Ulrich von Hutten
auf 80 DPfennig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freiburgs Geschichte in Zitaten

Die Reformation 
oder wie Deutschland im Glauben gespalten ward

 

Die ach so missverstandene teutsche Freiheit

 

Ulrich von Hutten, der 1518 noch auf lateinisch jubelt: O saeculum, o litterae, juvat vivere!* schreibt 1520 wie Luther in der Muttersprache und dichtet über die herrschenden Verhältnisse in den teutschen Landen in der  Clag und vormanung:

*Oh Jahrhundert, oh Wissenschaft. Es ist eine Lust zu leben!

 

Dar durch dis Nation beschwert
gantzs teüsches land vertucket hert
latein ich vor geschrieben hab.
Das war eim yeden nit bekant
yetzt schrey ich an das vaterland.
Teutsch Nation in irer sprach
zu bringen diesen dingen rach ...
und gegen die römische Verknechtung:
Ich bitt dich herr Gott gib genadt
das werd gefreyet teütsches landt
deim volck dein rechter glaub bekandt.
Sie nemen uns all freyheit ab ... [Schm99].

 

Doch dann geht er in seinem Dialog Vadiscus oder Die Römische Dreifaltigkeit direkt die Kurie an, die nur der Teutschen Geld will:

 

Und nehmen stets von Teutschen Geld,
Dahin ihr Prattik ist gestellt.
Und finden täglich neuwe Weg,
Daß Geld man in den Kasten leg.
Do kummenTeutschen umb ihr Gut.
Ist niemand, den das reuen tut?
Und daß die Summ ich red darvon,
die Bullen, so von Rom hergohn,
verkehren Sitten weit und breit,
dardurch würd böser Som gespreit.

 

Und von Hutten ruft zur Gewalt auf:


Dieweil es nun ist so gestalt,
so ist vonnöten mit Gewalt
den Sachen bringen Hilf und Rat,
herwider an der Lugen Statt
die göttlich Wahrheit führen ein,
die hat gelitten Schmach und Pein,
den falschen Simon treiben aus,
daß halt Sankt Peter wieder Haus.
Ich habs gewagt
[Schi88].

 

Von Hutten dichtet nicht nur, er schreibt auch Prosa: In Rom ist alles käuflich, das ist die Stadt um deretwillen wir uns das Geschwärm der Mönche und die Grausamkeit der Inquisitoren gefallen lassen. Das ist die Stadt, wohin deutsches Blut und deutsches Geld in Strömen fließen, das ist die Stadt, die uns arm gemacht hat und immer ärmer machen wird. Die Herrschaften in Rom sitzen auf den Tränen der deutschen Bauern und lachen über des Deutschen Blödigkeit [Goer04]. In der Hoffnung, in Luther einen Bundesgenossen zu haben, schreibt ihm von Hutten im Juni 1520: Verfechten wir die gemeinsame Freiheit: Befreien wir das unterdrückte Vaterland! [Schi88].

 

Doch Luther lehnt ab: Ich will nicht, daß mit Gewalt und Mord für das Evangelium gestritten wird. … Durch das Wort sind Welt und Kirche gerettet, sie werden auch durch das Wort erneuert werden [Schi17] und veröffentlicht im November 1520 seine bedeutendste Schrift Von der Freyheyt eyniß Christenmenschen.

 

Luther leitet sein Bekenntnis mit einem Vers aus dem ersten Paulus-Brief an die Korinther (1. Kor.9,19) ein: Ich bin frei in allen Dingen und hab mich zu eines jeden Knecht gemacht.

 

 Das klingt dann in den Worten des Reformators so: Eyn Christen mensch ist eyn freyer herr über all ding und niemandt unterthan. Eyn Christen mensch ist eyn dienstpar knecht aller ding und yederman unterthan, denn für Luther bedeutet die neue seelische Freiheit der Glaubenden ein Leben in der Gnade Gottes und keine Abkehr von den Zehn Geboten. Bruder Martin fordert von den Menschen Nächstenliebe frei, willig, fröhlich und umbsonst aus wirklichem Gehorsam gegen Gott und auch den Obrigkeiten gegenüber [Rabe89], hat er doch bei Paulus im Brief an die Römer Vers 13 gelesen: Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. 2 Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. 3 Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. 4 Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. 5 Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. 6 Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht. 7 So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.

 

Für Hutten jedoch weht mit dem Reformator ein Wind der Freyheit übers Land, der zur Einheit des Reichs losgelöst von Rom führen soll. Wenn Luther nicht will, so fordert Hutten seine Landsleute auf:

 

Erbarmt Euch übers Vaterland,
Ihr werten Teutschen, regt die Hand.
Jetzt ist die Zeit, zu heben an.
Um Freiheit kriegen. Gott will's han.

 

 

Zwei Reiche

 

 In dieser missverständlichen Situation gilt es, Klarheit zu schaffen, und so verfasst Luther 1523 seine Schrift Von welltlicher uberkeytt wie weytt man yhr gehorsam schuldig sey. Im Teil von der weltlichen uberkeyt und yhrem schwert, wie man des selben Christlich brauchen folgt er dem hoch gelobten Fürstenspiegel, den Erasmus von Rotterdam dem jungen Karl V. gewidmet hatte [Schi17].

 

Zum andern will die Schrift klären, wie weit der Christenmensch seinem Fürsten, d. h., wie weytt man yhm gehorsam schuldig sey, besonders dann, wenn Obrigkeiten ihre Untertanen immer stärker bedrücken. Da jedoch die gewallt, die allenthalben ist, aber von Gott verordnet ist, unterliegen alle, die Gott nicht zur Regierung berufen hat, der Gehorsamspflicht, wollen sie nicht gottis ordnung widderstehn.  

 

Den Obrigkeiten bescheinigt Luther, dass sie Schwierigkeiten hätten, die himmlische Seligkeit zu erreichen; sie sind ein seltenes wiltprett ym hymel. Sie sollen bedenken, dass Gottis wortt sich nit lencken noch beugen wirt nach den fürsten, sondern die fürsten sich nach yhm lencken müssen und sie sich nicht zu weyt strecke(n) und Gott ynn seyn reych und regiment greift(en) dürfen. So müssen si jah das bekennen, das sie keyn gewallt über die seelen haben. Denn es kann yhe (eh) keyn mensch eyn seele tödten odder lebendig machen. Uber die seele kan und will Gott niemant lassen regirn denn sich selbs alleyne. Der Christenmensch hat das Recht und die Pflicht, sich in solch heymlich, geystlich, verporgen ding, als der glawb ist, (selbst) zu richten und meystern [Schi17].  

