Regierungspräsident Joseph Thaddäus von Sumerau |
Freiburgs Geschichte in Zitaten |
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1789 |
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Allons enfants de la patrie ...
Erstürmung der Bastille am 14. Juli 1789. Gemälde von Hippolyte Lalaisse
Die Urgewalt der Französischen Revolution macht alle Bemühungen Österreichs um eine Verständigung mit Frankreich zunichte. Als die Kunde vom Aufstand in Paris nach Weimar dringt, schreibt Karl Ludwig von Knebel an seine Herzogin Anna Amalia: Uns alle reizt jetzt das grosse Schicksal von Frankreich. In der Tat setzt dieses der Aufklärung und den Fortschritten dieses Jahr-hunderts gleichsam die Krone [?] auf ... Frankreich wird dadurch die Erste Nation der Welt.
Die Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Revolutionsfahne in der Parfum-Fabrik von Grasse
Die Nationalversammlung beseitigt das Feudalregime vollständig, als der dritte Stand im Dekret vom 11. August 1789 die Abschaffung der Vorrechte von Adel und Kirche verkündet. Klopstock, mögliche Folgen dieses unerhörten Vorgangs nicht bedenkend, jubelt in leidenschaftlicher Begeisterung: Frankreich schuf sich frei. Des Jahrhunderts edelste Tat hub da sich zu dem Olympus empor! [Sall09]. Auch Hegel nennt in seinen Berliner Vorlesungen die Revolution einen herrlichen Sonnenaufgang und stellt dann fest: Ein Enthusiasmus des Geistes hat die Welt durchschauert, als sei es zur wirklichen Versöhnung des Göttlichen mit der Welt erst jetzt gekommen [Leic10].
Im Frühjahr 1790 begrüßt Christoph Martin Wieland ebenfalls die Revolution: Hätte es bey mir gestanden, so würde gewiß weder Schuldiger noch Unschuldiger ohne Urtheil und Recht an Laternen-Pfählen aufgehangen, keines Menschen Haus geplündert, keines braven Edelmanns ja sogar keines Baurenschinders Schloß oder Burg angezündet, und des guten Königs Ludwigs XVI. Majestät auf eine weit manierlichere Art nach Paris gehohlet worden seyn, als es leider am 6ten October vorigen Jahrs* geschehen ist. Aber es ist mir demungeachtet schlechterdings unmöglich, um aller jener wirklichen und erdichteten Greuel willen, deren sich der Pariser Pöbel im Verlauf der lezten zehn Monate schuldig gemacht haben mögen, weniger überzeugt zu seyn, daß die Revolution ein nothwendiges und heilsames Werk, oder vielmehr das einzige Mittel war, die Nation zu retten, wiederherzustellen und aller Wahrscheinlichkeit nach glücklicher zu machen als es noch keine andere jemals gewesen ist [Reem23]. *Ludwig XVI. wurde am 6. Oktober 1789 von den sogenannten Poissarden, einem Demonstrationszug aus Marktfrauen und Nationalgardisten, aus Versailles nach Paris geholt.
Hegel, Hölderlin und Schelling pflanzen in Tübingen einen Freiheitsbaum und umtanzen ihn, revolutionäre Lieder singend [Crai93]. Goethe dagegen pflanzt nicht, sondern malt auf dem Rückzug von der misslungenen Campagne in Frankreich im 1. Koalitionskrieg den Freiheitsbaum, der als Beutegut im Innenhof der Trierer kurfürstlichen Residenz lagert, und setzt ihn in eine idyllische Landschaft.
Aquarell Goethes vom Mainzer Freiheitsbaum in den Farben der Republik mit einem kleinen orthographischen Fehler: Passan[t]s cette terre est libre*. *Vorbeigehende, dieses Land ist frei
Heine mag daran gedacht haben, wenn er rund 50 Jahre später über den Einfluss der Texte des Meisters auf die revolutionäre Gesinnung der Deutschen schreibt: Die Goetheschen Meisterwerke zieren unser teures Vaterland, wie schöne Statuen einen Garten zieren. Man kann sich darin verlieben, aber sie sind unfruchtbar. Die Tat ist das Kind des Wortes, und die Goetheschen Worte sind kinderlos.
