer offen.
In der Winterpause am 13. Januar schließen Frankreich und Schweden den Beistandspakt von Bärwald in der Neumark, der die verdeckte finanzielle Hilfe Kardinal Richelieus auf eine vertragliche Grundlage stellt. Danach verpflichten sich die Schweden eine Armee von 30 000 Mann in Deutschland zu unterhalten, wozu die Franzosen jährlich 400 000 Gulden beisteuern.
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Axel Oxenstierna
Gustaf Horn
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Magdeburgum deletum
Diese Ereignisse rütteln endlich den alten Tilly, dem zusätzlich zum Oberbefehl über die Armee der Liga auch der über die Reichsarmee übertragen worden war, auf. Er wendet sich gegen die Stadt Magdeburg den bis dato einzigen Verbündeten des Schwedenkönigs in deutschen Landen.
Hagendorf nimmt seinen Kriegsbericht wieder auf: Mit dem Frühling dessen 1630 jars sindt wir Alhir auffbrochen vndt gezogen auff padeborn (Paderborn), etc. die liebstat licht (Lippstadt liegt) am schiffreich wasser, die liebpe (Lippe) genandt. Von padeborn, auff Stadt bergen (Niedermarsberg), licht (liegt) auff eine hohen bergk, auff gorsler (Goslar) In harstz (Harz) Undt auff Magdeborgk [Pete12].
Doch Pappenheim ist wegen der heiklen Aufgabe zögerlich. Tilly sich der Schwierigkeiten durchaus bewusst beruhigt ihn: Ich will Euch nicht allein 2000 zu Fuß, sondern 3000 mitgeben. Ihr müsst wissen, dass ihr nicht die ländlichen Bauern, sondern einen guten Wall von Soldaten vor Euch habt [Medi18].
Und so beginnt im Herbst 1630 für Hagenbach die Umzingelung von Magdeburg: Uns verlecht (verlegt) auff dörffern undt geblogkiret (die Stadt Magdeburg unzingelt), den ganssen windter, stilgelehgen auff dörffern, bis zum frulieng dessen 1631 jars da haben wir edtliche schanssen (Schanzen) eingenommen.
In Walde für (vor) Magdeborgk, Alda Ist vnser haubtman, für (vor) eine schansse todt, nehben Ihrer viel, geschossen worden (neben vielen anderen erschossen worden). Auff einen tag haben wir 7 schanssen eingenommen, darnach sindt wir gans, dafür (vor Madgeburg) gezogen, undt mit schanssen, undt lauffgraben zugebauwet, doch hat es viel leute gekostet [Pete12].
Anfang Mai liegt der inzwischen zum Feldmarschall beförderte von Pappenheim mit 22 000 Mann zu Fuß, mit 3100 Pferden und 86 Geschützen vor Magdeburg. Anno 1631 [wird] Magdeburg mit gantzem Ernst von dem Keyserlichen und Chur=Bayrischen Generaln Herrn Johann Tscherclaes Graffen von Tilly belagert und ist, kurz bevor der schwedische König mit seiner Streitmacht die Stadt entsetzen kann, den 20. May mit Sturm erobert worden [Meri53].
Tillys Söldner lassen Magdeburgs Einwohner über die Klinge springen
Da ist das Plündern, Rauben, Morden, Jungfrauen- und Weiberschänden allererst recht angegangen und über alle Maßen erschrecklich und abscheulich gehauset worden [Pete12]. Von 30 000 Einwohnern überleben nur 5000. Das Wort magdeburgisieren findet allerdings erst im 20. Jahrhundert Aufnahme in den deutschen Wortschatz*. *Wohl in Anlehnung an das seit 1941 bekannte coventrieren, eine Stadt mit Luftangriffen dem Erdboden gleichmachen
Graf zu Pappenheim schreibt zufrieden: : Ich halt, es seyen über zwaintzig Tausent Seelen darüber gegangen. Es ist gewiss, seyd der Zerstörung Jerusalem, kein grewlicher Werck und Straff Gottes gesehen worden. Alle unsere Soldaten sind reich geworden. Gott mit uns.
Pappenheims letzte Bemerkung trifft auf den tagebuchschreibenden Peter Hagendorf nur bedingt zu: Den 20 Meige (Mai), haben wir mit ernst angesedtzet undt gesturmet undt auch erobert, da bin Ich mit sturmer handt (stürmender hand) ohn allen schaden In die Stadt kommen. Aber in die Stadt am neistadter tohr (Neustädter Tor) bin Ich 2 Mal durch den leieb geschossen worden das Ist meine beute gewesen. Dieses Ist geschehen den 20 Meige (Mai) dessen 1631 jars frühmorgens umb 9. Uhr [Pete12].
Nachher bin Ich In das leger gefuhret worden, verbunden, den(n) einmal, bin Ich durch den bauch, forne durch geschossen, zum ändern durch beide agslen (Achseln), das(s) die Kugel Ist In das hembte gelehgen. Also hat mir der feldtscher, die hende auff den Rugken (Hände auf den Rücken) gebunden, das er hat können Meissel, einbringen. Also bin Ich In meiner hudten (Hütte) gebracht worden, halb todt.
Es nützt Hagendorf wenig, dass Pappenheim die beiden Häuser beim Tor hat anzünden lassen. Zwar werden die Heckenschützen ausgeräuchert, doch anschließen greifen die Flammen auf die Nebenhäuser über. Die Stadt brennt vollständig nieder. Ist mir doch von herdtzen leit gewessen das die Stadt so schreglich gebrunnen (gebrannt) hat, wehgen der schönen Stadt, undt das es meines Vaterlandes Ist.
So ganz muss der Patient freilich auf eine Beute nicht verzichten: Wie Ich nun verbunden bin. Ist mein weieb In die Stadt gegangen, da (obwohl) sie doch uber all gebrunnen (gebrannt) hat, undt hatt wollen ein küssen (Kissen) holen, undt tucher zu verbinden, undt wo auff Ich liegen köndte, so habe Ich auch, das kindt, allso kräng (krank), bei mir liegen gehabet. Ist nun das geschrei Inn lehger gekommen, die heusser (Häuser) fallen alle uber ein Ander, das viel Soldaten, undt weiber, welche Mausen (stehlen) wollen, darin müssen bleiben. So hat mich das weieb mehr bekümmert, wehgen des krangke kindt, als mein Schaden, doch hatt sie godt behütet, undt kombt In Anderhalb stunde, gezogen mit einer alte frauwen, aus der Stadt, die hatt sie mit sich ausgefuhret. Ist einnes Seglers weieb gewessen, undt hat Ihr helffen tragen bedtgewandt (Bettgewand). So hat sie mir auch gebracht eine grosse Kante (Kanne) von 4 mas mit wein, undt hat benehbens (nebenbei) auch 2 silbern gurdtel (Gürtel) gefunden, undt kleider, das(s) Ich habe 12 tall gelösset (Taler erlöst) zu halberstadt. Auff den Abendt sindt nun meine gespan (Gefährten) kommen, hat mir ein jeder edtwas verehret, einen tall oder halben tall [Pete12].
Die Nachricht von Magdeburgs grauenvollem Schicksal verbreitet Entsetzen und Furcht im ganzen protestantischen Lager: allda etlich Leuth zur Erden in Ohnmacht gefallen, während die katholische Seite frohlockt [Schi64]. Als ein Kurier Tillys in Wien verkündet: Magdeburg ist nicht mehr! läuten die Glocken stundenlang und der Sieg wird mit einem festlichen Tedeum im Stephansdom gefeiert. Die Freiburger reagieren nachdenklicher, weiß man doch sehr wohl, dass die Schweden bei ihren Kriegszügen nicht weniger grausam vorgehen.
Christina von Schweden
Gustav Adolf konnte den Magdeburgern nicht zu Hilfe kommen, hatte er doch 26 000 Mann außerhalb Berlins massiert und seine Kanonen auf den kurfürstlichen Palast gerichtet, um den Brandenburger in sein Lager zu zwingen. Georg Wilhelm kapituliert am 20. Juni 1631, ist auch bereit, Subsidien zu entrichten, doch wehrt er sich, seinen Sohn Friedrich Wilhelm mit Gustav Adolfs Tochter Christina zu verheiraten [Wils09].
Nihil certi
Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) hatte mit seinem Vater, dem schon erwähnten intriganten bekennenden Calvinisten Christian I., in der Schlacht am Weißen Berge mitgekämpft und verloren. Während Vater Christian ob dieser Tat ins Exil verbannt wird, macht der Sohn seinen Kniefall vor Kaiser Ferdinand II. und darf 1621 unter der Auflage, im Krieg neutral zu bleiben, nach Bernburg zurückkehren. Hier nutzt der hochgebildete Fürst seine Zeit, um Tagebuch zu schreiben.
In seinem Diarium (17400 Manuskriptseiten von 1621 bis 1657) liest man für Mittwoch, den 11ten May*: Avis, dass gestern Vormittag um 8 Uhr Magdeburg eingenommen, ausgeplündert angestecket, Mann, Weib und Kind niedergehauen. Administrator gefangen, Feldmarschall Falkenberg geblieben. Dieses ist das große gewaltige Feuer, zweifelsohne, das wir gestern brennen sehen. Nun haben die Kaiserischen ihr Intent erlanget, können den ganzen ober- und niedersächsischen Kreis nunmehr zu ihrem Willen haben und der Religion halben (wo Gott nicht ins Mittel greift) Änderungen machen, wie sie selber wollen. Dies ist eine gewaltige Victorie und sowohl für Ihre Kaiserliche Majestät und die Katholischen, als in Sonderheit für den General Tilly zu Vermehrung seiner Reputation und Namens. Nach gehörter Predigt ist der Präsident (der anhaltische Kanzleipräsident von Vostell) zu mir kommen und hat mir mehr Umstände mit Magdeburg berichtet. Zeitung, dass der König in Schweden soll zu Zerbst sein [Mdi19]. *21. Mai des neuen, Gregorianischen Kalenders
Christian fährt in seinem Tagebuch auf Französisch fort: J’ay escrit derechef de ma propre main a part au general Tilly le remerciant for de sa intercession et luy congratulant sa Victoire de Magdebourg, desirant une bonne paix en Allemagne. *Ich habe mit eigener Hand und für mich allein wiederholt an General Tilly geschrieben, habe ihm fest für seinen Einsatz gedankt und ihm zu seinem Sieg von Magdeburg gratuliert mit Wünschen für einen guten Friedens in Deutschland
Gefangene, so aus Magdeburg anhero bracht, berichten, dass noch diesen Morgen das Metzeln gewähret und die Stadt ganz abgebrannt, dass darinnen kein Haus stehen blieben bis auf den Dom, welcher diesen Morgen gebrannt hat ... Ist also diese gewaltige schöne Stadt in kurzer Zeit zu Nichte worden und in die Asche gelegt, dass sie billig zu bedauern und ihr Untergang zu beweinen … Nihil certi*. *Nichts ist gewiss
Das Schicksal der Magdeburger beeindruckt Christian weiter und so schreibt er am Sonnabend, den 14. Mai: Ex eventu soll man zwar nicht alle Zeit judiciren, ob eine Sache ungerecht oder nicht. Jedoch zuweilen ist es auch erlaubt, insonderheit, wenn man etwas von den Circumstantiis injustitiae vernommen, welche Ungerechtigkeit dann Land und Leute verwüstet, wie in den Propheten von Tyro, Sydon und Babel zu lesen. Der General Tilly hat Ihnen unterschiedliche male lassen Gnade anbieten, aber vergebens ... Kommt mir gleich vor wie die Zerstörung der Stadt Jerusalem und hat sich dergleichen Tragoedia einer solchen Stadt seit der Zeit, dass Bardewyk von Henricio Leone wider Bernhardum III. Anhaltinum Electorem Saxoniae eingenommen und endlich zerstöret*, aus dessen Ruderibus (Trümmern) auch Lüneburg erbaut worden, einer solchen vortrefflichen Stadt geschwinder Fall und plötzlicher endlicher Ruin (die mich an den Fall Babylonis gemahnet) nicht zugetragen im Deutschen Reich oder Landen [Medi19]. *Lediglich der Dom Bardowiks bleibt unzerstört, doch lässt Heinrich dort die Inschrift Vestigia leonis (Spur des Löwen) einmeißeln.