 

Die Grundeinstellung Luthers zum weltlichen und göttlichen Reich zeigt sich deutlich 1534 im Falle des Hans Kohlhase, der gewaltsam sein Recht durchsetzt, nachdem ihm die weltliche Gerichtsbarkeit seiner Ansicht nach dazu nicht verholfen hat. Auf seine Bitte um Rat schreibt ihm Luther, er möge ablassen von Gewalt, denn es ist Sünde und Büberei wissentlich so viel Leute (zu) verderben, (wozu) Ihr kein Recht habet. Nehmt Frieden und geht den Rechtsweg. Könnt Ihr das Recht nicht erlangen, so ist kein ander Rat da, denn Unrecht zu erleiden [Schi17], denn Gott will es.

 

 

Ecclesiae Rhenanae

 

Im Jahre 1518 hatte der ehemalige Dominikaner und Straßburger Prediger Martin Bucer an der bereits erwähnten theologischen Disputation in Heidelberg teilgenommen und schreibt darüber an den elsässischen Humanisten Beatus Rhenanus: Ich will Dir einen Theologen entgegenhalten, zwar keinen von den unsrigen, der aber dieser Tage bei uns (in Heidelberg) zu hören war ... Es ist Martin Luther, jener Kritiker der Ablässe, mit denen wir (am Oberrhein) bisher viel zu nachsichtig waren ... Mit Erasmus [von Rotterdam] stimmt er in allem überein, außer daß er ihn in dem einen zu übertreffen scheint, das, was jener nur andeutet, dieser offen und frei verkündet. Im Jahre 1522 wird Bucer Vikar in Weißenburg und predigt dort sechs Monate lang das neue Evangelium. Da macht sich der Bischof von Basel große Sorgen und schreibt ganz unberechtigt über die gut katholischen Türkheimer: Als wollen die von Türken gern abfallen und gern Lutterisch werden [Vogl09].  

 

Für Bucer dagegen ist die lutherische Richtung in Straßburg vorgegeben, doch stößt er bei der Umsetzung der Reformation im Elsass auf große Schwierigkeiten. Darüber beklagt er sich zusammen mit anderen Prädikanten in einem Brief, den er 1525 nach Wittenberg schickt:  Nam Ecclesiae Rhenanae plurimum obnoxiae sunt pontificiae tyrannidi, tum quod Italiae vinciniores, tum quia tota haec regio, quae latissime patet, occupata est ab ecclesiasticis; illi freti potentia, nummis, favore magnatum* [Smol02].

*Denn die rheinischen Kirchen, sind aufs Höchste der päpstlichen Tyrannei verfallen, einmal, weil sie nahe bei Italien liegen, dann, weil diese ganze Region, die weit offensteht, von Kirchenleuten okkupiert ist. Diese Leute stützen ihre Macht auf das Geld und das Wohlwollen der reichen Leute.

 

Die Situation ist jedoch nicht ganz so schwarz, wie Bucer sie darstellt, sondern eher angespannt. So erlebt Hagenau Ostern 1525 den Besuch des Straßburger Reformators Wolfgang Capiton, der in seiner Geburtsstadt Hagenau den neuen Glauben predigt und die Kommunion in beiderlei Gestalt austeilt, während zur gleichen Zeit der aus Straßburg vertriebene fanatische Katholik Jérôme Guebwiller die örtliche Lateinschule übernimmt. Die Reformation stellt die Dekapolis auf eine Zerreißprobe. Während für viele deutsche Fürsten die neue Religion die Möglichkeit eröffnet, sich gegenüber der katholischen Majestät zu profilieren und emanzipieren, proben die zehn Städte die Versöhnung, den religiösen Kompromiss.

 

 

 

 

Martin Luther von Lukas Cranach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thomas Müntzer

Kein Walch soll uns regieren, darzu kein Spaniol

 

Die evangelische Lehre ist im Volk populär und wird mehr und mehr ganz im Sinne Huttens mit den Tugenden deutscher Freiheit und Einigkeit verbunden, ja die Reichsstände werden aufgerufen, sich welschen Einflüssen zu erwehren:

 

wolauf ihr frommen Deutschen,
so schlagt mit freuden drein ...
stecht in die spanisch säu und hund,
wie die frösch und lehrt sie rund,
was heißt die Deutsche pochen !

 

 Kaiser Karl wird wegen seiner Opposition gegen die Anhänger Luthers von vielen nicht mehr als Deutscher betrachtet:

 

Kein Walch soll uns regieren,
darzu kein Spaniol;
sie thun uns nur verfüren
sind aller untrew voll ...

 

 

Los von Rom?

 

Im April 1524 beschließt der Reichstag zu Nürnberg in einem Abschied, dass jeder Stand vorerst so viel als möglich dem Wormser Edikt, d. h. der Rückkehr zum alten Glauben, nachkomme und dass vom Papst baldigst ein Konzil in Deutschland einberufen werden solle. Weil man die Beschwerungen des Wormser Reichstags von 1521 aber nicht vergessen hat, unterstützen in Nürnberg alle Stände, alle Bischöfe und selbst Erzherzog Ferdinand die Bildung einer Ecclesia Germanica, zu der sich am 11. November, dem Martinstag (sic!) des gleichen Jahres, eine gemeine Versammlung aller Stände deutscher Nation in Speyer sich neuerdings vereinige [Ober03]. Eine deutsche Kirche soll den Anhängern Luthers den Wind aus den Segeln nehmen. Doch Kaiser Karl aus dem fernen Spanien winkt ab, denn er möchte sein gespanntes Verhältnis zum Papst nicht noch weiter belasten.

 

Bauernunruhen am Oberrhein

 

Es scheint, dass die Bauern Luthers Schrift Von welltlicher uberkeytt wie weytt man yhr gehorsam schuldig sey garnicht und nur den ersten Satz Von der Freyheyt eyniß Christenmenschen gelesen haben. Die Einleitung der Schrift haben sie wohl nicht verstanden und sicherlich sind sie nicht bis zum Ende des Textes gekommen, dort, wo es heißt: Ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus und seinem Nächsten, in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe [Goer04].