Viele Deutsche, die sich bisher mit ihrer teutschen Freyheit gegenüber dem angeblich so versklavten Frankreich über die machtpolitische Ohnmacht des Reiches hinweggetröstet hatten, sind angesichts des Freiheitsrausches im Nachbarland verunsichert, verstehen die Welt nicht mehr. Bewunderung macht sich breit. Plötzlich erinnert man sich gemeinsamer germanischer Wurzeln:
Die Edlen, die nicht mehr an
alter Seuche Kranken,
Wie steht es denn wirklich um die vielbeschworene teutsche Freyheit? Friedrich Karl von Moser hatte 1785 erkannt: Jede Nation hat ihre große Triebfeder. In Deutschland ist's Gehorsam, in England Freiheit, in Frankreich die Ehre des Königs [Crai82]. Nun ist es im Nachbarland mit der Ehre des Königs nicht mehr weit her.
Gewalt statt Recht
Im März 1791 tritt der neue österreichische Regierungspräsident Joseph Thaddäus von Sumerau, Neffe des ersten Statthalters in den Vorlanden Anton Thaddäus von Sumerau, in Freiburg sein Amt an. Er fürchtet ein Überschwappen der Ideen zur Befreiung von Absolutismus und Feudalismus über den Rhein, kann jedoch bald nach Wien melden, dass die Untertanen im Ganzen vollkommen ruhig seien und keine Lust zur französischen anarchischen Freiheit hätten [Quar02]. Vorsichtshalber lässt Sumerau von der Kanzel des Münsters eine öffentliche Warnung verkünden: dass aus getreuen ruhigen Unterthanen und Hausvätern, wie im Elsaß und in einigen anderen daran stoßenden französischen Ländern wirklich geschehen ist, Rebellen, Diebe und Mörder geworden sind, die den Gehorsam gegen ihre rechtmäßigen Obrigkeiten abwerfen und Gewalt anstatt Recht gebrauchen.
Man schätzt, dass damals bis zu 150 000 Bürger aller Bevölkerungsschichten vor der Revolution über den Rhein flohen. Alle Personen, die aus Frankreich nach Freiburg kommen, sind den Behörden verdächtig. Wirtsleute werden angehalten, auf Güter und Fuhrleute zu achten, alle Reisende sollen zukünftig nach ihrem Herkunftsort und ihrer Reiseabsicht befragt werden.
Am 17. Februar 1792 gibt Freiherr von Sumerau zu Protokoll: Mir ist die Nachricht zugekommen, daß der in dem Anschlüsse beschriebene Franzos namens Demarc, von der franz: Propaganda nach Deutschland abgeschicket worden seyn solle, um auch die auswärtigen Unterthanen und das Militäre zur Unruhe und Aufstand zu verbreiten [Pelz02].
Knapp anderthalb Monate später gerät ein weiterer Agent ins amtliche Fahndungsraster: Der in der beyfolgenden Beschreibung angezeigte Franzos Dandrée soll vorhaben, die Unterthanen diesseits des Rheins zum Aufstand zu bewegen, und zu dessen Erziehung wolle er Elsässer und Lothringer gebrauchen, welche deutsch sprechen, und sich für Handwerksburschen ausgeben und Arbeit zu suchen vorgeben würden. Einige aus ihnen würden sich auch unter die Truppen der deutschen Mächten anwerben lassen, und so auf die Verführung derselben Soldaten ausgehen [Pelz02].
Sumerau führt in den Vorlanden die Zensur wieder ein, kann aber das Einschleusen revolutionärer Schriften nicht unterbinden. Deshalb schreibt er an den Außenminister Johann Ludwig Graf von Cobenzl nach Wien: Ein Reichsgesetz muß der leidigen Preßfreiheit und dem unseligen Illuminatentum die schärfsten Schranken setzen, sonst helfen alle einzelnen Anordnungen und Bücherverbote etc. nichts [Quar02].
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Johann Georg Jacobi
Kurfürst und
Karikatur auf den Freiheitsbaum: Nau wie soll mir's gefallen, s'is außer a Baeumche ohne Wurtzel, un a Kaepla ohne Kopf.