Hätten anfangs soweit zu kommen nicht vermeint
Nachdem Tilly Anfang September 1631 mit seinen hungrigen Ligatruppen in Sachsen eingefallen war, schließt endlich auch Kurfürst Johann Georg mit dem Schwedenkönig einen Vertrag.
Während sich die Schweden bei Werben an der Elbe verschanzen, wendet sich sich Tilly gegen Leipzig. Hagendorf notiert in sein Tagebuch den Abzug der Kaiserlichen: Also weil er (der Schwede) verschantzet Ist gewesen, sindt wir wider zu Rüg (zurück) auff tangermunde, auff magteborgk, auff eisleben, Auff mersseburgk, auff leiebciech (Leipzig). Alhir das lehger (Lager) geschlagen. Also baldt geschanzte, lauffgraben gemacht, die stug (Stücke, Kanonen) auffgefuhret undt die Stadt beschossen, den 7 Sebtember. Da haben sie geagkordieret undt die Stadt samb den schlos auffgegeben undt sindt abgezogen den 7 Sebtember dessen 1631 jars.
Da sindt wir Im lehger (Lager), wolauff gewessen die zeit uber, bis der schwedt Ist ankommen den 17. Sebtember. Nach erobrung die Stadt Ist der Könieg mit gansser macht samt die saxisse arme (Sächsische Armee) ankommen, da sindt wir Ihm endtgegen, gegangen, 2 stargke stundt [Pete12].
Es ist die Schlacht bei Breitenfeld, in der sich vor allem die moderne bewegliche schwedische gegen die überlieferte statische spanische Schlachttaktik auszeichnet. Dem auf alten Stichen abgebildeten spanischen Viereck von 1000 bis 2000 Mann Pikenieren und Schützen mit 40 Pfund schweren Vorderladern steht die schwedische skadron von nur 560 Männern gegenüber, die mit 10 Pfund leichten Musketen bewaffnet sich rasch sowohl zu einem Haufen als auch in einer Schlachtlinie formieren kann [Oltm11].
Hagendorf berichtet über die Schlacht: Auff diesen tag sindt wir geschlagen worden, die gansse beiriesse Arme (Bairische Armee), ausgenommen diese 4 Regemendter nicht, als (da sind) Pabpenhem, Wallies, Wangener, undt junge tielliesen, den(n) wir sindt auff den Rechten flugel gestanden, undt haben auff den saxen getroffen. Die haben wir Also balt In die flucht geschlagen, Da wir vermeindt haben, wir haben gewonnen, so Ist user lingker flugel alles geschlagen gewessen, da haben wir uns auch müssen. Zu allen glug (Glück), kombt uns die nacht auff den halse, sonst weren (wären) wir auch kubput (kaputt), gemacht worden.
Nach diesem Sieg steht den Schweden ganz Süddeutschland offen, denn Tilly verliert in Breitenfeld mehr als 13000 Mann und dazu noch gewaltige Mengen an Ausrüstung und Proviant, während auf schwedischer Seite lediglich 1100 Tote zu beklagen sind.
Noch in der Nacht fliehen Tillys Truppen und mit ihnen Hagenbach: Also gingen wir bei die nacht auff leibcich, undt auff mersseburgk, auff eislehben, auff mansfelt, alles fordt (nur schnell fort), tag undt nacht auff asserschleben (Aschersleben), undt halberstadt. Alhir stundt ein frichs Regemedt, das solte uns zu hulffe kommen, darnach auff frangken zu, auff assaffenborgk (Aschaffenburg). Und er kommentiert: Was wir In der altemargk, gefressen haben, haben wir Redelich must wieder kodtzen für leiebcig [Pete12].
Des Königs Kanzler Graf Axel von Oxenstierna (1583-1654) vermerkt: Haben also Ihre Majestät die Meinung gehabt, ihr Reich und die Ostsee zu versichern … hätten anfangs soweit zu kommen nicht vermeint [Mann06].
Er kommt noch weiter. Wie Dominosteine fallen Erfurt am 2., Würzburg am 15. Oktober. Dem Main entlang folgen Aschaffenburg und am 17. November Frankfurt. Ende Dezember 1631 zieht Gustav Adolf in Mainz, der Hauptstadt des Kurfürstentums, ein, während der kursächsische General Hans Georg von Arnim (1613-1641) inzwischen Schlesien erobert und am 15. November sogar Prag besetzt [Rose04].
In der Münchener Residenz und am Wiener Hof hebt das große Zittern an. Jetzt sucht Kurfürst Maximilian einen Separatfrieden mit den Schweden oder wenigstens möchte er neutral werden, während Kaiser Ferdinand flehentlich nach Wallenstein ruft: Wie ich mir denn die verlässliche Hoffnung machen will, dass Euer Liebden, die in der gegenwärtigen Not mich begriffen sehen, mir nicht aus den Händen gehen, viel weniger mich verlassen werden [Rade08].
Der kriegserprobte Generalissimus, dem der Kaiser in letzter Verzweiflung das Kommando über die Truppen in absolutissima forma (unumschränkt) einräumt, schafft es tatsächlich, in nur drei Monaten im Winter 1631/32 dem Kaiser eine Armee von 100 000 Mann auf die Beine und in die Hufeisen zu stellen.
Bet, Kindlein bet! Morgen kommt der Schwed'!*
Schon im Januar 1632 hatte der Freiburger Stadtrat über die neue Lage beraten, die sich aus Tillys Niederlage bei Breitenfeld ergibt. Was soll mit den Studenten geschehen: Ob den studiosis anzuzaigen, wehr sich in sicheren ortt begeben wölle, der möge es thun, oder ob noch vmb etwas eingehalten werden solle und im Februar wird beschlossen: Weil die gefahren des schwedischen überfalls je länger je größer vnd näher, ... daß man die iugendt vnd sonderlich die vornembsten in stille auisiren (avisieren) solle, daß sie die gefahr vor augen sehen, des wegen sich selbsten nach vermögen vnd belieben versichern sollen ... [Maye05]. *Morgen kommt der Oxenstern, der wird die Kindlein beten lehrn, Bet, Kindelein, bet!
Freiburg vor der schwedischen Besetzung 1632 in flore: Im Hintergrund ganz links in der Predigervorstadt die Türme von St. Peter, des Dominikanerinnenklosters St. Agnes und des Klarissinenklosters St. Klara. Anschließend das Michael- oder Christoffeltor gefolgt vom mächtigen Giebel der Kirche des Predigerklosters der Dominikaner. Im fernen Hintergrund lassen sich das Mönchstor, St. Nicolai und St. Johannes erahnen. Rechts vom Münster das Augustinerkloster, der Kirchturm St. Antonius des Wilhelmitenklosters und das Schwabentor. Im Vordergrund das Dorf Adelhausen mit den beiden Klöstern der Dominikanerinnen Maria Verkündigung und St. Katharina und der Pfarrkirche St. Cyriak, dem heutigen Annakirchle. Auf dem Schlossberg erhebt sich das Burghaldenschloss [Krum70].
Hagendorf, der durch seine Schreib- und Lesekünste als Gefreiter schon immer über den gemeinen Soldaten oder Knechten gestanden hatte, erklimmt die nächste Stufe in der Hierarchie. Ein Knecht kann mit 6, ein Gefreiter mit 7 und ein Korporal mit 12 Gulden Sold pro Manat rechnen: Zu riedebork (Riedenburg) bin ich Cobpral (Korporal) wurden, dessen 1632 jars. Den 16 abpril wieder fordt zogen auff Regensporgk (Regensburg), Zu Kölhem an der aldtmul (Kehlheim an der Altmühl) wirdt ein trefflich gudt weisbir gebrauwet, von Regensporgk auff schromhaussen (Schrobenhausen), auff donawerdt (Donauwörth), an der dona(u) bei donawerdt wieder verlecht (verlegt), baldt Ist die schwediesse Arme auch da gewessen, undt uns von donawert weggegacht (weggejagt), auff Ran, Am lech (nach Rain am Lech), eine festung,
Alhir, haben wir uns gesedtzet, da Ist viel landtvolg (Landvolk, Bauern wurden rekrutiert) zu uns gestossen. Aber Alles umbsonst, wie der Könieg mit macht. Ist auff uns gegangen mit stugke geschossen, das edtliche gefallen sindt, wie auch lenneral tilge (General Tilly) auch Ist mit einen stugkel geschossen worden, so sindt die andern davon gelauffen [Pete12].
Die Hiobsbotschaften für die katholische Partei reißen nicht ab, denn Tilly wird nicht nur schwer verwundet, als er zum Schutze Bayerns den Lechübergang bei Rain gegen die anstürmenden Schweden unter ihrem Befehlshaber Gustaf Karlson Horn (1630-1657) verteidigt. Der General stirbt im April 1632 an seiner Verletzung.
In den folgenden Wochen erobert der Schwedenkönig Augsburg, Landshut und Freising und zieht am 17. Mai 1632 durch das Isartor in München ein. Er nimmt Wohnung in der kurfürstlichen Residenz. Verzweifelt flieht Maximilian gen Norden und übernimmt selbst den Oberbefehl über die Reste der Liga-Truppen.
Wie in Freiburg befürchtet zieht es die ausgehungerten Schweden unter Gustav Horn nun in die von der Kriegsfurie bisher verschonten südwestlichen Gebiete des Reiches. Horn überschreitet am 31. August 1632 die Rheinbrücke bei Straßburg und belagert die Städte Oberehnheim und Rosheim, die sich am 6. September ergeben. Im gleichen Monat nimmt er auch Hagenau ein und stationiert dort eine Garnison von 600 Mann. Andere Städte wie Markolsheim, Oberbergheim, Molsheim, Kaisersberg, Türkheim, Ruffach und Münster leisten keinen Widerstand. Ein Spruch in der Kirche des eroberten Türkheim klagt: Der Schwed ist kommen, hat alles genommen, das Gott erbarm, o wie geht es zu [Vogl09].
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Wallenstein
Gustav Adolf
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Nürnberg
Bei der Verfolgung Maximilians nimmt Gustav Adolf Nürnberg ein, doch hier sitzt er in der Falle, als von Norden Wallenstein mit seinem frischen Heer anrückt und sich mit den Truppen Maximilians vereinigt. Auf den Hügeln am Nordufer der Rednitz nahe der Alten Veste bei Zirndorf lässt der Friedländer Schanzen errichten und wartet, bis der Schwedenkönig aus Proviantmangel die Stadt Nürnberg verlassen muss.