 

Im Juni 1524 bricht zunächst im Südschwarzwald  in der Herrschaft Stühlingen ein Bauernaufstand aus. Der radikale Thomas Müntzer kommt über Basel in den Klett- und Hegau. Er legt den Bauern das Evangelium auf seine Weise aus und predigt den Aufstand gegen die Herrschenden: Es sind die Herren, die nur fressen und saufen und schmausen, Tag und Nacht suchen und danach trachten, wie sie sich ernähren und viel Pfründen kriegen [Schw09]. Damit schürt Müntzer einen Aufruhr, der sich im Frühjahr 1525 vom Hegau über die Baar und das Markgräflerland bis in den Breisgau verbreitet und sich mit einer Erhebung im Elsass vereinigt. Die katholische Seite sieht in diesen Aufständen  die erste Frucht des Lutherischen Evangelii [Kieß02]. Neben diesen evangelischen Einflüssen machen die geistlichen und weltlichen Herren am Oberrhein auch ausländische Einmischung seitens des zwinglianischen Zürich verantwortlich.

 

 

Dran, dran, dyeweyl das feuer hayß ist!

 

Müntzer hatte schon ein Jahr zuvor unter den Bergleuten von Mansfeld eine geheime militärische Organisation gegründet, die sich Bund der Auserwählten nennt und dem auch viele Bürger der Stadt angehören. Im thüringischen Mühlhausen gründet er einen Gottesstaat und ruft 1525 im Manifest an die Mansfelder Bergknappen zum Aufstand auf: Das volck wirdt frey werden und Gott will allayn der herr daruber seyn [Goer04]. Das ganze deutsche, französische und welsche Land ist wach. Der Meister will ein Spiel machen, die Bösewichter müssen dran ... Wenn Euer nur drei sind, die in Gott gelassen allein seinen Namen und Ehre suchen, werdet Ihr hunderttausend nicht fürchten. Fangt an und streitet den Streit des Herrn! Nun dran, dran, dran! Es ist hohe Zeit. Die Bösewichter sind verzagt wie Hunde ... Sehet nicht an den Jammer der Gottlosen! Sie werden Euch so freundlich bitten, greinen, flehen wie die Kinder. Lasset Euch nicht erbarmen ... Dran, dran, dyeweyl das feuer hayß ist! Lasset euer schwerth nit kalt werden, lasset nit vorlehmen! Schmidet pinkepanke auf den ambossen Nymroths werfet ihne den thorm (Turm) zu bodem! Es ist nit mugelich, weyl sie leben, das ir der menschlichen forcht soltet lehr werden. Mann kan euch von Gotte nit sagen, dieweyl sie uber euch regiren. Dran, dran, weyl ir tag habt, Gott gehet euch vor, volget, volget! [Crai82, Rabe89, Schi88].

 

Luther warnt seinen Kurfürsten Friedrich den Weisen vor dem aufrührerischen Geist Müntzers und veröffentlicht 1525 gegen das religiöse Schwärmertum die Schrift Wider die himmlischen Propheten.

 

 

Beschwerung und freuntlich begeren mit angehefftem Christlichem erbieten der gantzen bawerschafft So itzund versamlet yn zwelff hawbt Artickel auffs kurtzist gefuget

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ermanunge zum Fryde auff die zwölff Artickel der Bawrschafft in Schwaben.

Mar. Lut.

Wittemberg. M.D.xxv.

 

 

Wider die mordischen vnd reubischen Rotten der Pawren.

Martinus Luther.

Wittemwerg.

Psalm VII,17: Seine tückwerden jn selbs treffen, Und sein mutwill wirdt über jn außgehen.

 

Der Bauer stund auf im Lande

 

Hernach anno domini 1525 ist die ufrur de paurn schier durch die ganz deutsch nation entstanden, also das solchs vil mere ain plag oder straf Gottes über reich und arm, edel und unedel, dann ain krieg hat sollen gehaißen werden [Schi88].

 

In diesem großen Bauernkrieg spielt Geschriebenes eine entscheidende Rolle. Zwar können die meisten Bauern nicht lesen, doch das gedruckte Wort, so besonders die Handlung, Artickel unnd Instruction so fürgenommen worden sein vonn allen Rottenn unnd hauffen der Pauren so sich zesamen verpflicht haben: MDXXV tragen zur Verbreitung der gleichen aufrührerischen Ideen von Schwaben bis Thüringen, von Brandenburg bis Bayern bei. Unter dem Einfluss der Grundlegenden und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, von welchen sie sich beschwert fühlen bildet das Landvolk brüderliche Vereinigungen, findet sich zu christlichen Versammlungen  oder rottet sich zu evangelischen Haufen zusammen, in denen sie dem Evangelio gewertig und der Gerechtigkeit beistendig sein wollen. Hie ist weder knecht noch herr, wir seind allzumal ayner in Christo [Goer04].

 

 

Als Adam pflügte und Eva spann, wo war denn da der Edelmann [Kort]. Relief am Freiburger Münster

Die Bauern untermauern ihre alten Forderungen von 1513 nun evangelisch und bedienen sich der Übersetzung eines während der Peasants' Revolt 1381 in England von John Ball geprägten Spruchs: Whan Adam dalf and Eve span was thanne a gentilman.  Der Kleinzehnt, die decima minora*, von Obst und Vieh soll abgetan werden, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen. Dabei will man Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit in allen gebührenden und christlichen Sachen zeigen [Rabe89]. Zu den Forderungen gehört auch die freie Pfarrerwahl, daß der selbige erwählte Pfarre soll uns das heilige Evangelium lauter und klar predigen, ohn allen menschlichen Zusatz, Lehr und Gebot und ganz im Stile Luthers: Es ist unser Beschluß und redliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären, ... von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt [Scho03].

*Es war schon immer üblich gewesen, dass die Bauern ihren Herren ein Zehntel von allen Feldfrüchten abgaben. Doch nun wollen die Herrschaften mehr Geld und erheben neu den zehnten Teil auch von Obst und Vieh.