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Ein pur Poet und Belletriste und ein dummes Organ
Schließlich verdächtigt man sogar hochangesehene Bürger als angebliche Sympathisanten der Revolution, wie den Professor der schönen Künste Johann Georg Jacobi (1740-1814). Der hatte 1792 als Rektor der Universität an den französischen Nationalkonvent geschrieben und um die Erhaltung der Universitätsbesitzungen im Elsass gebeten. Regierungspräsident Sumerau verbietet die Absendung der Denkschrift, enthält sie doch zuviel Kriechendes und für die gegen alle vernünftigen Maximen handelnde französische herrschende Volksparthey zu viel Lob und gleichsam Beyfall ihrer Abscheu erregenden Handlungen [Quar02]. Er schreibt über Jacobi nach Wien: Er ist ein pur Poet und Belletriste und ein dummes Organ des bekannten markgräflich badenschen Hofrats Schlosser (der Schwager Goethes), welcher sich unter andrem vorzüglich durch seine demokratischen Gesinnungen bey seinem Hof verhaßt machte ... Ich wünschte auch, Jacobi wäre mit seiner Ästhetik in Halberstadt verblieben: das Land und die hiesige Universität hätten wenig dabey verloren, ausgenommen, daß letztere über einen Toleranzakt weniger sich hätte rühmen können.* Noch scheint mir, könnte man ihn entbehren: diese Erspahrniß für die hiesige Universität dörfte ganz am rechten und unschädlichen Platze seyn. Es würde auch jemand unter den hiesigen Professoren sich vorfinden, welcher über das Schöne den Studenten etwas aus einem Buche vorlese und sie Lateinisch lehrte ... Weit entfernt aber bin ich zu wünschen, daß Jacobi soldungslos werden möchte. Er könnte an einer anderen Universität ... angestellt werden. Wo er aber hinkäme, wäre er zu beobachten, damit er seinen Schülern kein Freiheitsgift beibrächte [Quar02]. *Die Aufnahme des Protestanten Jacobi im Lehrkollegium
Am meisten zu Revolutionen des Geistes aufgelegt
Über den Einfluss der Französischen Revolution schreibt der Professor für Naturgeschichte in Halle Johann Reinhold Forster: Unsere deutschen Fürsten wollen von den Anstrengungen der französischen Nation, die Freiheit zu gewinnen, nichts hören, und sie fürchten, dass diese Denkungsart sich auch in Deutschland ausbreiten könnte [Sall09]. Da klingt sein Sohn Georg Forster wohl mit den Erfahrungen als Mitbegründer der Mainzer Republik anders, wenn er meint: In Deutschland muss die Revolution von oben kommen, denn unser rohes, armes, ungebildetes Volk ist nicht reif für die Selbstbestimmung [Piep10].
Auch der Jenaer Philosoph Carl Leonard Reinhold beruhigt die Obrigkeiten mit dem schlagenden Argument: Teutschland ist unter allen übrigen europäischen Staaten am meisten zu Revolutionen des Geistes, am wenigsten zu politischen aufgelegt [Crai93].
In der Tat, im thüringischen Jena diskutieren die kreativsten Köpfe, als da sind die Brüder Wilhelm und Friedrich Schlegel mit ihren Frauen Caroline und Dorothea, die Philosophen Fichte, Schelling und Hegel, die frühromantischen Dichter Novalis, Clemens Brentano und Ludwig Tieck. Was dort, in Paris, die politische, die reale Revolution umwälzt, hebt hier die philosophische, die ideale Revolution gewaltsam aus den Angeln [Neum18].
Goethe meint, dass man in Deutschland künstlicherweise ähnliche Szenen herbeizuführen trachte, die in Frankreich Folge einer großen Notwendigkeit waren [Crai93]. So sieht auch Kaiser Leopold II. (1790-1792) im fernen Wien keine Gefahr, da unsere Nation ... weder so verdorben, noch so gedrückt, noch so enthusiastisch ist [Haum01].
Der bekannte Adolph Freiherr Knigge verzichtet vor lauter Begeisterung für die Französische Revolution auf sein „von“ muss aber eingestehen, dass die Zersplitterung Deutschlands einer revolutionären Bewegung hinderlich ist: Wir haben nicht, wie Frankreich nur Einen Mittelpunct, sondern einen Menge Höfe [Eren10].
Napoleon urteilt militärisch knapp: Die Deutschen machen keine Revolution. Sie sind nicht Mörder genug [Fisc06].
Schließlich hat Lenin uns Deutschen die Fähigkeit zur Revolution ganz abgesprochen: Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas. Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte.
Wo sie Recht haben, da haben sie Recht. Zwar gibt es in deutschen Landen wie in Frankreich die über Jahrhunderte gewachsenen Dreiständegesellschaft, doch die bekannten Reformen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch aufgeklärte Fürsten wie etwa in Preußen und Österreich hatten eine Menge sozialen Zündstoffs beiseite geräumt. Den Handwerkern und Kaufleuten ist wenig an revolutionären Neuerungen gelegen. Bleiben die Bauern, die zwar immer noch in der Abhängigkeit der kirchlichen und weltlichen Grundbesitzer leben, denen aber mit der Aufhebung der Leibeigenschaft ein Hauptargument ihrer Erhebungen in der Reformationszeit abhanden gekommen ist.