Michael Herr: Der Stadt Nurnberg achtzehen wöchentliche Belägerung im Jahr
1632. Am 3. September 1632 sucht Gustav Adolf die militärische Entscheidung. Wieder und wieder lässt er seine Truppen gegen die gut verschanzten Kaiserlichen anrennen, vergeblich. Anschließend berichtet Wallenstein seinem Kaiser: Es hat sich der König bei dieser Impresa gewaltig die Hörner abgestoßen … und ob zwar Eure Majestät valor und courage zuvor überflüssig hatte, so hat doch diese Occasion sie mehr versichert, indem sie gesehen, wie der König so alle seine Macht zusammengebracht, zurückgeschlagen ist worden, und das Prädicat invictissimi nicht ihm, sondern Eurer Majestät gebüret [Mann06]. Gustav Adolf verliert nicht nur den Nimbus des Unbesiegbaren, sondern auch ein Drittel seiner Truppen. Viele seiner Söldner desertieren und reihen sich nahtlos in die Wallensteinsche Streitmacht ein.
Außer den huesigen Kindern wenig verbleiben werden
Noch stemmen sich am linken Oberrhein einige Städte den Schweden entgegegen, doch als der habsburgische Gubernator Erzherzog Leopold am 13. September 1632 nach einem Jagdunfall stirbt, gibt es im Elsass kein Halten mehr.
Während die vorderösterreichische Regierung nach Thann, Beffort (Belfort) und Puntrut flüchtet, ergeben sich die Städte Colmar und Ensisheim den Schweden [Spec10]. Schlettstadt seit dem 6. November belagert öffnet am 12. Dezember seine Tore. Einen schwedischen Angriff auf rechtsrheinischer Seite fürchtend beginnt im September der große Exodus der Studenten aus Freiburg, allso außer den huesigen (einheimischen) Kindern wenig verbleiben werden [Maye05].
Ist denn kein Mensch vorhanden, der mir das Blut stillen kann?
Das große Gemetzel hält an. Am 16. November 1632 kommt es zur Schlacht bei Lützen,
Mitte November 1632 hatte Wallenstein Pappenheim mit der Elite der kaiserlichen Reitertruppen bereits ins Winterquartier nach Halle abkommandiert, als er von einem schwedischen Aufmarsch erfährt.
So schreibt er an Pappenheim: Cito Cito Citissime, Cito: Der feindt marschirt hereinwarths der Herr lasse alles stehen undt liegen undt incaminire sich herzu mitt allem volck undt stücken (Geschützen) auf das er morgen frie bey uns sich befünden kan. ich aber verbleibe hiemitt des herren dienstwilliger AhzM*, Lüzen den 15. Novemb: Ao 1632 [Mann71] *Albrecht Herzog zu Mecklenburg
Melodie: Ein feset Burg ist unser Gott
Während die die Soldaten des Schwedenkönigs mit dem Kampflied Verzage nicht, du Häuflein klein, in die Schlacht gezogen sein sollen, schafft es Pappenheim, am 16. November um die Mittagszeit mit dreitausend Reitern auf dem Schlachtfeld bei Lützen zu sein und die Schweden auf dem linken Flügel zurückzutreiben. Der Kampf wogt hin und her. Beide Heere sind mit 15 000 Mann etwa gleich stark.
Als Pappenheim schwer verwundet wird, geraten seine Truppen in Panik und brechen den Angriff ab. Entzetzt murmelt der tötlich Verwundete: Ach, Ihr Brüder, daß Gott erbarm ! Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich fechten will? und lauter, Ist denn kein Mensch vorhanden, der mir das Blut stillen kann? während es den Befehl Wallensteins rötlich färbt und er verstirbt [Mann71].
Blutgetränkter Befahl Wallensteins an Pappenheim [Wikipedia]
Die Warhaffte und eygentliche Relation von der blutigen Schlacht zwischen der Königl. Majestät zu Schweden und der Kayserlichen Armee, den 16. und 17. Novembris deß 1632. Jahrs bey Lützen, zwo Meil wegs von Leipzig vorgangen und geschehen, als Flugschrift wohl von einem Mitglied der schwedischen Feldkanzlei verfasst, berichtet bereits Auß Erfurt vom 22 Novembris 1632: Wie nun dieses eine herrliche überaus grosse Victorie, und dem Allerhöchsten nicht genugsam dafür zu danken. Denn auf des Feindes Seiten, wie die Gefangenen aussagen, auch die Wahlstatt ausweiset, wo die Toten halben Manns hoch auf einander gelegen: zwei Drittel (darunter auch Pappenheim selbst, die meisten hohen Offiziere) geblieben und gequetscht, die ganze Artillerie und Munition ihm abgenommen, und der wenige Rest in der Flucht: so ist es doch wegen unseres glorwürdigsten, aller Christlichsten, und in aller Welt hochgepriesenen Königs Tod nicht zu achten, weil Ihro. Mayestät hochseligsten Andenkens im ersten Treffen erstlich in Arm, hernach hinten in den Rücken, und letztlich mit einem Pistol in den Kopf geschossen worden, also Ihre heilige Seel dem Herrn Jesu aufgeopfert und bei den Evangelischen Teutschen Chur-Fürsten und Ständen, zu Erhaltung von deren Religion, und Erlangung verlorener Libertät, Ihr königlich Blut vergossen, und Leib und Leben für sie zugesetzt.
Auf unserer Seiten ist meines Wissens von hohen Offiziere niemand außer General Major Isler, geblieben, doch viele, darunter Fürst von Anhalt, Graf von Nillis, Obrist Winckel, Obrist Wildenstein und andere verwundet, aber nicht tödlich. Wie viel aber eigentlich Volks ... erkennen, und das angefangene Hohe Werk die Religion und Libertät betreffend, welches Allerhöchstseligste Kön. Majest. ihnen gleichsam in die Hand gegeben, und auf einen festen Fuß gesetzt, künftig mit Einsatz Leib, Gut und Blut, durch Gottes Kraft vollends hinaus führen ...? Sie sollten sich gegen die hinterlassene höchstbetrübte gottseligste Königin*, auch dero Krone Schweden, sampt hohen und niederen Officieren, welche sich dazu entschlossen alles mit aufzusetzen dankbar wieder erkenntlich zeigen. Sollte man aber (welches Gott gnädig verhüten) sich separieren, und durch andere Consilia trennen lassen, so würde es gehen, wie die glorwürdigste königliche Majestät kurz vor ihrem Tod geprophezeit, nämlich: dass es um unsere Religion und Freiheit würde geschehen sein. *Christina
Bei dieser Relation kann ich nicht vorbei, nachfolgende Worte, welche hochseligste Königliche Majest. oftmals, und noch drei Tage vor der Schlacht zu Herrn Dr. Fabricius in Naumburg geredet: “Mein Herr Doctor, die Sachen stehen alle wohl, und geht alles nach Wunsch, aber ich sorge, ich sorge, weil mich jedermann so sehr veneriert, und gleichsam für einen Gott hält, es werde mich Gott deswegen einmal strafen. Aber Gott weiß, dass es mir nicht gefällt: Nun gehe es wie der liebe Gott es will, doch ich weiß, dass er die Sach, weil es zu seines Namens Ehre gereichet, vollends hinaus führen wird“. Biß hierher Verba Regia
Gustav Adolfs Tod [DHMB]
Dieses habe ich in aller Kürze berichten wollen, so viel ich vernehmen können als einer, der selbst vom Anfang bis zu Ende bei diesem Treffen und Hauptschlacht, so neun Stunden continuiert, und die Leipziger Schlacht* dagegen vor Nichts zu achten, mit gewesen, und alles mit zugesehen. Der Allerhöchste wolle meiner allergnädigsten Königin und dero Krone Schweden Räten und Offizieren mit dem Geist des Trosts beiwohnen, damit sie wegen dieses grossen Verlusts und Schatzes ihre Königs und Herrn in Christlicher Geduld, göttliche Erquickung anderweits empfinden mögen. *die Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631
Aus diesem allem nun handgreiflich zu spüren, dass nicht wir, sondern Gott über unsern Willen, Leben und Anschlag Meister ist. Und können wir uns zwar desto geduldiger finden und trösten, dass unser König in dem höchsten Grad unsterblichen Ruhms sein Leben gelassen, dann er ante mortem, in morte, et post mortem victorios gewest und geblieben. Dessen hochseligsten glorwürdigsten Körper tut man in Verfolg des Feindes in einer Kutschen mit der Armee führen bis auf fernere Disposition und Ankunft Ihrer Excellenz des Herrn Reichs-Cantzlers Ochsenstjern etc. Was nun weiters vorgehen mag, hab ich ferner zu berichten. Die königliche Cantzley ist nach Erfurt geführt, allda Ihrer Exzellenz des Herrn Reichs-Cantzlers zu erwarten ... [Medi19].
Der Adjutant des schwedischen Königs, Bernhard von Sachsen-Weimar* (1604-1639), sammelt die Reste des schwedischen Heeres und führt sie gen Süden nach Nauenburg. *Bernhard der elfte Sohn des Fürsten von Sachsen-Weimar hatte sich unter Peter Ernest Graf zu Mansfeld und dann unter Gustav Adolf als General militärisch ausgezeichnet. Nach Gustav Adolfs Tod. verlangt er von Oxenstierna die Einlösung des königlichen Versprechens eines Herzogtums Franken, das ihm als schwedisches Lehen aus den katholischen Bistümern Bamberg und Würzburg zusammengezimmert wird.
Doch Lützen ist auch kein Sieg für die Kaiserlichen, denn wie der Adjutant Wallensteins Heinrich von Holk zusammenfasst sind beide Armeen wie zween beißende Hahnen voneinander geschieden, daß man also nicht recht sagen kann, ob einer oder der andere Teil das Feld erhalten. Das Blutbad hat sieben Stunden gewährt, und nach beiderseits unerhörtem erlittenen Schaden* hat der einen Weg, der andere den anderen Weg sich retiriert [Mann06]. Holk zieht mit den verbliebenen Kaiserlichen gen Norden nach Leipzig *insgesamt 9000 Tote
Schiller, der in seinem Buch über den Dreißigjährigen Krieg in Gustav Adolf bis zu seinem Tode den strahlend untadeligen Befreier der deutschen Protestanten sieht, muss schließlich auch zugeben, dass Macht korrumpiert: Aber es war nicht mehr der Wohltäter Deutschlands, der bei Lützen sank. Die wohltätige Hälfte seiner Laufbahn hatte Gustav Adolf geendigt, und der größte Dienst, den er der Freiheit des Deutschen Reichs noch erzeugen kann, ist – zu sterben … Unverkennbar strebte der Ehrgeiz des schwedischen Monarchen nach einer Gewalt in Deutschland, die mit der Freiheit der Stände unvereinbar war, und nach einer bleibenden Besitzung im Mittelpunkt dieses Reiches. Sein Ziel war der Kaiserthron; und die Würde, durch seine Macht unterstützt und geltend gemacht durch seine Tätigkeit, war in seiner Hand einem weit größern Mißbrauch ausgesetzt, als man von dem österreichischen Geschlechte zu befürchten hatte [Schi64].
Ob die statt freundt oder feind seyn wölle
Der Tod ihres Königs bremst den Elan der Schweden nur kurzzeitig, denn der resolute, kompromisslose Oxenstierna übernimmt die Regentschaft für die sechsjährige Thronerbin Christina. Die militärische Führung des schwedischen Heeres im Römischen Reich fällt an Feldmarschall Johan Banér (1617-1641), während Gustaf Horn das Elsass beherrscht.