 

In einer Schrift An die Versammlung gemayner Pawerschaft mögen die Bauern nicht mehr zwischen göttlichen und menschlichen Geboten unterscheiden: Ach Got diese Gebot mögent sich nicht vonainander schaiden, dann (denn) die Politica Gebotte siend auch divina, die den Gemainen Nutz trewlich fördern, ist nichts anders, dann die brüderliche Liebe trewlich zueerhalten, daz der Seligkeit höchste Verdienung aine ist [Grae04]. So etwas ist in teutschen Landen unerhört. Empört schreibt der bayrische Kanzler Leonard von Eck an seinen Herzog Wilhelm IV.: Aus den Begehren der Bauernschaft ersieht man, was die lutherische Lehre bewirkt. Wildbret und Fische frei und niemand nichts zu geben! Dieser Teufel ist nicht zu bannen ohne den Henker … Wir werden den Bauern nicht nachgeben. Wir würden dadurch unsere Reputation verlieren wie alte Huren. Der Bauern brüderliche Liebe ist mir ganz zuwider. Ich habe mit meinen natürlichen und leiblichen Geschwistern nicht gern geteilt, geschweige dass ich das mit Fremden und mit Bauern täte [Breu05].

 

 

Die Christliche Freyheyt gantz fleyschlich machen

 

Luther ist entsetzt über den Ausbruch von Gewalt, denn das heißt ja statt geistig die Christliche Freyheyt gantz fleyschlich machen [Desc04]. Das Missverständnis seiner Lehren gefährdet die Stabilität der bestehenden weltlichen Ordnung. Deshalb schreibt Luther gegen die mit den Forderungen der Bauern einhergehenden Ausschreitungen seine Ermahnungen zum Frieden auf die 12 Artikel der Bauernschaft in Schwaben. Allerdings geht er zunächst darin mit den Ausbeutern und Schindern ins Gericht: Was hülfs, wenn eines Bauern Acker so viel Gulden wie Halme und Körner trüge, wenn die Obrigkeit nur desto mehr nähme, und das Gut so verschleuderte mit Kleidern, Fressen, Saufen, Bauen und dergleichen, als wäre es Spreu? … Dazu tut ihr im weltlichen Regiment nicht mehr, als daß ihr schindet und Geld eintreibt, euren üppigen und hochmütigen Lebenswandel zu führen, bis es der gemeine Mann nicht länger ertragen kann und mag [Prei16]. Die Bauern haben zwölff artickel gestellet, unter wilchen etliche so billich und recht sind, das sie Euch fur Gott und der wellt den glimpff nemen (nehmen) [Schi17].

 

Und dann gibt Luther seiner Anklage eine theologische Richtung: Erstlich mügen wyr niemand auff erden dancken solchs unradts und auffruhrs, denn euvh Fürsten und herrn, sonderlich euch blinden Bisschoffen vnd tollen Pfaffen vnd München (Mönchen), die yhr noch heuttigs tages verstockt, nicht auffhöret zu toben vnd wüten wider das heylige Euangelion ... und warnt die da oben: Das Schwert ist euch auf dem Halse; dennoch meinet ihr, ihr sitzt so fest im Sattel, man werde euch nicht ausheben können … Und ob yhr sie (die Bauern) alle schlügt, so sind sie noch vngeschlagen, Gott wird andere erwecken ... denn: Es sind nicht die bawren, liebe Hernn, die sich widder euch setzen, Gott ists selber, der setzt sich widder euch, heymzusuchen ewer wueterey [Desc04, Prei16].

 

Schließlich ermahnt er die Bauern, dass sie nicht zu rechten und zu fechten haben, sondern grewlich unrecht zu leyden vnd das vbel zu dulden. Zwar: Die oberkeyt nympt euch vnbillich ewer gut, das ist eyn stuck. Widderumb nemet yhr der selben yhre gewallt, darynne alle yhr gut, leyb vnd leben stehet, drumb seyt yhr viel grösser reuber denn sie, vnd habts erger fur, denn sie gethan haben [Desc04]. Denn Christen, die streytten nicht fur sich selbs mit dem schwerd noch mit buchsen, sondern mit dem Creutz und leyden, Gleych wie yhrer hertzog Christus nicht das schwerd fuhrt, sondern am creutze hanget [Schi17].

 

 

Wider das Gaistloße Sanfft lebende fleysch zu Wittenberg

 

Luthers Mahnung an die rebellierenden Bauern findet nicht bei allen Zeitgenossen Zustimmung. Thomas Müntzer beschimpft Luthers Hochverursachte Schutzrede, sucht die Konfrontation mit der evangelischen Lehre und setzt einen Seitenhieb gegen den Doctor: Die Grundsuppe der Dieberei sind unsere Fürsten und Herrren, nehmen alle Creaturen zu ihrem Eigenthum, die Fisch im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden muß alles ihre seyn. Aber den Armen sagen sie: Gott hat geboten, du sollst nicht stehlen. Sie selber schinden und schaben alles, was da lebt; so aber ein Armer sich vergreift am Allergeringsten, muß er henken. Dazu sagt denn der Doctor Lügner Amen [WGB22].

 

Schließlich veröffentlicht seine Abkehr in der Protestation oder Empietung Tome Müntzers... seine lere betreffend und zu anfang von dem rechten christenglawben un der tawffe, in der er die Kindstaufe als vihisches affenspiel abtut [Rabe89].

 

In seiner Hochverursachte Schutzrede und Antwort wider das Gaistloße Sanfft lebende fleysch zu Wittenberg sowie Ausgedrückte Entblößung des falschen Glaubens der ungetreuen Welt schreibt Müntzer: Schlafe sanft, liebes Fleisch! Ich röche dich lieber gebraten in deinem Trotz durch Gottes Grimm in der Röhre oder im Topf beim Feuer; denn in deinem eigenen Sündlein gekocht, sollte dich der Teufel fressen. Du bist Eselsfleisch, du würdest langsam gar und ein zähes Gericht werden deinen Milchmäulern. Ganz in Stile der Zeit werden Müntzers Angriffe sehr persönlich. Er nennt Luther Erzheide und Vater Leisetritt, Lügner, Basilik, tückischer Kolkrabe, gottlosen Schelm, unverschämter Mönch und giftiges Würmchen mit beschissener Demut.

Als die Obrigkeit gegen die Aufständischen mit Gewalt vorgeht, antworten die Bauern mit Gegengewalt. Es kommt zu blutigen Auseinandersetzungen. Höhepunkt ist das Massaker von Weinsberg, bei dem am Ostersonntag 1525 der Bauernführer Jäcklein Rohrbach den Grafen Ludwig von Helfenstein und weitere Adelige durch die Spießruten schickt.