Trotzdem macht sich der Reichstag von 1791 große Sorgen wegen der Verbreitung aufrührerischer Schriften. Kurköln empfiehlt den Ständen, daß gegen alle Franzosen und Deutsche, welche die demokratischen Grundsätze öffentlich oder heimlich ausbreiten würden, nach Beschaffenheit der Umstände mit Leibs- und Lebensstraf verfahren werden soll, zu welchem Ende alle dergleichen Grundsätze enthaltenden Bücher zu verbieten und von den Ortsobrigkeiten zu confizieren seynSchm99].
Besorgt um ihre eigene Herrschaft
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Le sieur Gille, publiciste Allemand, devient citoyen François
Hatte bei der Nachnominierung zum Bürger Frankreichs le membre de'Assemblée Nationale, der den Namen Schillers so arg verstümmelt, etwa des Dichters Frühwerk Les brigands (Die Räuber) im Sinn oder sind Ähnlichkeiten mit den negativen Entwicklungen in Frankreich rein zufällig? So wie beim Dichter der Freiheit der eigentlich gute Mensch Karl als Oberräuber immer tiefer in einen Teufelskreis von Unrecht und Gewalt gerät, so gleiten die Ideale der Französischen Revolution in das Regime des terreur ab, bei dem die Freiheitsidee pervertiert und viele Unschuldige ihr Leben lassen müssen. Und so kann Goethe ein wenig neidvoll nur spotten: Zu dem Bürger Dekrete, das Ihnen aus dem Reich der Toten zugesendet worden, kann ich nur in so fern Glück wünschen, als es sie noch unter den Lebendigen angetroffen hat [Hoyn10].
Wie sich an den Namen der Neufranzosen ablesen lässt, war der Einfluss der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung auf die Französische Revolution gewaltig. Auch Schiller ließ sich bei seinem Drama Wilhelm Tell von den Formulierungen in der Declaration of Independence inspirieren.
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In Mainz:
Marie-Antoinette
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Laßt uns den Rhein ...
Nach dem Einfall der Revolutionsheere in Deutschland hört man jetzt andere Töne als noch im Jahre 1791: Gerechter Gott! Die freien Franzosen zwingen zur Freiheit! [Moli10]. In Freiburg findet man: Der Beobachtung des denkenden Deutschen sei es vorbehalten, aus fremder Verwirrung die heilsame Lehre zu ziehen, sein Vaterland vor der ansteckenden Seuche jener grausamen Staatsumwälzung mit Rath und Tath zu schützen, deren Folgen kein menschlicher Verstand zu berechnen vermag [Bade82]. Den vorrückenden Girondisten droht der inzwischen greise Johann Wilhelm Ludwig Gleim:
Laßt uns den Rhein, Ihr
Allesnehmer!
Während das im schweizerischen Arlesheim residierende Basler Domkapitel wegen des wenig katholischen Benehmens der Revolutionsarmee und der Drohung der Kirchenschließung bittet, wieder im Freiburger Münster Messe lesen zu dürfen, lässt Regierungspräsident Sumerau angesichts der wachsenden französischen Bedrohung Freiburgs im Herbst 1792 die vorderösterreichische Verwaltung und die Justizbehörden nach Konstanz verlegen. Er selbst bleibt in Freiburg, um die Oberaufsicht über die Verteidigungsanstrengungen der Stadt zu behalten.
Die Republik oder Tod und Verderben!
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Louis XVI
General Moreau
Magistratsrath 1794-1800
Der Franzosen Schreck Erzherzog Karl, ein Bruder Kaiser Franz' (Gemälde im Schloss Munzingen) |
Söldnerarmeen gegen soldats-citoyen
Die Söldnerarmeen der Alliierten sind dem Volksheer der Soldats-Citoyen nicht nur zahlenmäßig, sondern auch ideologisch unterlegen. Besonders in Preußen, welches sich im Osten durch die Dritte Polnische Teilung vergrößert, ist die Verteidigung des maroden Reiches im Westen unpopulär, denn man erkennt gegen die französische sans culotte ist kein Militair, nur die Masse der Nation ... erforderlich. Aus dieser Erkenntnis zieht man aber militärpolitisch keine Konsequenzen, was sich elf Jahre später bei Jena und Auerstedt rächen sollte. Die preußischen Finanzen sind erschöpft, und so reduziert Friedrich Wilhelm zunächst seine Rheinarmee auf 20 000 Mann. Anschließend verlangt er, dass das Reich die verbleibenden Kriegskosten übernimmt, eine Forderung, die Kaiser Franz empört ablehnt. So scheidet Preußen am 5. April 1795 aus der antirepublikanischen Koalition aus und schließt mit Frankreich den Sonderfrieden zu Basel. In dem Vertrag begeht Preußen Verrat am Reich, indem es der Abtretung seiner linksrheinischen Gebiete an die Republik zustimmt, in der Erwartung mit rechtsrheinischen Territorien entschädigt zu werden.