Nachdem das linke Ufer des Rheins fest in schwedischer Hand ist, setzt Oberstleutnant Dietrich von Zyllendardt am 18. Dezember 1932 mit seinen Truppen bei Rheinau über den Rhein, nimmt ohne Gegenwehr Endingen, Kenzingen und Staufen. Er schickt am nächsten Tag einen Trompeter vor die Mauern Freiburgs mit einem Schreiben im Namen Gustaf Horns und des in schwedischen Diensten stehenden Rheingrafen Otto Ludwig (1630-1634), ob die statt freundt oder feind seyn wölle [Rupp83, Maye10].
Der Feind ist mit gantzer Macht für die Statt geruckt
Es gibt keine Verschaufpause. Bereits am 19. Dezember 1632 steht der Württemberger Obrist Bernard Schaffalitzki von Muckendell mit seinen Schweden vor dem Freiburger Mönchstor. Am folgenden Tag wird auf die außerhalb der Stadtmauern gelegenen Frauenklöster St. Katharinen und Maria Verkündigung der Rote Hahn gesetzt. Der Feind ist mit gantzer Macht für die Statt geruckt und hat sie zuo Mitternacht ... heftig mit Schiessen und Fewerwerfen geängstigt ..., und weilen sie under das Geschütz kommen und schon 25 Fewerkuglen hinein geworfen und großen Schaden gethan, und weil die Statt gar nit mit Soldaten besetzt gewesen, haben sich die Burger ... nit weiters defendieren können.
In der Tat, die Besatzung der Stadt besteht nur aus 300 Mann größtenteils in den Waffen ungeübter Bauern. Belangreicher war, die Bürgerschaft selbst und der Zuschuß von Studenten der Universität, einem zwar kleinen, aber wohleingeübten Korps. Für dieses studentische Aufgebot bedankt sich die Stadt, weil sie allen guten Willen und Neigung sowohl von der Universität als den Studenten verspürt, indem sich diese so bald und guter Anzahl eingestellt, auch mit Waffen gemeiner Stadt beigesprungen [Schr59]. Der Stadtrat verspricht, dies an zuständiger Stelle rühmend zu erwähnen.
Zunächst gelingt es den Bürgern und Studenten auch, den die Burghalde stürmenden, weit überlegenen Feind abzuwehren. Doch bevor die Schweden zum Hauptsturm blasen, lässt die Stadt auf dem Schneckenturm die weiße Fahne aufziehen und accordiert sich am 28. Dezember (stimmt der Übergabe zu). Die Belagerer sichern den Freiburgern zu, dass die Angehörigen der Universität und die Geistlichkeit bei ihrem Glauben bleiben dürfen und dass gegen Zahlung von 30 000 Gulden* Raub und Plünderung durch die 1500 Mann Besatzung unterbleiben sollen. Der Stadtrat gibt Schaffalitzki zu verstehen, dass er nicht mehr als 24 000 Gulden aufbringen könne, doch der winkt nur müde ab: Er kenne die Armut der hiesigen Gotteshäuser und man dürfe seinem Feldmarschall kein so niedriges Angebot unterbreiten [Stra43]. Da bleibt dem Rat nichts anderes übrig, als die volle Summe auf alle Bürger und Einrichtungen umzulegen, wobei die Universität ein Viertel der Kontribution zahlen soll. *Etwa 3 Millionen Euro.
Das Brandschatzgeld gilt bei einem Akkord als Entschädigung für die entgangene Beute, die bei Plünderung einer Stadt angefallen wäre. Allerdings schützte eine solche Zahlung nicht wirklich vor Übergriffen der Soldateska.
Ausgelöst werden muss auch mit 500 Reichstalern die Hosanna, die als Glocke für die Schweden einen beträchtlichen Metallwert besitzt. Um diese Summe zusammenzubringen, schmilzt man wertvolle Messkelche aus dem Münsterschatz ein [Röde08].
Was Belzebub nicht hat verricht, dasselb durch ein Jesuwit geschicht
Nach dem Einzug der Schweden schüttelt General Horn dem Pater Rektor freundlich die Hand: Ihr Jesuiten seid doch ganze Leute und überall zu Hause, sogar Kriegskameraden trifft man unter euch an [Schr25]. Dabei bezieht er sich auf die Verteidigung der Burghalde durch Studenten, bei der am 28. Dezember 1632 zwei Jesuitenpatres (Professoren der Mathematik und Ethik) die Geschütze befehligt hatten [Maye10]. Unter der schwedischen Besatzung bleibt der Universitätsbetrieb wesentlich eingeschränkt.
Trotz der Toleranzzusage flüchten viele Lehrenden und Lernenden der Universität aus der Stadt, denn sie befürchten das Schlimmste, gilt doch der Hass der Protestanten vor allem den Jesuiten: Was Belzebub nicht hat verricht, dasselb durch ein Jesuwit geschicht [Schm99]. Ein Teil der Dozenten bleibt in Freiburg, doch als ruchbar wird, dass sich einige Jesuiten in einen Briefwechsel mit der unter kaiserlichem Befehl stehenden Festung Breisach eingelassen hatten, werden die angeschwärzten Schreiber im Martinsturm festgesetzt. Diese angebliche Verschwörung der Jesuiten führt am 7. September 1633 zu ihrer Vertreibung aus der Stadt, wobei sie ausgeraubt in den Schwarzwald getrieben werden [Maye10].
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Der Markgraf von Baden |
Das Freiburger Elend hat angefangen
Unter dem ersten Befehlshaber der schwedischen Besatzungstruppen Obrist Schaffalitzki hat das Freiburgische Elend angefangen; der Gottesdienst wurde geschwächt, das Läuten öfters verboten und die große Glocke des Münsters confiscirt, weil man damit Sturm gegen den Feind geschlagen. Die Stadt und die Hochschule mit den Domherren im Basler Hofe hatten eine Contribution von 30 000 Gulden zu entrichten und alle Waffen abzuliefern. Die Quartiere mußten alle 14 Tage gewechselt werden, wobei die Bürger ungemeine Verluste erlitten. Dem einen drangen die Soldaten in den Keller und stahlen den Wein oder ließen ihn laufen; den anderen beraubten sie den Kornkasten; dem dritten erbrachen sie die Truhen und nahmen alles Gold, Silber und Geschmeide daraus hinweg.
Auf der Gasse war selbst untertags Niemand sicher. Männern und Weibern wurden Hüte und Mäntel, Schleier und Schürze genommen. Den Geistlichen begegnete der Soldat mit Hohn und Spott, denn sein Übermuth wuchs mit jedem Tage. Er kleidete sich prächtig, hielt üppige Gastereien und Tänze, und machte Hochzeit nach Gefallen.
Als der Frühling gekommen, fielen die Soldatenweiber in alle Gärten und Äcker, schnitten ab, was ihnen gefiel, füllten Säcke und Körbe mit dem Gestohlenen und trugen's nach Hause oder auf den Markt zum Verkaufe! Die Offiziersdiener und Lakaien fuhren mit Karren und Wagen in die Matte und mähten das Gras ab. [Bade82]. Welches Kontribuieren den ganzen Sommer gewähret, daß nach und nach die armen Untertanen dermaßen ausgepresset und ausgesogen, daß oft ein wohlhäbiger Mann, der zwei- bis dreihundert Viertel Früchte beisammen gehabt, dahin gekommen, daß er nicht einen Sester* mehr gehabt, ja dem heiligen Almosen hat nachgehen müssen [Stra43]. Und als es Herbst geworden, liefen die Soldaten rottenweise hinaus, rissen Mauern und Zäune nieder, raubten das Obst und verdarben die Bäume [Bade82]. *Ein Sester entspricht 15 Litern
Unter dem zweiten Stadtkommandanten dem aus einem böhmischem Adelsgeschlecht stammenden Oberwachtmeister Friedrich Ludwig Kanoffski von Langendorf (1632-1645) richten sich die Schweden innerhalb der Stadtmauern häuslich ein, und in einem fast ökumenischen Klima kommt es sogar zu Mischehen. So heiratet Kanoffski 1633 die Tochter Anna Jolantha des Freiburger Stadtjunkers Johann Balthasar Stumpp*. *Wegen dieser profitablen Heirat und der noch folgender Begebenheiten setzte sich im Volksmund für von Langendorf der Name Kanof oder Kanuf durch. Darunter verstand man früher in Freiburg einen besonders verschlagenen oder durchtriebenen Kopf.
Doch auch nach seiner Einheirat ist sich Kanoffski der Freiburger nicht sicher. Die Besatzer werfen Bauern vor, kaiserliche Truppen etwa die in Breisach zu versorgen oder feindliche Militärstreifen vor die Stadt zu führen. Da können nur drakonische Strafen abschreckend wirken. Vermeintliche Verräter werden mit glühenden Zangen gezwickt, aufs Rad geflochten und sollte der Tod nicht eingetreten sein, lebendig verbrannt [Thie97]. Die Menschen der Umgebung schließen sich zusammen, um sich schwedischer Übergriffe zu erwehren. Als am 16. Juni 1633 sich etwa 300 Bauern aus Ehrenstetten, Pfaffenweiler und Kirchhofen im dortigen Schloss verschanzen, statuieren die Schweden ein blutiges Exempel: Anno 1633 ist Kilchen, Schlos und ganz Kilspil (Kirchspiel) verbrändt und kamen das Landt in Schwedist Hendt. Ungefär 300 Baursleit unerbermlicherweis dottgeschlagen, darunder 89 von Pfaffen und Öhllenschweiler waren, so liest man noch heute in einer Inschrift hinter dem Altar der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Kirchhofen.
Im Anbetracht dieses Massakers erscheint die Mitteilung, dass im April 1633 Oxenstierna dem Markgrafen Friedrich von Baden-Durlach als Lohn für die dem Protestantismus geleisteten Dienste alle österreichischen Länder zwischen Rhein und Schwarzwald von Säckingen bis Philippsburg als schwedisches Lehen übereignet hatte, belanglos.
Vergebliche Mühen um einen deutschen Frieden
Auf der Basis eines Waffenstillstandes im fernen Schlesien gibt es derweil Bemühungen - von Wallenstein gesteuert und vom Wiener Hof argwöhnisch beäugt - um einen Frieden mit den protestantischen Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen. So schreibt der Generalissimus 1633 an Hans-Georg von Arnim: Denn zuletzt, wenn die meisten Länder werden in Asche liegen, wird man Fried machen müssen, wie uns denn diese in die 14 Jahr continuierten Kriegs-Exempel genug vor Augen stellen [Pötz11]. Nachdem schwedische Truppen in Deutschland stehen, möchte Wallenstein vor allem weitere Einmischungen ausländischer Mächte besonders Frankreichs in den Krieg vermeiden.
Da schlägt die spanische Anfrage in Wien nach der Gewährung von militärischem Flankenschutz für ausländische Truppen, die das Reichsgebiet durchziehen möchten, bei Wallenstein wie eine Bombe ein. Der spanische Gouverneur von Mailand Gomez Suarez de Figuera Duca di Feria (1618-1634) hatte im Mai 1633 aus Madrid den Befehl erhalten, eine Armee zu rekrutieren, um mit ihr über die spanische Route in die holländischen Provinzen zu ziehen und die abtrünnigen Länder endlich in die Knie zu zwingen.