 

Bauern unter der Fahne des Bundschuhs fangen einen Ritter

 

Es ist des schwerts und zorns zeyt hie und nicht der gnaden zeyt

 

Nun beklagt sich Luther, dass seine Ermahnunge zum Fryde auff die Zwölf Artickel der Bawrschafft in Schwaben nicht gefruchtet haben und erklärt: Im vorigen Büchlein durfte ich die Bauern nicht verurteilen, weil sie sich zu Recht und besserem Unterricht erboten, aber ehe ich mich denn umsehe, greifen sie mit der Faust darein, rauben und toben und tun wie die rasenden Hunde. Kurzum, eitel Teufelswerk treiben sie. Derlei gräuliche Sünden wider Gott und Menschen laden diese Bauern auf sich, sodass sie mannigfältiglich den Tod an Leib und Seele verdient haben … dass sie solch schreckliche Sünde mit dem Evangelium rechtfertigen. Sie nennen sich christliche Brüder, womit sie die allergrößten Gotteslästerer und Schänder seines heiligen Namens werden. Ich meine, dass kein Teufel mehr in der Hölle sei, sondern dass sie allesamt in die Bauern gefahren sind …  [Breu05].

 

Schließlich bricht es aus Luther heraus und er wettert Wider die Mordischen vnd Reubischen Rotten der Pawren: Denn ein Fürst und Herr muss denken, wie er Gottes Amtmann und seines Zornes Diener ist, dem das Schwert über solche Buben befohlen ist, und der sich ebenso hoch vor Gott versündigt, wo er nicht straft und wehrt und sein Amt nicht vollführt, als wenn einer mordet, dem das Schwert nicht befohlen ist ... so soll nun die Obrigkeit hier getrost fortdringen, und mit gutem Gewissen dreinschlagen, solange sie eine Ader regen kann [Rabe89]. Die hie ist das Vortheil, daß die Bauern böse Gewissen und unrechte Sachen haben; und welcher Bauer darüber geschlagen wird, mit Leib und Seele verloren und ewig des Teufels ist … man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss ... [Crai82]

 

Drumb, lieben herren, loset hie, rettet hie, helfft hie, Erbarmet euch der armen leute, Steche, schlahe, würge hie, wer da kann, bleybstu drüber tot, wol dyr, seliglichern tod kanstu nymer uberkomen, Denn du stirbst ynn gehorsam göttlichs worts und befelhs Ro. am 13. (Röm 13,4) und ym dienst der liebe, deynen nehisten zurretten aus der hellen und teuffels banden. So bitte ich nu, flihe von den bawren, wer da kann, alls vom teuffel selbs. Die aber nicht flihen, bitte ich, Gott wollte sie erleuchten und bekeren. Wilche aber nicht zu bekeren sind, Da gebe Gott, das sie keyn glück noch gelingen haben müssen … Dunckt das yemand zu hart, der denke, das untreglich ist auffruhr, und alle stunde der wellt verstörung zu warten sey [Schi17]. Solche wunderliche Zeiten sind jetzt daß ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen verdienen kann baß, denn andere mit Beten [Crai82].

 

 

Niemalen rotterey noch auffruhr

 

Für Luther ist jegliche Obrigkeit von Gott verordnet und die hat nicht eyn rosenkrantz odder eyn blümlin von der liebe, sondern eyn blos schwerd. Christen müssen rechtschaffene, gehorsame, treue Untertanen sein und sind ihrer weltlichen Obrigkeit … Gehorsam und solchen Dienst schuldig [Schi17].

 

In seinen Tischreden bekräftigt er: Die Fürsten haben ein schweres und sehr hohes Amt; die Bauern schnarchen unterdessen in Sicherheit. Wenn ein Bauer die Gefahren und Mühe eines Fürsten kennte, würde er’s Gott danken, daß er ein Bauer und im glücklichsten Stande ist. Aber die Bauern sehen ihr Glück nicht; sie sehen nur die äußere Pracht der Fürsten, die Kleider, die Paläste, ihre Macht. Nicht aber sehen sie, daß Fürsten wie in einem Feuer und der Sintflut leben. Sie aber liegen hinter dem Ofen in Frieden [Preis16].

 

Ist eine Obrigkeit schlecht, so muss es sich um eine göttliche Strafe, um eine Prüfung für das Volk handeln und rechtfertigt in den Augen des Reformators niemalen rotterey noch auffruhr, denn die sind Teufelswerk: Es ist besser, dass alle Bauern erschlagen werden als die Fürsten und Obrigkeiten, und zwar deshalb, weil die Bauern ohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen [Schi17].

 

 

Da fielen die bauren zu jm bey hundert

 

Am linken Oberrhein beginnen die Bauernaufstände ebenfalls im Frühjahr 1525, wie der Stadtschreiber von Gebweiler Hans Stolze eindrücklich zu berichten weiß: In dem obgenandten jahr nach ostern, als die kilweyen anfohen (als die Kirchweihfeste begannen), da war ein unnützer bößer mensch in einem fleckhen, ligt bey Helfferskhilch (Helfrantzkirch im Sundgau), hieß Mathys Nithart, der nam etliche bauren mit jm und giengen in einen keller, der war einem pfaffen, hieß Hanß Berner, war ein kindt auß diser stadt, gar ein ungetreuwer man, war ein pfarrer zu Helfferskhilch. Da sie getrunckhen unnd foll (voll) waren worden, da kamen sie wider heim.

 

Da war so ein verruchter pfaff, der gieng in die kirch, da hieng ein freyes fendlin (nicht benutztes Fähnchen), das nam er unnd gieng mit auf den plaz unnd sprach: Wolher jr (Her zu mir ihr) landtzkhnecht! Da fielen die bauren zu jm bey hundert (ihm zu hunderten zu), unnd wurden eins miteinander unnd zugen wider gehn Helfferskhilch in Hanß Berners hauß unnd khommen andern (weitere) bauren auch zu jnen; der hauffen thet sich mehren. Da nammen sie dißem pfaffen Hanß Berner unnd theten jm schaden für fünff hundert gulden. Das thet jnen schmeckhen, der teuffel gesegne es jnen, er war taussendtfeltig bey jnen. Also teht sich der hauff je lenger je vester mehren im ganzen Sungaw unnd auf der Hardt, unnd alle clöster die auf dem landt wahren, die beraupten sie; Schönesteinbach*, das closter, wardt verbrent. An dem fünfften tag vor St. Gangolffs tag (6. Mai) nammen sie Sultz ein, aber die gemein zu Sultz haben solches auf unnß gethon (die Gemeinen von Sulz hatte das Gleiche mit uns vor), das sie jren alten neyd unnd haß an unnß möchten rechen [Stol79].