Qu'est-ce que c'est que ce petit coin du Brisgau vis-à-vis du reste de la monarchie!
Nicht nur die Preußen, auch die Habsburger sind der Wacht am Rhein überdrüssig und so ergibt sich bald Gelegenheit, den Muth und die geschworne Treue [der Miliz] zu erproben. Bürgercorps sowohl als Landsturm wurden aufgefodert, in Verbindung mit dem Corps von Condé*, die eben so gefahrvolle als beschwerliche Rheinwache zu besorgen, denn seit 1795 hatten die österreichischen Truppen begonnen, sich aus dem Breisgau zurückziehen [Schr25]. *der Duc d'Enghien, Nachfahre des Generals aus der Schlacht bei Freiburg
Mit dem Abzug der Truppen sieht Sumerau mit Recht den Breisgau militärische bedroht. Energisch protestiert er bei Außenminister Franz Maria von Thugut. Der ist drob arg verstimmt und rastet aus: C'est une étrange prétention que celle que S. M. détermine les grandes mesures de sa politique et de ses opérations militaires d'après les convenances de la présidence de Fribourg, et qu'elle mette Mr de Sumeraw dans la confidence de ses projets, pour qu'il puisse juger et dire son avis, si ces projets peuvent s'accorder avec les interêts des habitants du Brisgau. Mais mon Dieu! Qu'est-ce que c'est que ce petit coin du Brisgau vis-à-vis du reste de la monarchie! Et si l'empereur voulait demander successivement les chefs de ses provinces sans doute bien autrement considérables, sur ce qu'il a à faire, où en serait S. M.*[Quar02]. *Es ist eine seltsame Überheblichkeit anzunehmen, dass SM die großen Linien seiner Politik und seiner militärischen Operationen nach dem Belieben der Freiburger Präsidentschaft ausrichtet und Er Herrn von Sumerau ins Vertrauen seiner Vorhaben zieht, damit der darüber urteilen und seinen Meinung geben kann, ob diese Vorhaben mit den Interessen der Bewohner des Breisgaus übereinstimmen. O mein Gott! Was hat denn das stille Örtchen Breisgau für eine Bedeutung gemessen an der gesamten übrigen Monarchie. Und wenn der Kaiser die Chefs seiner Provinzen, die ohne Zweifel in anderer Hinsicht bedeutend sind, nacheinander fragen würde, was er tun soll, wo wäre SM dann.
Général Vendémiare
Dieweil macht sich in Paris Unmut über das korrupte fünfköpfige Direktorium breit. Ein blutrünstiger Pöbel zieht durch die Straßen der Hauptstadt. Hier erkennt ein junger Artillerieoffizier seine Aufstiegschance. Napoleon Bonaparte lässt aus den Tuilerien 40 Geschütze kommen und vor dem Regierungssitz abprotzen. Als am Morgen des 13. Vendémiare VI (5. Oktober 1795) das aufgebrachte Volk die Rue St. Honoré heraufkommt, lässt Napoleon in die Menge halten.
Der Graf von Provence und der Herzog von Enghien (Condé)
Anfang 1796 kommt der Comte de Provence, Louis (1814-1824), der Bruder des 1793 guillotinierten Louis XVI (1774-1793) nach Freiburg, in das sich viele französische Adelige geflüchtet hatten und trifft sich in Ettenheim mit dem Condé, den Duc d'Enghien. Louis muntert die königstreuen Truppen auf: Voilà le roi de France, votre mâitre et comme je l'espère bientôt votre père* [Rieg23]. Das wird er allerdings nach dem Sturz Napoleons erst 1814 als Louis XVIII. *Hier bin ich, der König von Frankreich, Euer Herr und bald, wie ich hoffe, Euer Vater.