Auf dem Weg durch Süddeutschland möchte Feria seine Truppen durch Rekrutierungen auffrischen und bietet dafür an, mit der ejército de Alsacia im Vorbeimarsch den Schlüssel des Reiches, die von den Schweden unter dem Rheingrafen Otto Ludwig seit dem 7. Juli 1633 belagerte kaiserliche Festung Breisach, zu entsetzen.
Die Befürchtung Breisach verloren, alles verloren lässt am Hof zu Wien nicht nur alle Bedenkenträger gegen ein Durchmarschrecht für die Spanier verstummen, sondern der Kaiser sagt dem Duca sogar eine direkte militärische Unterstützung am Rhein zu. Ferdinand inzwischen wieder misstrauisch gegenüber Wallenstein möchte Feria als einen zweiten militärischen Befehlshaber in Deutschland aufbauen und bereitet seinem Generalissimus bewusst einen dreifachen Affront: Wallensteins Friedensbemühungen sind kompromittiert und die Zusage von Reichstruppen sowie die Erlaubnis für die Spanier, in Deutschland zu rekrutieren, greifen direkt in die verbrieften Befugnisse des kaiserlichen Oberbefehlshabers ein.
Restabilisierung des Religions- und Prophan-Friedens
Neuere forensische Untersuchungen haben Vermutungen bestätigt, dass Wallenstein wohl nicht an Gicht, sondern an einer fortgeschrittenen Syphilis litt. Nicht nur seine körperlichen Beschwerden, sondern auch seine Launen, Zornausbrüche und manchmal unberechenbaren Reaktionen lassen sich damit erklären. Doch ist der folgende Entwurf eines Vertrages, den der Generalissimus Ende 1633 diktiert und unterschreibt, einem erweichten Gehirn entsprungen? Wallenstein ist überzeugt, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist, und möchte einen deutschen Frieden mit den protestantischen Fürsten:
Beide Kurfürstlichen Durchlauchten zu Sachsen und Brandenburg einerseits, der Römisch Kaiserlichen Majestät Generalissimus andererseits haben die jetzige Devastation, ja, den Untergang des Römischen Reiche erwogen und auf Mittel und Wege gedacht, auf welche Weise dem abgeholfen, Deutschland von der Beraubung durch fremde Völker gerettet und wieder in vorigen Flor und Wohlstand gesetzt werden möchte.
Als haben höchstgedachte beide kurfürstliche Durchlauchten mit hochgedachtes des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden sich dahin verglichen, daß beider ihrer Kurfürstlichen Durchlauchten Waffen mit den Kaiserlichen conjugiert und dem Commando des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden unterstellt werden, in Anbetracht des besonderen Vertrauens in dieselben, daß er nämlich obgedachte Intention erreichen und ins Werk setzen wird, und also mit zusammengesetzter Macht die Restabilisierung des Religions- und Prophan-Friedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae und dann bei jetziger kaiserlicher Majestät Regierung vor diesem Unwesen sich befunden, wiedergebracht und gegen diejenigen, die denselben ferner zu turbieren obstiniert, erhalten werden solle [Mann06].
Were sonsten gleich nidergeschossen worden
Die Kriegshandlungen im Breisgau verhindern, dass die Ernte 1633 eingebracht werden kann. In seinem Tagebuch klagt Thomas Mallingen: Wie wol es ein stattliche und reiche Ernd geben, welche in vil Jahren nit also geraten, aber ist den Landleüthen nit zuo Nutz kommen, hat sich auch kainer auf seinem Guot oder Acker, dass er nur eine Handvoll hette dörfen abschneiden, blicken lassen, were sonsten gleich nidergeschossen worden [Thie97].
Ende Oktober 1633 übernehmen Spanier Freiburg
Und so kommen die Spanier unter Feria mit 10 000 Mann zu Fuß und 1500 Reitern nach Deutschland. Am Lech conjugieren sie sich mit den im Westen zu Schutze Bayerns stehenden Reichstruppen unter Johann von Aldringen (1618-1634).
Dank der nun militärischen Überzahl und der Kriegserfahrung Aldringens wird die Rückeroberung der Waldstädte am Oberrhein (Laufenburg, Säckingen, Rheinfelden und Waldshut) und der Entsatz Breisachs am 20. Oktober 1633 zum Kinderspiel, auch wenn die italienischen Spanier ein erbärmlich zusammengetrommeltes Heer sind, ohne Artilleriepferde, Wagen, Munition, gänzlich ohne Brot und Fleisch und Bier. Ein Pfaff, so ein Beichtvater sein soll, dirigiert das ganze Wesen [Mann06]. Im Elsass befreit Feria Rufach, Gebweiler, Sulz und Ensisheim [Spec10].
Anschließend rückt die Streitmacht von 16 000 Mann auf Freiburg zu und zwingt auch hier die schwedische Besatzung, die Stadt zu räumen. Schon am 21. Oktober lässt Stadtkommandant Kanoffski den städtischen Obristmeister rufen: Die Kaiserlichen rücken immer näher und Freiburg ist unhaltbar; deshalb verabschiede ich mich. Was während meines Commando's sich Übels begeben, schreibe man nicht mir, sondern dem leidigen Kriege zu. Ich übergebe hiemit die Schlüssel der Thore [Bade82]. Spricht's, macht sich aus dem Staube und verfügt sich zur Armee Bernhard von Weimars am Oberrhein.
Zwar besitzen die den Schweden nachrückenden Kaiserlichen das richtige Gebetbuch und war die Stadt Freiburg vermittels göttlicher Gnade wieder in die österreichische Devotion gebracht, doch die ausgehungerten und meist unbezahlten Söldner benehmen sich nicht besser als die vormaligen Besatzer. Söldner und Pferde benötigen Unterkunft und Nahrung. Es kommt zu Übergriffen der Soldaten auf die Bevölkerung, doch als sich der Stadtrat beschwert, lässt Feria in den Kellern der Bürger jeden neunten Saum* Wein und auf den Speichern den dritten Teil der Früchte wegnehmen [Stra43]. *Ein Saum entspricht rund 38 Litern
Allein auf Grund der Zahl der Menschen und Tiere sind die Zustände in der Stadt katastrophal, zumal die nichteingebrachte Ernte die Versorgungslage in Freiburg noch verschärft: In allen Gassen [sind] die Heüser dermaßen uberlegt gewesen, daß man die nodtwendige Nahrung, oft sogar daß Brod nit hat könden umb daß Gelt bekommen, oft in einem Hauß bey 10, 12, sogar biß auf die 20 Personen gewesen. Will nit sagen von den Pferten, wo nur ein Stallung gewesen, hat man auch 10, 20, sogar biß auf die 40 Pfert in ein Hauß oder Stall gestellet. In den Vorstätten, außerhalb der, und umb die Statt herumb, alle Heüser, Schewren, Stallung, Schöpf, Gartenheüser voller Soldaten und Pferten gelegen und gestanden, und weil es damals schon etwas kalt, haben sie darinn alles Holtzwerck abgebrochen, die Zeün umb die Gärten nidergerissen, vil hundert Wellen Stäcken auß den Räben genommen, etliche fruchtbare Baim abgehawen, und Alles in das Fewr geworfen und verbrennt. Welches Volck so grosen Mangel an Proviant und grosen Hunger gelitten, daß auch die fürneme Officier, sogar Oberste, welche ihre Quartier nur außerhalb in schlechten Gartenheüslin gehabt, ihre Diener in die Statt geschickt, umb daß Gelt Brodt zuo kaufen, haben oft umb ein eintzigen Laib Brodt ein Reichstaler wöllen geben, selbigen nicht bekommen. Darumb hernach im Marschieren vil hundert Soldaten und Pfert Hungers halben haben miessen sterben und umbfallen, darüber in und außerhalb der Statt von wegen des grosen Geschmacks und Gestancks vil Menschen krank und mit dem Todt bezalen miessen [Haum01].
Als endlich einige Regimenter aus der Stadt verlegt wurden, ersetzte sie der schon früher gefürchtete Obrist Ascanius und verlangte nebst der Verpflegung noch für jeden seiner Kapitäne wöchentlich 21 Gulden. Erneute Vorstellungen seitens des Stadtrats wurden damit beantwortet, daß jener eine Anzahl Bürger in Eisen schlagen ließ und drohte, die Stadttore zu sperren und niemanden weder ein- noch auszulassen. Gleichzeitig wurde der Stadt von der Regierung eine Kriegssteuer von 11 500 Gulden auferlegt und der Befehl erteilt, bis dieses Geschehen sei, seien der Obristmeister Meyer, der Stadthalter von Pflaumen und der Stadtrat Mang in Arrest zu halten. Um dieses Geld aufzubringen, erschienen die Bürger auf dem Kaufhaus und lieferten ab, was sie an silbernen und güldenen Bechern, Spangen und Ringen bisher verborgen und gerettet hatten [Stra43]*. *Dieser und weitere mit [Stra43] markierten Originalzitate entstammen einer Artikelserie Freiburg in vier Kriegen aus der Freiburger Zeitung von etwa 1943, verfasst von Karl Willy Straub, einem den Nazis nicht abgeneigten Schriftsteller, der der Bevölkerung einzureden versuchte, dass trotz Bombenangriffen die Kriegsnöte und Kriegslasten Anno dazumal deutlich größer gewesen seien.
Die Menschen sind unterernährt, haben keine Widerstandskraft und so dezimiert eine Pestepidemie die Anzahl der Freiburger Bürger auf ein Drittel. Über die damaligen Zustände in Kriegsgebieten reimt Friedrich von Logau (1605-1655) resigniert: Stadt, Land, Mensch und Vieh vernichtet, ist des Herren Dienst verrichtet.
Haben uns alle must lassen unterhalten
Ende Oktober 1633 wird Peter Hagendorf nach Straubing beordert: Ich für meine perschon bin auff straubingen an der Donau, wie wir hinkommen helt den (halten) 2 Regemendtern schon da für (davor) von die schwiediessen (Schwedischen), die haben vns wilkommen geheissen, da sindt von den 300 man nicht mehr als unser 9 einkommen, die ander sindt alle gefangen, undt niedergemacht. Ich Aber, bin in einer hegken (Hecke) gefallen, undt wie es vorüber Ist gewessen bin Ich In die Stadt kommen.
Alhir hat mich nun mein haubtman zum Wachtmeister* gemacht, den es Ist kein corbpral (Corporal) mit eingekommen (hereingekommen). Als Ich, darin sindt wir nun gelehgen 4 tage, da hat man vns, wieder geschiegket auff 500 man (eine Verstärkung von 500 Mann) zur besatzung. Ich habe gudt qartier gehabt bein einen Wein wirdt, zur grüner danne (Weinwirt Zur günen Tanne), habe auch huebs (hübsch) geldt gehabt, undt bekommen. *mit einer entsprechenden Solderhöhung von 12 auf 20 Gulden/Monat
Nach 14 tage sindt die schwediessen gekommen (unter Bernhard von Weimar am 19. November 1633), die Stadt belegert beschossen. Also haben wir must agcordieren (akkordieren am 23. November 1633), weil wir keine endtsatzung gewust haben. In der Stadt habe Ich mich zu pferdt geMundieret (ausgerüstet), sadtel undt zeug, patelir (Bandelier) undt pistolen, den es waren pferdt gnug Alhir. Den Ich habe vermeinet, man werde vns lassen abziehen, wie dan der agkurdt (Akkord) gelautet hat. Aber auff 2 stundt heisset steige ab*, gieb her was tu hast, das ander behai tu, da hat meine Reutrei ein ende gehabt, undt haben vns alle must lassen vnterhalten (haben uns alle müssen lassen anwerben). *Auf einen Briefs Oxienstirnas hin, der Bernhard von Weimar vermeldet, Wallenstein sei mit den Schwedischen wider alle Kriegsrecht verfahren und habe in Schlesien einen zeitgleichen Akkord nicht gehalten [Pete12].