*ein Augustinerinnenkloster gelegen zwischen Ensisheim, Bebweiler und Mühlhausen

 

 

Da khommen die bauren für dise statt Gebweyler
 unnd begerten, das mir jnen solten schweren

 

An dem dritten tag vor St. Gangolffs tag (8. Mai), da khommen die bauren für dise statt Gebweyler unnd begerten, das mir jnen solten schweren. Da liessen wir die hauptleüth herein, da leßen sie unnß die articul, die wir halten solten (lasen uns die 14 Artikel vor, die wir beschören sollen). Also wolten wir auf diß mahl nicht schweren und hetten ein bedenckh (Bedenkzeit) biß morgen früeh. Da wür zu der burger hauß khommen, unnd vermeindten, wir wolten nit schweren den bauren, da war die nider rebstub und die mittel rebstub und der beckher stub*, die waren alle drey (drei der Zünfte) beyeinander in der nidern rebstub, unnd die ober rebstub, der metzger stub, der schneider stub unnd der schmidt stub alleinig vor der burger hauß stohn, dan dise vier zunfft unnd der ganzen roth haben gethon als frome ehrliche leuth; aber die drey zunfft haben die von Bergholz unnd Zell (Bergholz-Zell) bey jnen gehaben (bei sich gehabt) unnd seindt den bauren beygestanden, wan die vier obgenandte zunfft den buren wolten gewerth haben (den aufständischen Baueren wehren). Die von Buehel (Bühl), Zehl (Lautenbach-Zell) unnd die von Sengern, die wolten nit bey unnß bleiben; also muesten wir die bauren herrein lassen, Gott erbarmes...

*die drei Zünfte der nider rebstub der mittel rebstub und der beckher stub sympathisieren mit den aufständischen Bauern

 

Unnd da der rath getreuwlich mit unß redten und sprachen, wir solten die drey zunfft lassen gehn, wir wollen thun als frome leüth, da war einer, genandt Diebold Meyer, war in der obem rebstuben ein zunfft brueder, der fieng an zu fliehen, unnd war jme so noth, das er schier gefallen were, er hette es auch mit den bauren, dan er hat davorgesprochen, er wolt ein fueder wein geben, das die bauren in der statt weren, er war ein bößer vogel* [Stol79].

*Diebold Meyer hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich den aufständischen Bauern anzuschließen

 

 

Jr hertzen lachten jnen im leib, das sie jr boßheit möchten volbringen

 

Als man den bauren geschworen, da giengen sie in das Prediger closter (Dominikanerkloster) unnd nammen alles das darinnen war, und verkhaufften es alles, und war kein frembder weder von den bauren noch ander leüth, dan allein die in den closter gengen unnd alles das zerschlugen und verbrechen, dan die von Sultz ...  deßgleichen in der Engelport (Dominikanerinnenkloster) wie zu den Prediger; jr hertzen (Herzen) lachten jnen im leib, das sie jr boßheit möchten volbringen. Die von Sultz fluchten den bauren, das sie nit mit jnen in dise statt wellen khommen, dan sie vermeindten, sie wolten das wasser besehen haben noch jren alten neydt unnd haß (um sie hier bei ihren Tun und lassen zu unterstützen); Gott geb jnen den lohn. Ich hoff zu Gott unnd alle die sich wider ein ersame statt Gebweyler setzen (die sich gegen das ehrenwerte Gebweiler wandten), das Gott an jnen würdt rechen.

 

Die bauren fürten vill wein und korn und bey taussendt pfundt in parem gelt mit jnen auß dißer statt hinweg, unnd wolten für Ensißheim ziehen als der adel darin war, aber sie törfften nit darfür khommen; aber wo closter zu berauben weren unnd alle ding zunemmen (Dinge wegzunehmen), sonsten sind sie niehnen für nütz, das si Gott schend (ihnen nichts nützend, aber Gott schändend), alles das von kilchenschatz, buecher unnd heiltum, meßgewandt, kelch, nichts außgenommen, zu Murbach, hie zu den Predigern, zue Engelport ...

 

Die guethen vettern zu den Predigern unnd die closter frauwen muesten alle auß den clostern unnd andere kleidung anthun. In dem da wardt der bauren hauff gar klein, unnd zogen einer hieher, der ander dorthin; die theten wie die bueben [Stol79].

 

 

Der große Bauernkrieg sucht Freiburg heim

In vielen Städten, wie oben erwähnt in Gebweiler, regen die Aufstände der Bauern auch einige Zünfte zu Forderungen nach Mitspracherecht in den von den Patriziern beherrschten Räten an.  Nicht so in Freiburg, denn hier sind die Handwerker nach dem Debakel von Sempach schon seit 1386 an der Regierungsgewalt beteiligt, so dass so gerichtete reformatorischen Ideen hier auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Stattdessen möchte die Stadt allen aufrührerischen Anfängen wehren und schickt zur Verteidigung von Recht und Ordnung 100 Fußknechte nach Villingen, 50 nach Laufenburg und 20 nach Säckingen; Truppen, die so bitter fehlen, als Mitte Mai 1525 etwa 12 000 aufständische Bauern von allen Seiten gegen das verhasste, reaktionäre Freiburg marschieren [Scha35]. Die Aufständischen unter dem Hauptmann Hans Müller aus Bulgenbach im Klettgau hatten sich mit den Haufen aus dem Hegau, der Baar, dem Schwarzwald, dem Markgräflerland, dem Breisgau und der Ortenau vereinigt [Spec10].

 

Auf ihrem Weg dorthin legen die Aufrührer zunächst die historische Burg der Zähringer bis auf den heute noch sichtbaren Rundturm nieder. Die Vorstädte werden geplündert, die Stadt umzingelt, denn die Schwarzwälder hielten das Treisamthal und die benachbarten Berge besezt; die Obermarkgräfler lagerten auf der Hard bei Sanct=Georgen; die Niedermarkgräfler am Moswalde hinab und die Ortenauer beim Dorfe Zähringen. Man droht Freiburg dem Boden gleich zu machen; denn Fürsten, Prälaten und Adel fänden darin mit Leib und Gut ihre Zuflucht, und nirgends anderswo herrsche eine so gehässige Gesinnung gegen die Bauern [Bade82].