Als am 23. Juni 1796 die Franzosen wirklich über Kehl in das Breisgau eindrangen, und die österreichischen Vorposten zurückzuwerfen anfingen, werden die Condéschen Hilfstruppen dringend benötigt [Schr25]. Während der Befehlshaber der Rheinarmee Jean-Victor Moreau mit 32 000 Mann den Fluss überschreitet, flieht der badische Markgraf Karl Friedrich (1771-1811) auf Einladung des preußischen Königs nach Ansbach.
Freiburg kämpft für Kaiser und Vaterland
Am 7. Juli (1796) kam das Bürgercorps bei Wagenstadt und Tutschfelden unter dem Maior und Stadtrath Ignaz Caluri und Sumeraus Schwager General Max Freiherr von Duminique, gegen die Division Ferino, in das Feuer; und focht mit Auszeichnung und nicht ohne Verlust [Schr25]. Zwar leidet Duminique, ein Franzose royalistischer Gesinnung, an den Folgen eines Schlaganfalls, doch er gibt nicht auf: Mein Kopf ist geschwächt, meine Hand zittert häufig, aber mein Herz schlägt doch mit Kraft. Anfänglich heißt es noch: Victoria! die [französischen] Patrioten sind geschlagen. Unsere Freiwilligen feuerten wie Höllenschlünde, machten Gefangene und Todte genug. [Die Freiburger] fochten wie die Löwen und ihre Gesichter waren vom Pulverdampfe ganz geschwärzt [Bade82]. Auf einer Tafel, die heute noch am Martinstor hängt, bescheinigt Caluri seinen Milizionären den heldenhaften Widerstand. Ein wohl seltener Fall, dass ein General seinen Truppen ein Denkmal setzt.
Doch sah sich bald der ganze Landsturm, aus Mangel an gehöriger Unterstützung von Seite des Militärs, genöthigt, schleunigst den Rückzug anzutreten. Schon den 16. Juli rückte der feindliche Vortrab in die Stadt ein, hielt aber gegen alles Erwarten die beste Ordnung und Mannszucht [Schr25]. In einer Erklärung des französischen Stadtkommandanten General Mengaud vom 19. Hitzemonat im 4. Jahre der Republik (1796) an den Stadtrat heißt es: Wenn unsere siegreichen Waffen die Provinzen von Deutschland durchziehen, so geschieht dies nur, um Europa den Frieden zu geben. Seien Sie versichert meinen Herren! die französischen Republikaner sind und werden sein Ihre wahren Freunde [Rieg23]. Alles nur Lippenbekenntnisse, denn in Freiburg haust eine ungezügelte Soldateska. Den Truppen auf dem Fuß folgt Monsieur Parcus, directeur général des revenue du pays conquis sur la rive droite du Rhin, als Administrator, der auch gleich seinem Titel gemäß dem Breisgau die ungeheure Summe von 1,5 Millionen Livres abverlangt [Bade82].
Erzherzog Karl, der Franzosen Schreck
Doch nun greift der Bruder des Kaisers und Generalissimus der Rheinarmee Erzherzog Karl (1771-1847) ins Kriegsgeschehen ein. Nach dem Entsatz von Mainz, Mannheim und Philippsburg marschiert der Franzosen Schreck 1796 in Richtung Oberrhein bis Offenburg. Der noch im nämlichen Jahre erfolgte berühmte Moreau'sche Rückzug, bei dem sich Verfolgte und Verfolger gleichmäßig durch Freiburg drängten, brachte die Stadt wieder an die Oestreicher. Freiburg hatte den 21. October die Freude, den damaligen Retter Deutschlands, den siegreichen Erzherzog Karl, im Kreise seiner Generäle durchziehend, zu erblicken.
Noch mehr wurde diese Freude vergrößert, als Erzherzog Karl den 30. Januar des folgenden Jahres (1797) unter dem Donner des Geschützes und dem Geläute der Glocken wieder zurückkehrte [Schr25]. Der Jubel ist unbeschreiblich: Es lebe Erzherzog Karl, unser und Deutschlands Retter; es lebe der Kaiser! [Bade82]. Bürger, dreißig an der Zahl, spannten die Pferde von seinem Wagen und zogen den menschenfreundlichen Herrscher im Triumph zu seiner Wohnung im Kommanderiegebäude [Albe25]. Johann Georg Jacobi verfasst ein Lobgedicht auf den Befreier, den die Universität anschließend zum rector universitatis Friburgensis in perpetuum ernennt.