Hagendorf verdingt sich also bei den Schweden. Dass ein Söldner treulos wieder aufgefangen wird, ist keine Seletenheit. Nachdem seine Seite verloren hat, was bleibt ihm auch anderes übrig: Da sindt wir wieder zu Rugk gefurret (zurückgeführt) worden, auff straubingen, von straubingen hat man vns gefuhret auff die lesser (Isar), zu, mich hadt man furgestellet für einen schirsanten (vorgestellt als einen Sergeanten) unter den Roten Regemendt, mein haubtman hat geheissen Albrecht Stengel aus Schweden [Pete12}.
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Andreas Gryphius
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Rechtens vndt anstandt eines corperllichen Aydts hiemiet verpflichten
Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte, bemerkt Schiller in seinem Drama Wallenstein. - Hatte Wallenstein am 11.Oktober 1633 bei Steinau an der Oder nicht die Truppen des berüchtigten Heinrich Matthias von Thurn geschlagen, den Grafen gefangen und ihn anschließend wieder freigelassen. - Hatte er später seine Soldaten nicht in die Winterquartiere geführt, damit sie nicht krepieren und desperieren, und so das von den Schweden belagerte Regensburg seinem Schicksal überlassen? [Pötz11] und - hatte er nicht am 13 Januar 1634 in Pilsen seine Offiziere ein Revers unterschreiben lassen, in dem sie sich sambtlich vndt ein ieglicher insonderheit crefftigster, bestendigster Form Rechtens vndt anstandt eines corperllichen Aydts hiemiet verpflichten, bey Hochgedachter Jhr FürstI. Gn. etc. diesfalß erbar vndt getreu zue halten, auf keinerlei weiß von deroselben vnß zue separiren, zue trennen noch trennen zu laßen, besondern alles dasseelbe, so zue Jhrer vndt der Armada Conseruation geraichet, nebenst Jhr Fürst|.Gn. etc eüßerster möglichkeit zu beferdern vndt bey, nebenst vndt für dieselbe alles vnßere bies den lezte Blutstropffen vngesparter aufzuesetzen und sie damit auf sich vereidigt? [Kais18]. Der Wiener Hofist sich sicher: Wallenstein plant einen Putsch.
Der Wallensteiner ist nunmehr des Kaysers Feind
In der Tat, am 27. Februar 1634 berichtet die schwedennahe Stettiner Zeitung als Faktum: Der Wallensteiner ist mit 15 000 Mann zu den Schweden gestoßen und ist nunmehr des Kaysers Feind … Daß nun dieses alles wahr ist, schickte am Montage frühe der Wallensteiner einen Trompeter hier, darauff Churfürstliche Durchlaucht* lustig die gantze Nacht durch biß gen früh umb 5 Uhr gewesen. Jetzo ist man in voller Arbeit, das Werck vollends in rechten Standt zu bringen. Kein Faktum, denn am 27. Februar war der Generalissimus schon seit zwei Tagen tot. *Johann Georg von Sachsen
Doch dann weiß die Zeitung neue Mär: Auß Nürnberg vom 29. Februarij: Es ist von den underschiedlichen Orten Aviso einkommen, das General Fridlandt sampt seinem Secretarius Graff Terzky, Graff Kintzky und General Illo auff des Kaysers Befelch von dem Commmendanten, Jordan genant, mit den bey sich gehabten Soldaten seind zum theyl erschossen, und der Hertzog von Fridlandt mit einer Partisana darnider gemacht worden. Die Particularia können Kürtze der Zeit halben vor dißmahl nicht geschrieben werden .... Vom 1. Diß (Monats) hat ein Curier von Regensburg hierher bracht, das allda Bericht einkommen,, dass General Fridlandt zu Eger erstochen worden, neben noch etlichen vornehmen Herrn mehr, aber es wird allhier davon wunderlich discuriert. Etliche haltens vor ein apostotiert Werck*, das solches alles auß des Fridländers Befelch geschehen seye, damit die Evangelischen sicher zu machen, sie dadurch desto besser zu erdappen. Etliche aber haltens vor gewiß und das er durch Antrieb deß Beyerfürsten were vom Keyser dießgustiert worden ... Steckt ein Betrug dahinden, so wird er sich bald entdecken müssen, der wird durch die Prob, gleich wie das Ertz am Klang, durch das überauß grosse eingefallene Mißtrawen erkandt werden. NB. Bey Beschluss dieses kompt Bericht ein, daß Obgemeltes mit dem General von Fridlandt und anderen vornehmen Herrn gewiß sein soll, jedoch will man Solchem allhie noch keinen Glauben zustellen. *Fake news
Seni, der Astrologe Wallensteins, an der Leiche seines Herrn
Schkießlich berichten andere Zeitungen in Stuttgart, Straßburg, Zürich und die 12. Lieferung der Frankfurter Ordentliche Wochentliche Zeytungen fast wortgleich, mit Gewissheit und detailierter: Auß Eger vom 29. Februarij Wie es ... mit Niedermachung des Wallensteiners und andern hergegangen, ist zu vernehmen: Nachdem der Wallsteiner mit ungefehr 800 Mann allhier angekommen, die er in die Dörfer logiert und vom Obristen Buttler, von dem er nichts Böses erwartete, eingeholt worden: ist darauff der Graff Tertzky, Graff Kintzky, Oberster Illo und Rittmeiser Neuman, so willig erschienen, von den Kayserlich Affectionierten* auff die Burg gebeten worden, unter Wegs und bei der Tafel auch der Subscription ihres jüngst gemachten Schlusses gedacht worden: Als es nun etwas finster worden, ist ein commandierter Trupp Dragoner in die Stube gekommen, der diese 4 alsbald stillschweigend niedergeschossen. Von dort aus zu des Friedländers Quartier geeilt, die Schildwache, einen Kämmerer, einen Pagen (der sie nicht zum Friedländer einlassen wollte) niedergeschossen. Wegen dieses Tumults eröffnet der Herzog die Tür, da dann der abkommandierte Offizier ihm alsbald einen Stich durch den Leib gegeben. Als aber der Hertzog sich doch noch ermuntert hat und nach seinem Gewehr greifen wollte, hat er ihm noch zwei weitere Stiche gegeben, sodass der Herzog darnieder gefallen, also dass das Blut in der Stube herumgeflossen ist, hernach ihn in ein Bett-Tuch gewickelt und so auf die Burg geschleppet [Medi19]. *Gesinnten
In seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges nimmt Schiller den obigen Satz seines Dramas wieder auf, doch notiert er unmissverständlich: Viele seiner getadelsten Schritte beweisen bloß seine ernstliche Neigung zum Frieden … aber keine seiner Taten berechtigt uns, ihn der Verräterei für überwiesen zu halten. So fiel Wallenstein, nicht weil er Rebell war, sondern er rebellierte, weil er fiel [Schi64]. Am 25. Februar 1634 wurde Wallenstein in der Festung Eger von gedungenen Schergen niedergestochen wie ein toller Hund [Schi88].
1634 kehren die Schweden nach Freiburg zurück
Nach dem Abzug der Spanier in Richtung Niederlande liefert sich Rheingraf Otto Ludwig im Januar 1934 bei Thann mit dem katholischen Landesherrn Markgraf Wilhelm von Baden (1621-1677) ein Gefecht [Spec10]. Siegreich nimmt sich Otto Ludwig anschließend statt der schwer einzunehmenden Festung Breisach die Stadt Freiburg vor.
An Silvester 1633 steht wiederum ein schwedischer Trompeter vor den Mauern und verlangt die Übergabe im Namen des Rheingrafen, doch erst im April 1634 lagert Otto Ludwig mit ernst undt zimblichen gewaldt zue roß und fueß vor Freiburg und beginnt mit der Einschließung und Beschießung. Es nützt nichts, dass die Stadträte der Rheingräfin einen Schmuck aus Granaten, damit sie für die hartbedrängte Stadt das Beste reden möge, zukommen lassen. Die Verteidigung ist angesichts der Burgerschaft geringe Vires, Armuoth, Kranckheit undt großer Mangell der Gewehren auch ... der geworbenen Soldaten Schwacheit, hingegen aber des sighafften Feindts satte Resolution, Eyffer, Ernst, Gewalt und Wachtsame sei es gegen Gott und der ehrbaren Welt unverandtwortlich, daß Werckh uff die Extremitet, Mordt und Brandt khommen zue lassen. Der Stadtkommandant fügt hinzu, daß er mit seinen wenigen undt liederlichen Soldaten alhiesigen Posten yhe nit zue defendieren wüße [Haum01]. Der Sturm auf Freiburg in der Nacht vom 10. auf 11. April kostet etlich und 60 persohnen alhiesieger burge, bauern und soldaten das Leben. Zue verschonung mehr unschuldigen bluets auch geist= und weltlichem, weib und khindern, witwen und weisen schließt der Stadtrat den Akkord mit dem Rheingrafen [Maye10].
Es rächt sich jetzt, dass die Universität auf Zeit gespielt und ihren Anteil am Brandschutzgeld während der ersten schwedischen Besatzung nicht voll bezahlt hatte. Nun verlangen die Eroberer neben einem neuen Schutzgeld auch die noch ausstehenden Gelder. Da der Studentenmangel einen empfindlichen Ausfall der Einnahmen bedeutet, muss nicht nur die Universität ihr Tafelsilber verscherbeln. Die Professoren hatten schon lange keine Bezüge mehr gesehen, so dass der Jurist Erasmus Pascha klagt: in waß Armuet daßselbe (die Universität) steckht und wie elendt die Professores sich behelffen, ohngeachtet deren ettliche ihre mobilia allerdings verkhauft, wie dan mein Silbergeschirr, so ich in ettlich Jharen vorhin ersparet, hindurch undt fast an deme ist, daß ich übrige mobilia auch würdt angreiffen mueßen, ratio daß mir von der Universität alhier … noch keines Hellers Werth gelieffert ist [Kiche99].
Der Bevölkerung geht es auch nicht besser, wenn in der Chronik eines der Freiburger Frauenklöster zu lesen ist: Damals aßen wir beinahe ein ganzes Jahr lang nur Haberbrod und bekamen doch nicht genug. Der Sester (15 Liter) Haber kostete zwei Gulden; oft konnte man einen einzigen Laib Brot um einen Reichsthaler nicht bekommen. Hunderte von Menschen und Pferden starben so aus Mangel an Nahrung.
Ist die gansse schwediesse Arme geschlagen worden, zu fuhs undt zu pferdt
Seit dem Frühjahr 1634 kämpfen die Kaiserlichen unter ihrem neuen Befehlshaber dem Thronfolger und König von Böhmen und Ungarn Erzherzog Ferdinand (1634-1657). Und die katholische Streitmacht ist gewaltig, als sich die Kaiserlichen am 24. Mai 1634 mit dem in Straubing aufgebrochenen ligistischen Heer unter Führung des bayerischen Kurfürsten Maximilian östlich von Regensburg auf dem nördlichen Donauufer bei Reinhausen vereinigen.