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zasius ein gebürtiger Konstanzer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Neubau des Hauses
Zum Ritter

am Münsterplatz von 1756

 

Der Bauerkrieg bricht hier aus - Gott sei uns gnädig!

 

Hinter die vermeintlich sicheren Mauern der Stadt hatten sich viele Adelige und Geistliche unter Mitnahme ihrer tragbaren Habe geflüchtet. Als der Belagerungsring geschlossen ist, jammern die gut katholischen Freiburger Bürger, die alle reformatorischen Bestrebungen ablehnen: Daraus uns dann gefolgt, daß wir von fürsten, herren, stetten, communen und sonderlich vom gemeinen mann allenthalben veracht, verspott und genydet sind.

 

Huldrichus Zasius schreibt: Der Bauerkrieg bricht hier aus - Gott sei uns gnädig! Er gibt an dem Aufruhr allein Luther die Schuld: Die Pest des Friedens, Luther, von allen zweibeinigen Geschöpfen das nichtswürdigste, hat ganz Deutschland in solch rasende Wut gestürzt, daß man es schon Ruhe nennen muß, wenn man nicht auf der Stelle zu Grunde geht [Neff88].

 

Von den rebellierenden Bauern umstellt sucht die Stadt bei der österreichischen Regierung, bei Fürsten und anderen Städten um Unterstützung nach, doch niemand kam zu Hülfe, vom Hegau bis nach Straßburg, vom wirtembergischen bis zum welschen Lande.

 

Zunächst wird der Krieg jedoch ganz im Stil der Zeit auf Papier ausgetragen. Da lesen sich die Forderungen der Bauern doch recht gemäßigt: unser begehr und meinung ist zu keiner zeit und noch auf diesen tag gewesen, Kais. Maj. noch Fürstl. Durchlaucht beschwerlichs und gewaltigs wider das göttlich recht und das evangelium abzubrechen und zuzufügen, sondern allein das schinden und schaben so bisher mit dem gemeinen armen mann gebrucht, wider Gott, ehr und recht, abzutun ... wir sigen auch nicht der meinung, K. M. und F. D. ihr städt und schloß zu unseren handen zu ziehen, sondern die große schinderei, das groß abnehmen, so dem arm mann wider das göttlich recht und das evangelium beschehen, abzutilgen und niederzulegen, der K. M. und F. D. an ihrer obrigkeit, so ihnen von göttlichen rechten, auch laut des heil. evangeliums zugehörig, unschädlich und unvergriffen ... Bei diesem regen Schriftverkehr geht den Belagerern schon nach zwei Tagen das Papier aus und so bitten sie die Belagerten: Schickt uns durch euren Stadtboten zwei Bücher Papier um unser Geld, wir haben euch auch Salz zugeschickt um euer Geld [Scha35].

 

 

Jwellen den Kilchenturm allhie dem zu Kirchzarten glichmachen

 

 Am Ende schreiten die Nachfahren der Bundschuhbewegung, die in Lutherey, Ketzerey und Uffrur ihre Emanzipation ertrotzen wollen, aber doch zum Angriff. Zunächst leiten sie das Wasser der Dreisam um und schneiden so die Stadt von der Brauchwasserversorgung ab. Anschließend besetzen Bauern des Schwarzwälder Haufens die Kartause und steigen von dort am 23. Mai 1525 den Schlossberg hinauf.

 

Es war ein schöner Maiabend des Jahres 1525, erzählt Ulrich Zasius als Augenzeuge der Ereignisse, die Herren saßen, wie gewöhnlich, auf dem Münsterplatz vor ihrem Gesellschaftshaus Zum Ritter als plötzlich einige hundert Schüsse aus Hakenbüchsen vom Schlossberg her verkündeten, dass dieser von den Bauern besetzt und das Blockhaus auf demselben genommen war. Sogleich wurde Sturm geschlagen und die Bürgerschaft unter die Waffen gerufen [Albe20a].

 

Von der Höhe aus feuert der mit rotem Mantel und rotem Barett gekleidete  Hans Müller Schüsse auf den Helm des Münsterturms ab, bis der unter dem großem Jubel der Angreifer in die Tiefe stürzt: Jwellen den Kilchenturm allhie dem zu Kirchzarten glichmachen (niederlegen). Das ist zwar spektakulär, doch effektiver erweist sich die Umleitung des Wassers für die Mühlen und Bächle der Stadt. Hans Müller fordert die Stadt zu brüderlicher Übereinstimmung in allen gebührlichen Sachen, welche dem gemeinen christlichen Nutzen betreffen und im Artikelbriefe enthalten sind.  

 

Die Bauern ziehen bereits am 24. Mai 1525 in Freiburg ein und nötigen den Rat, beizutreten zur christlichen Vereinigung in Aufrichtung eines allgemeinen Landfriedens und Tilgung der unbilligen Beschwerden des gemeinen armen Mannes von geistlicher und weltlicher Obrigkeit im (ihm) auferlegt, wider das Wort Gottes und das heilige Evangelium [Scha35].

 

Huldigung und Eid richten sich nicht gegen das kaiserliche Haus Österreich: Nit das wir gar frei wöllen sein, kain Oberkait haben wellen, lernet uns Gott nit* [Breu05]. Für den Schutz, den Freiburg dem Adel und der Geistlichkeit gewährt hatte, muss die Stadt vier Geschütze abtreten, ein beträchtliches Brandschutzgeld von 3000 Gulden zahlen und ein Herdstattgeld, wöchentlich zwei Kreuzer pro Haus, entrichten [Scha35].

*ähnlich wie Goethes Götz: dem Kaiser erweise ich meinen schuldigen Respekt, doch er kann mich ...