Aus dem Munde des jungen Kaisers Franz tönt überschwängliches Lob: Dieser ausgezeichnete Patriotismus, diese treuevolle Anhänglichkeit und Liebe für den Souverain, den Staat und die gute Sache, kann allen anderen Volksstämmen zum Beispiele dienen; immer aber wird mir das lobenswerthe Benehmen meiner so guten und anhänglichen Vorderösterreicher unvergeßlich bleiben [Bade82]. Zweiundzwanzig Jahre später, als nach dem Wiener Kongress der Breisgau endgültig an Baden fällt, muss der Monarch seine Worte dann wohl vergessen haben.
So kommt die Condé'sche Einquartierung, um uns wieder äußerst hart mitzunehmen
Die Condéschen Truppen anfänglich willkommene und notwendige Bundesgenossen gegen die revolutionären Franzosen machen sich, nachdem der Breisgau von den Revolutionstruppen befreit ist, bald durch Zuchtlosigkeit unbeliebt: Kaum hatten wir das Glück durch Siege der österreichischen Waffen endlich von den französischen Räuberhorden befreit zu sein und uns von dem erlittenen Elende etwas erholen zu können, so kommt die Condé'sche Einquartierung, um uns wieder äußerst hart mitzunehmen. Denn nicht allein wollen die Condéer für Kost und Quartier nichts bezahlen, sie fordern mit Ungestüm auch noch Haber, Heu und Stroh. Alle Vorstellungen sind umsonst; unsere Scheuern werden gewaltsam aufgebrochen, die Vorräthe weggenommen und verschwendet. Hinzu kommen die verderblichen Einflüsse der Emigranten, die zum Teil über beachtliche Geldmittel verfügen, auf die Sitten der Breisgauer. Dazu gehören Spielsucht, schamlose Bälle und Orgien in Bordellen.
Da schreibt der landständige Konsess (die Ständvertretung) in Freiburg an die vorderösterreichische Regierung in Innsbruck: Wenn des Condé'sche Corps nicht in Bälde aus dem Lande geschafft wird, so steht die nahe Gefahr bevor, es dürfte das wegen des Landsturms bewaffnete Volk zur Selbsthilfe greifen, und zwar desto eher, als dasselbe sich's nicht nehmen läßt, daß unter den Condéern mehrere vom Nationalconvent besoldete Spione stecken, welch durch reisen und Briefe über Basel an unserem Vaterlande eine gefährliche Verrätherei begehen [Bade82].
Der Kampf um Norditalien
Schon seit Urzeiten zieht es den deutschen Menschen vom nebelichten Nord hinten [Rose01] über den Brenner, um unter der Sonne des warmen Südens seine rheumatischen Beschwerden zu lindern. Barbarossas (1152-1190) Kämpfe um die Beherrschung Norditaliens sind legendär. Karl V. (1519-1556) wehrte sich ein Leben lang gegen die Gebietsansprüche François' I (1515-1547), die wohl entstanden, als die Franzosen die italienische Küche schätzen gelernt hatten, sie dann anschließend allerdings flugs als ihre eigene ausgaben.
Auch die späteren Habsburger streben gen Süden. Sie erwerben 1748 im Aachener Frieden die Lombardei und die Toskana. Zwischen beide Gebiete schiebt sich wie ein Riegel das Herzogtum Modena, welches sich die Österreicher zur Arrondierung ihres Besitzes in Norditalien gerne einverleibt hätten. Wie bei den Habsburgern üblich, soll es eine Heirat richten. Also verlobt Maria Theresia (1740-1780) 1753 ihren dritten Sohn Erzherzog Leopold (1774-1792) mit der einzigen Tochter des Modenischen Erbprinzen Herkules III. (1780-1803), der erst dreijährigen Beatrix (1750-1829).
Als nun 1761 der Kaiserin zweiter Sohn und Großherzog der Toskana Karl (1745-1761) stirbt, wird Leopold dessen Erbe. Schnell wird der Ehevertrag umgeschrieben, hat doch Maria Theresia noch weitere Söhne. Beatrix' Bräutigam ist jetzt der siebenjährige Erzherzog Ferdinand (1754–1806). Dazu meint der österreichische Außenminister Fürst Kaunitz lakonisch: Es ist ja nur ein Wechsel des Vornamens. Die Hochzeit zwischen Ferdinand und seiner vier Jahre älteren Braut findet im Jahre 1771 in Mailand statt und somit scheint der Anfall Modenas an das habsburgische Haus nur noch eine Frage der Zeit [Kage81].