Auch Peter Hagendorf ist im Früjahr 1634 unterwegs: In fruling sind wir auffbrochen mit dem regemendt gezogen auff bambergk (Bamberg). Im Sommer sin gezogen auff nurrenbergk, auff donawerdt, auff auspurgk, auff friedtbergk (Nürnberg, Donauwörth, Augsburg, Friedberg). Alhir Ist hertzog berhart (Bernhard von Weimar) zu uns gestossen, mit seinder armada, undt sind gezogen, auff freisingen (Freising), uber die lessei (Isar), auff lanshut (Landshut), das haben wir beschossen undt mit sturmer handt eingenommen (im Sturm genommen).
Ein Chronist berichtet: Beim Sturm waren viele Menschen durch Schwert, Fewer unnd Wasser vmbkommen, welchem spectacul die Baeyrische, so zwar in 15 000 starck daselbsten, aber zu langsam angelanget, erstlich zugesehen, nochmals selbsten mitgemachet und diejenige, so entfliehen wollen, theils geplündert, theils außgezogen und rantzioniret (Lösegeld erpresst), theils auch in die Isar gestürtzet [Enge48].
Wo Feind und Freund kräftig plündern, hat auch Hagenbuch seinen Anteil: Alhir sindt wir 8 tage stilgelehgen, undt die Stadt ausgeplündert, Alhir habe Ich für meine beute, ein huebsses medelein (hübsches Mädelein) bekommen und 12 tall (Taler) am gelde kleider undt weiszeug gnug. Wie wir sindt auffbrochen habe Ich sie wieder nach lanshut geschiegket, den(n) wir wolten Regensporg endtsedzen so Ist uns post unter wehgens gekommei die keiserissen, undt beiriessen (Kaiserlichen und Bayrischen) haben es schon eingenommen mit agkurdt (Akkord).
In der Tat. Nachdem Erzherzog Ferdinand das von Schweden besetzte Regensburg zwei Monate belagert hatte, stimmt die Stadt am 21. Juli dem Beginn von Akkordverhandlungen zu. Der Vertrag wird am 26. Juli 1634 von beiden Seiten unterschrieben.
Also sindt wir wieder zu Rüg auff freisingen (zurück nach Freising), auff auspurgk, undt donawerdt (nach Augsburg und Donauwörth). Alhir 4 tage stilgelehgen, da sindt die keisserissen kommen, undt haben uns getrieben, da sindt wir auff gensborgk, uber die dona, auff langennauw (nach Günzburg über die Danau nach Langnau), gehöret der Stadt ulm, zu Ist ein dorff Aber sie gehen mit 300 pflüge zu felde* Ist eine grosse stundt lang von langenauw. *ein Dorf mit einer großen Ackerfläche
Auff alle (Ahlen), auff pobpingen (Bobpfingen), 2 stundt von nörlingen (Nördlingen), das haben die keiserissen belegert, undt stargk beschossen, Alhir sindt wir gelehgen 14 tage bei pobpingen auff dem bergk, undt haben auff volg (auf Volk, Verstärkung) gewartet.
Schlacht bei Nördlingen. Links unten explodiert Gustav Horns Pulvermagazin Es ist Erzherzog Ferdinand, der zusammen mit spanischen Truppen seit dem 18. August 1634 das von den Schweden besetzte Nördlingen belagert. Die evangelische Reichsstadt wehrt sich tapfer, doch der schwarze Tod rafft die Verteidiger dahin. Beim Versuch Gustav Horns und Bernhard von Weimars, die Stadt zu entsetzen, kommt es Anfang Septemebt am zur Schlacht bei Nördlingen, in der die schwedische Armee 12 000 Mann verliert.
Hagendorf bei den Truppen Bernard von Weimars schreibt darüber: Den 7 sebtember dessen 1634 jars sindt wir von dem bergk gezogen bei pobpingen undt gezogen nach nörlingen. Die keissriessen angegriffen, da haben wir den ersten tag, sie getrieben. Den ändern tag Ist die schlagt (Schlacht) Recht angegangen, die spanniesen (Spanier) haben uns grossen schaden getahn, den(n) auff diesen tag Ist die gansse schwediesse Arme geschlagen worden, zu fuhs undt zu pferdt, die spanniessen haben alles niedergeMacht, mit verMeldung, o lutrian, begfutu, Madtza, hundtzfudt*, etc. *Hagendorf endet seinen Bericht mit einigen Flüchen. Lutrian = Lutheraner?, hundtzfudt = Hundsfott.
Am Ende ist Hagendorf froh, dem Gemetzel unverletzt entkommen zu sein, und notiert, sich seiner Verletzungen bei Magdeburg erinnernd: Auff dies mal, hatt mich der Almechtiege sonderlich behütet. Also das Ich den lieben godt höchlich dafür die zeit meines lehbens zu dangken habe, den mir Ist kein finger, verledtzet worden, da sonsten kein einiger (einziger).
Alle die wieder zum (alten) Regemendt kommen sindt, ohne schaden gewessen sindt, den(n) nach der schlagt (Schlacht), was beiris, oder keisries (Bayrisch oder Kaiserlich), gewessen Ist, undt hin undt wieder gefangen Ist worden, sindt wieder zu Ihre Regemendtern gegangen … da hat mir, der haubtman, welcher zu straubingen, auch mit mir gefangen Ist worden die Corbpralstelle wieder gegeben*. *D.h., alle „umgedrehten“ Kaiserlichen werden rehabilitiert, denn der Kaiser braucht jeden Söldner
Dis Ist geschehen dessen den 7 Sebtember 1634 jars [Pete12].
Bis an die brugken zu strasborgk
Nach der vernichtenden Niederlage bei Nördlingen räumen die Schweden ganz Süddeutschland. In der schlagt (Schlacht) Ist gefangen worden der, hörn (Horn), undt kratz (der schwedische General Craz). Als jener [al] sperschönen (Generalspersonen), undt vil (viele) obersten. [Pete12]
Bernhard von Weimar zieht sich mit dem Rest seiner Truppen ins Elsass zurück und Hagedorf nimmt an seiner Verfolgung teil: Von nörlingen sindt wir gezogen die schwediessen nach, was noch In besatzung lag auff lauingen (Lauingen), auff kirchem an der egk (Kirchheim an der Teck). In Wurtenberger (Württemberger) landt, hat sich gudt willieg ergehben, auff stugkert (Stuttgart), auff pfordtze (Pforzheim). Alhir sindt wir stilgelehgen, etc.
Undt von pfordtze auff turlach (Durlach) stilgelegen, undt die schwediessen, was noch ubrieg blieben Ist, mit commandierten volg (mit kommandiertem Volk: regulären Truppen) nachgegangen, bis an die brugken zu strasborgk [Pete12].
Ließ der Kommandant auf dem Münsterplatz einen Galgen errichten
Bevor die Schweden am Tage des Stadtpatrons Lambertus am 17. September Freiburg verlassen, sprengten sie noch das Burghaus, mißhandelten und plünderten die Bürger und führten was sie an Geschütz und Munition erreichen konnte, hinweg. Der Sester schlechten Korns kostete vier Gulden und war kaum noch zu bekommen, der Sester Haber zwei Gulden. Diese Not wurde von den Schweden benutzt, um durch Hunger Soldaten zu pressen, was ihnen auch gelang.
Schiller lässt Graf Isolani im zweiten Teil seiner Wallenstein Trilogie sagen: Der Krieg ernährt den Krieg*. Gehen Bauern drauf, ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten. Täglich meldeten sich Knechte zum Kriegsdienst, so daß Freiburg übermäßig belastet wurde. Weil aber auch die Neuangeworbenen Not litten und ihres Einbrechens und Stehlens kein Ende nehmen sollte, ließ der Kommandant auf dem Münsterplatz einen Galgen errichten und zum abschreckenden Beispiel einen plündernden Reiter aufhenken [Stra43]. *Die Wendung bellum se ipsum alit findet sich bereits beim römischen Geschichtsschreiber Titus Livius
Nach dem Abzug der Schweden liegt ab Februar 1635 der kaiserliche Feldherr Herzog Herzog Karl IV. von Lothringen (1625-1675) mit seinen Truppen in der Stadt, die zügellos die Umgebung plündernd neues Entsetzen verbreiten [Heil20].
Doch bereits im Januar schon, unverletzt und lebensmutig, schreibt Hagendorf in sein Tagebuch: In diesem jar, den 23 Ianuari dessen 1635 jars habe Ich mich mit der ehrrentugendtsahme Anna Maria buchlirin, das Martin buchlers tochter, verheiratet, der liebe godt erhalte uns bei langwwieriger gesundtheit. Zu pfrdtze (Pforzheim) habe Ich hochzeit gehalten, hat gekostet 45 f (Gulden). der vater hat darzu gegeben 10 f (Gulden).
Mit seinem Nachwuchs ist Peter weiterhin im Pech: Den 11 november Ist mein Weib eines kindes geNessen. Ist getaufft worden alsobaldt, sein nahme ist gewessen Iurg Martin, hat gelebet 24 stunden. godt gebe Ihn eine froliche aufferstehung † 1.[Pete12].
Einwohner wie rassende Hünd angefallen und niedergerüssen
Im Elsass lassen die Schweden bei ihrem Rückzug die von ihnen besetzten Orte Türckheim, Ensisheim, Münster, Kaiserberg, Oberehnheim und Schlettstadt unter französische Obhut zurück, wobei Frankreich den Städten ihre angestammten Rechte garantiert. Als die Franzosen am 9. September 1634 in Schlettstadt einmarschieren, werden sie als Befreier mit dem richtigen Gebetbuch begrüßt. Doch nach zwei Monaten ist die anfängliche Begeisterung gewichen, denn la misère s’est installé de telle sorte que plus personne ne voulait rester avec eux.* *Es herrschte ein solches Elend, dass niemand mit ihnen (den Franzosen) umgehen mochte
Andere Städte der Dekapolis suchen in den unsicheren Zeiten des 30-jährigen Krieges freiwillig den Schutz des französischen Königs [Gras98]. Nach dem Abzug der Schweden unterzeichnen Colmar 1635 und Kaiserberg 1636 in Rueil einen Vertrag mit der französischen Krone. Doch die Aussicht auf ein Leben in Frieden erfüllt sich auch für diese Städte nicht, denn in Kaiserberg werden die Einwohner von den Soldaten der französischen Garnison wie rassende Hünd angefallen und niedergerüssen. Schließlich ist die Stadt wegen solcher erlittener Einquartierung alles ruiniert [Vogl09].
Es trieb der Hunger die Leute so hart, daß sie die Schindaas wegfraassen
Bei ihrem Durchzug verheeren die Schweden die Landschaften weiter, die vorher die Kaiserlichen schon ausgeplündert hatten. Freund oder Feind, das gilt nicht mehr. Die Soldaten nehmen dem gemeinen Mann Hab, Gut und auch das Letzte, was ihm noch zum Essen geblieben war. Die Zivilbevölkerung ist Opfer der Soldateska oder kommt durch Hunger und Seuchen um.
Sebastian Vrancx: Gräuel im Dreißigjährigen Krieg [DHMB] Pfarrer Minck in Groß-Bieberau in Hessen notiert: Bald fielen die Schweden über Rhein herüber und jagten die Keiserischen aus ihrem Quartier, bald jagten diese hinwieder jene hinaus. Dadurch dan das ganze Land zwischen Meyn und Rhein gar erschöpfet wurde, und dorfte sich kein Mensch ufm Land blicken lassen, ihm wurde nachgejagt wie einem Wild, da er ergriffen, unbarmherzig zerschlagen und umb Verrahtung Geld oder Viehe oder Pferd mehr als aufgehenkt, mit Rauch gedempft, mit Wasser und Pfuel (Gülle), so sie den Leuten mit Zubern in Hals geschüttet und mit Füssen uf die dicken Bäuche gesprungen, getränket, welche barbarische Tränkung genant worden der schwedische Trunk: Nicht daß ihn aber die Schwedischen allein gebraucht, sondern viel mehr weil die Keyserische den Gefangenen oder sonst den Schwedischen Zugetanen also einzuschenken pflegten ...
Schwedentrunk
Auch Stadtschreiber Peter Thiele von Beelitz ist Augenzeuge des Schwedentrunks: Da haben die reuber und mörder ein Holt genohmmen den armmen leutten solches im halße gestocken, umbgerühren, waßer eingegoßen, sandt darzu eingeschutten, ja wohl menschen koth und die leutte jämmerlich gequelen umb Gelde, wie den eine Bürger in Beelitz, David Örtel genannt, wiederfahren und balde davon gestorben [Kolb18].
Nach deme nun, wie droben berichtet, das ganze Land ausgeplündert, und kein Vieh noch Pferd mehr vorhanden, wurde auch kein Sommerfrucht ausgestelt... Uf solche Teuerung folgete auch groß Hungersnot ... Es trieb der Hunger die Leute so hart, daß sie die Schindaas wegfraassen, wo sie dieselben auch antreffen konten ... Auch erkaltete zwischen den Ehe- und anderen Leuten die Liebe, dass keines dem ändern dienete, ein Ehegatt zog von dem anderen in ein ander Land, Brod zu suchen, Kinder liefen von den Eltern, und deren sahen ein Teil einand nimmermehr wieder [Miro02}.
Der Galgenbaum von Jacques Callot Angesichts der Schrecken und Gräuel des Krieges verfasst Andreas Gryphius (1616-1664) 1638 das Sonett:
Threnen des Vatterlandes
Wir sindt doch
nuhmer gantz, ja mehr den gantz verheret!
Die thürme stehn in glut, die kirch ist umgekehret,
Hier durch die schanz und statt rinnt allzeit frisches blutt.
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Todt,
Dass wir die Länder anderer erobert und darüber unser eigenes ruiniert haben
Oxenstierna hatte bei Nördlingen nicht nur einen entscheidenden militärischen Rückschlag erlitten, sondern ist auch Reichskanzler eines menschlich und finanziell ausgebluteten Schweden. Sein Bruder bringt die Lage auf den Punkt, dass wir die Länder anderer erobert und darüber unser eigenes ruiniert haben [Schm95]. Die Polen und Dänen erheben erneut ihr Haupt, und somit hat die Sicherung der Ostseeküste Vorrang. Auf dem Kontinent möchte Schweden zukünftig nur noch seinen Namen leihen.
Der Breisgau könnte aufatmen, doch die Preise der Lebensmittel hatten eine solche Höhe erreicht, daß unser Land, dessen Kräfte durch die vielen Kriegssteuern und Brandschatzungen so sehr erschöpft waren, eine Menge von Bewohnern zählte, welche sich ihr Brod nicht mehr anzuschaffen im Stande waren. Sie mußten entweder betteln oder ihren Hunger auf widernatürliche Weise stillen. Dieses aber erzeugte viele Krankheiten und man konnte sagen, daß die Theurung den Tod sehr wohlfeil gemacht habe [Bade82].
Reichsgraf Johann Hannibal von Hohenems, Teilnehmer einer erzherzoglichen Delegation, berichtet von einer Fahrt durch den Breisgau: Wir hatten uns dieses Elend nit einbilden können ... all die ansehnlichen Dorfschaften und Flecken sind verbrennt und zerstört und wird niemand darin gesehen und begegnet man einmal einem Menschen, so schaut ihm der Hunger und der Tod aus den Augen [Rupp83].
Extrema an hand nehmen und Frankreich zum römischen König machen
Angesichts der katastrophalen militärischen Lage bricht unter den Lutheranern Panik aus. Landgraf Wilhelm von Kassel befürchtet, daß das Haus Oesterreich Teutschland gentzlich subjugiren, die libertet und evangelische religion extirpiren will, so wird man extrema an hand nehmen, Frankreich zum römischen König machen müssen und denkt somit an Hochverrat [Schm99]. Doch was hilft der katholische Sieg den Menschen, denn jetzt ziehen die Scharen des habsburgischen Heerführers Herzogs Karl von Lothringen marodierend durch die Lande.
Landgraf Wilhelm von Kassel
Auch Peter Hagendorfs Regiment zieht marodierend durch das Land: Den 25 abpril 1635 [aufjbrochen mit der gansse Arme, auff Diebingen (Tübingen), die haubtstat. In Wurtenberger lant. Alhir hat es eine hohe schule. Auff hohenzollern, ein festes schlos licht (liegt) auff einen hohen bergk, Auff fillingen (Villingen). Alhir endet sich das wurtenberger landt, den filiingen gehöret lepoldus* zu, dornach auff Roteburgk, am negker (Rottenburg am Neckar), den bei filiingen tudt der Negker endtspringen, auff leffingen (Leffingen), Alhir, Ist ein gros gewiedter (Gewitter) gewessen, doch haben 3 Soldaten gespielet undt sehr ubel gefluchet undt geschworen, da sindt sie alle 3. von donder (Donner) erschlagen 2 strag (stracks) maustodt, der Ander hat noch 3 tage gelebet, darnach auch gestorben. *Erzherzog Leopold Wilhelm, jüngster Sohn Kaiser Ferdinands II.
Dornach auff donessingen (Donaueschingen), Alhir springet die dona In schlos (die Donau am Schloss). Dornach auff die neige stadt (Neustadt) In schwadtzwalt. Dornach Ins himmelreich, dornach In die helle (Hölle), den(n) es Ist ein wirdtshaus, das heisset so, davon, hat man zu gehen eine stundt, tieff Im tall (Tal). Das wirdt In die helle genandt. Alhir Ist ein wildes landt, lauter bergk undt tall, undt waldt, die leute nehren (nähren) sich meisten teils mit Viehzucht, undt schöne frisse wasser (schönes frisches Wasser), giebet gute förrellen darin.
Von der helle auff freiburgk kombt man auff preisach (Breisach), wieder alles ehben. In elsas genandt zu preisach uber den Rein den(n) preisach Ist uberaus sehr feste, undt Ist der Schlüssel zum elsas [Pete12]. Da ahnt Hagendorf noch nicht, dass er 1638 an den Kämpfen um des Reiches Schlüssel beteiligt sein wird.
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Kaiser Ferdinand II.
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Des H. Römischen Reichs von GOTT eingesegnete Friedens-Copulation von 1635
Mit der Vernichtung Magdeburgs hatte die Horror-Phase des Krieges begonnen. Das Land ist ausgeplündert und ausgeblutet. Überall macht sich Kriegsmüdigkeit breit. Nach der Ermordung Wallensteins und der schwedischen Niederlage bei Nördlingen unterzeichnet Kurfürst Johann Georg am 24. November 1634 einen Vorfrieden, bekannt als die Pirnaer Noteln, nachdem Kaiser Ferdinand II. dem Jörge umb des lieben Friedens willen den Besitz der Lausitz garantiert und auch der Aussetzung des Restitutionsedikts von 1529 für Sachsen zugestimmt hatte. Jetzt gibt es Hoffnung, mit den protestantischen Reichsständen einen deutschen Frieden auszuhandeln.
Als der Kaiser 1627 als Normaljahr zustimmt, d. h. alle religiösen Veränderungen in Deutschland seither werden auf dieses Jahr zurückgefahren, stellt der Sachse sein Heer gegen die ausländischen Truppen auf deutschem Boden unter den Oberbefehl Ferdinands, also aus allen Armaden eine Hauptarmada gemacht werden, die soll heißen und genennt werden: der Rom. Kaiserlichen Majestät und des Heil. Rom. Reiches Kriegsheer [Puhl11].
Schließlich setzen Kaiser und Kurfürst am 30. Mai 1635 in der Hoffnung auf ein Ende des Krieges ihre Unterschrift unter die Des H. Römischen Reichs von GOTT eingesegnete Friedens-Copulation [Rosen04]. In der Präambel des Prager Frieden heißt es: Es möge ein christlicher, allgemeiner, erbarer, billicher und Sicherer Friede in dem Heiligen Römischen Reich wider aufgerichtet und daßelbe nach so vielen lang gewehrten Kriegen und dar über außgestandnen Ellendt, Noth und Zerstörrung erquickhet, der blutstürtzung einsten einn Ende gemacht und das geliebte Vatterland der hochedlen Teutschen Nation von endtlichen Untergang errethet werden [Puhl11].
Auf diesen Prager Frieden reagieren viele Zeitgenossen mit großer Skepsis. So schreibt der thüringische Hofrat Volkmar Happe, ein wohlinformierter Insider des Kriegs- und Machtgeschehens in Mitteldeutschland von seinem Beobachtungsort Sondershausen in Thüringen aus in sein Tagebuch: Den 20. Juni ist von Ihro Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen ein gedrucktes Patent anhero geschickt und darin angekündigt worden, dass Ihro Churfürstliche Durchlaucht mit dem Kaiser einen endlichen Frieden geschlossen. Darum auf Johannistag ein Dankfest öffentlich gehalten werden solle und solle man bitten, dass der liebe Gott Gnade geben wolle, dass auch die andern Fürsten und Stände solchen Frieden annehmen möchten. Ob wir nun wohl mit sehnlichem Verlangen auf einen Universalfrieden gewartet, so sind wir doch itzo mehr betrübt als erfreut, dass nur ein Particular Frieden mit Chursachsen alleine geschlossen und darum zu befürchten, dass dadurch viel mehr und größerer Krieg entstehen möchten. Wir sind also über diesen Frieden bald mehr betrübt und bestürzt als erfreut [Medi19].
Dagegen sieht Landgraf Wilhelm von Hessen (1627-1637) im Prager Frieden einen erneuten Versuch der Habsburger, Teuschland gentzlich [zu] subjugiren und die libertet und evangelische religion [zu] extirpiren [Schi88], doch wirklich war das Elend in Deutschland zu einem so ausschweifendem Grade gestiegen, daß das Gebet um Frieden von tausendmal tausend Zungen ertönte, und auch der nachteiligste noch immer für einen Wohltat des Himmels galt [Schi64].
Nachdem der Kaiser das Restitutionsedikt von 1529 für 40 Jahre ausgesetzt hatte, beschließen aus Kriegsmüdigkeit oder doch in einer nationalen Aufwallung? der Kurfürst von Brandenburg, Herzog Wilhelm von Weimar, die Fürsten von Anhalt, die wieder eingesetzten Herzöge von Mecklenburg, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die Hansestädte und die mehresten Reichsstädte, dem Frieden beizutreten und nunmehr treu, aufrecht und teutonisch, aber nie gegeneinander zu kämpfen und die fremden Mächte vom deutschen Boden zu vertreiben. Sollte in Prag gut enden, wo alles seinen bösen Anfang nahm?
Teutschland ware durch die drei Furien
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