Um das Kriegsglück in Oberitalien zu wenden, macht das Direktorium den Retter von Paris den Général Vendémiare zum Oberbefehlshaber der Armée des Alpes. In seinem Blitzfeldzug 1796/97 schlägt Napoleon mit nur 40 000 Mann in Norditalien die Österreicher in mehreren Schlachten entscheidend. Heine erzählt eine Anekdote, wie Napoleon zu Udine eine Entrevue mit Kobentzel (dem österreichischen Verhandlungsführer) hat und im Eifer des Gesprächs das Porzelan zerschlägt, das Kobentzel einst von der Kaiserin Catharina erhalten und gewiß sehr liebte. Dieses zerschlagene Porzelan hat vielleicht den Frieden von Campo Formio herbeigeführt. Der Kobentzel dachte gewiß: Mein Kaiser hat soviel Porzelan, und das giebt ein Unglück, wenn der Kerl nach Wien käme und gar zu feurig in Eifer geriethe - das beste ist, wir machen mit ihm Friede [Hein40]. In der Tat, in Campo Formio (eigentlich Campofórmido) diktiert Napoleon, ohne sich um den Willen des Direktoriums im fernen Paris zu kümmern, den Besiegten seinen Frieden.
Dem besten Landesfürsten mit mehrer Treue und Anhänglichkeit zugethan
Im Breisgau tauchen Gerüchte auf, dass Österreich in den Friedensverhandlungen von Campo Formio die Vorlande aufgeben wolle. Sumerau meint, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Ich will gern glauben (weil ich mir das Gegentheil davon nur gar nicht vorstellen kann), daß nicht der entfernteste Gedanke jemals gewesen sey, die so ausgezeichnet treu ergebensten Vorlande von der österreichischen Monarchie abtrennen zu lassen. Als die Gerüchte sich verdichten, schreiben Sumerau und der Konsess (Ständerat) an Außenminister Thugut: Die Niedergeschlagenheit ist nicht zu beschreiben, die dieser hoffentlich falsche, und vielleicht nur von unserer neidischen Nachbarschaft erdichtete Ruf in dem ganzen Lande verursacht. Beschwörend fahren sie fort: Kein Volk der Welt kann dem besten Landesfürsten mit mehrer Treue und Anhänglichkeit zugethan seyn, als es die Vorländer gegen S. M. und das allerdurchlauchtigste Erzhaus sind, wovon sie auch die ursprünglich ersten und ältesten Stammesunterthanen zu seyn sich rühmen [Quar02].
Das mag in Wien beeindrucken, rührt aber Napoleon nicht. In einem ersten Anlauf zur Neuordnung Europas muss Österreich seine Niederlande an Frankreich abtreten. Weiter fasst Napoleon die kleinen Fürstentümer Mailand, Modena, Ferrara, Bologna und die Emilia-Romagna in eine von Frankreich abhängige Cisalpinische Republik zusammen. Damit ist auch der modenische Herzog Herkules III. seiner italienischen Besitzungen ledig und wird dafür zum Landesherrn des Breisgaus bestimmt: Sa majesté l'Empereur s'oblige à céder au duc de Modène en indemnité des pays, que ce prince et ces héritiers avoient en Italie, le Brisgaw, qu'il possédera au mêmes conditions que celles en vertu desquelles il possédoit le Modenois [Bade82]. *Seine Majestät der Kaiser verpflichtet sich, dem Herzog von Modena als Entschädigung für die Länder, welche der Fürst und dessen Erben in Italien besaßen, den Breisgau abzutreten, den er unter denselben Bedingungen besitzen wird, unter denen er Modena besaß.
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Fiat voluntas domini Napoleonis
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Doch Herkules gebietet nun statt über 380 000 nur noch über 150 000 Seelen und seine jährlichen Staatseinnahmen gehen von über einer Million Gulden auf ein Zehntel zurück. Natürlich ist er mit dem Gebietstausch unzufrieden und erwägt sogar, den Breisgau für sechs Millionen Gulden an den Markgrafen von Baden zu verkaufen [Albe06a]. Schließlich weigert der Herzog sich, sein neues Territorium zu übernehmen. Somit bleibt der Breisgau de facto zunächst habsburgisch.
In einem geheimen Zusatzprotokoll zum Friedensschluss von Campo Formio zieht Österreich mit Preußen amoralisch gleich, indem es ebenfalls der Abtretung aller linksrheinischen Reichsgebiete an Frankreich zustimmt einschließlich Mainz, der Hauptstadt des ehrwürdigen Kurfürstentums und des Erzkanzlers. Dafür dürfen sich die Österreicher Istrien und Venetien einverleiben.
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