 

Ulrich Zasius schildert in einem Brief an den Sekretär Erzherzog Ferdinands die Notlage Freiburgs und bittet gleichzeitig um gut Wetter bei der Obrigkeit: Nach vielem Hin- und Herreden ist der Friede endlich zu Stand gebracht, worin wir als Hauptpunkt erreichten, daß die Herrschaft des Hauses Oestreich uns unverletzt bleiben solle. Außerdem ist einiges Abgeschmackte und Lächerliche, wie es bei Bauern zu geschehen pflegt, festgesetzt worden. Nämlich: Daß das Evangelium geschützt, oder, wie sie sagen, gehandhabt werde; als wenn nicht die Christenmenschen dies längst vorher gethan hatten. Ferner: der öffentliche Friede solle gehalten, den Feinden widerstanden und den Bauern geholfen werden, um von ihnen den Druck des Adels abzuwenden, und dergleichen mehr, was ohnehin Niemand verweigern kann. Wir sind jetzt in Erwartung neuer Schwärme, während sie in Folge des Bündnisses Allerlei zu erreichen suchen, was nach dem Bündnisse selbst rechtlich nicht gefordert werden kann. Es ist jetzt deine Sache, mit ganzer Kraft darauf zu dringen, daß diesem Unheil bei Zeiten gesteuert werde; unser Fürst darf nicht länger ruhen, denn wenn jetzt keine Hülfe kommt, so ist eine Niederlage zu fürchten, die niemals wieder gut gemacht werden kann. Der Herzog von Lothringen hat in der Zeit von zwei Monaten nahezu 40000 Bauern im Elsaß vernichtet* und täglich wachsen wie aus dem Kopfe der Hydra neue nach, so daß man sich billig wundern muß, woher eine solche Masse Bauern überhaupt kommt,

 

 

Zu Elsaß Zabern schlugen die da waren
so manch frommen man unnd erwürgten weyb unnd kindt

 

Wie Zasius richtig schreibt, hatte der Herzog von Lothringen Bauernhaufen bei Lupstein, Scherrwiller (17. Mai) und Zabern am 20. Mai vernichtend geschlagen und nicht nur die, denn zu Elsaß Zabern, da waren die burger zum nideren hauffen (übergelaufen), als die bauren auch bey einander lagen, unnd hatten jn geschworen und das ganz gebürg biß an den Landtgraben (das ganze Gebirge bis an die Grenze zwischen Elsass und Lothringen); der hertzog von Lotringen unnd die gemein von StraBburg hetten heimlich drey hundert knecht auch dabey (300 Soldaten hinbeordert).

 

Zu Elsaß Zabern waren vill bauren zu einem zusatz (zu den anderen gestoßen), die thet man auß der statt (die ließ man außerhalb der Stadt), darnach waren die vorgenandten heimlichen vor der statt, die in der statt wußten nichts umb sie (wussten nichts von den heimlichen Truppen), dan der hertzog hat den die in der statt waren, jre gewehr genommen unnd jedem ein weiß steblin (weißen Stab) in die handt geben. Als sie fur das thor kommen, schlugen die da waren, in sie und der hertzog hinden an sie (der Herzog schlug von hinten auf sie ein) unnd erwürgten weyb unnd kindt unnd so manch frommen man; Gott wöll jnen gnedig sein [Stol79].

 

Doch damit sind die Grausamkeiten nicht beendet: Als die bauren das gebiirg herauffen zugen und die kirchen beraupten, und biß an den Landtgraben khommen waren, da waren die merder* aber do die zu Elsaß Zabern waren geweßen und erwürgten denselben hauffen auch gar unnd namen jnen, was sie genummen hetten in den kürchen und in den clöstern, unnd fiengen vill man und jungkhfrauwen und auch die jungen frauwen und füerten sie mit jnen in Lotringen unnd begiengen jren bößen muethwillen mit jnen, das etiiche sturben; Gott sey es geclagt unnd seiner werdten muetter Maria.

*die Soldateska, die bei Zabern Bauern, Weib und Kind hatte über die Klinge springen lassen, nimmt sich jetzt die geraubten Güter und Frauen der Bauern.

 

Der Schweizer Chronist Johannes Stumpf, ein Anhänger Zwinglis, berichtet: Vil wurden an die boem gehenckt, nit hocher, dan das die süw und hund ettlichen die füeß abfrasßend, vil gefierteylt, ettlich lebendig gebraten, uß der masßen vil an allen enden mit dem schwert gericht, des gesichts beroubt, durch die backen geprennt: summa, es was selten kein statt, noch schloß so gering, da nit bluot vergosßen wurde [Prei16].

 

Der Prediger closter war zuegethon (geschlossen), kein meß noch ander Gottes dienst wardt mehr da gehalten, aber zu der Engelport, da gieng es gar geruch zu (da ging ein Gerücht um); die in der niderstatt (die aus der Unterstadt) brachen das closter auf, weib und man theten das (dass Frauen und Männer das getan hätten), unnd mit axen unnd beyheln (Beilen) zerhueben und zerbrochen alle ding, das gestiel (Gestühl) in der kürchen und die fenster zu lauter kleinen stückhlin zerschluegen, unnd nemmen das bley ab den fenster, elender jamer hat man kaum mer gesehen. Denen in der niderstatt ist jnen nie zuvill geweBen, Gott wolle es jnen danckhen.

 

Nun war die auffruer an allen enden mit den bauren; es khammen vill wamung in diße statt, man hatte alle tag gar grosse wacht an die thor, in großen sorgen stunden wir, Gott erbarms [Sto79].

 

 

Niemants in diser Sachen und mit der luterischen Sect verwicklen

 

Unter dem Eindruck dieser Niederlagen setzen sich die Freiburg heimsuchenden Haufen der Bauern in ihre Heimat ab. Eine städtische Delegation reist nach Innsbruck zur vorderösterreichischen Regierung und erklärt am 17. Juni, dass Freiburg der Bruderschaft der Bauern nur beigetreten sei, um Schaden von der Stadt und seinen Bürgern abzuwenden. Weiter: das sich niemants in diser Sachen und mit der luterischen Sect verwicklen, sonder ein yeder, der zu Fryburg wonen wöll, bi den cristlichen Satzungen, die bishar vil hundert Jarn gemeinlich gehalten sind worden, bliben soll, bis von den Oberkeiten und denen, so es zusten mag, ein anders geordnet werd.  

 

Die Regierung in Innsbruck jedoch möchte die Freiburger wegen ihrer wenig katholische Haltung im Bauernkrieg nicht so einfach davonkommen lassen. Die Räte schlagen 1528 dem Landesherren Ferdinand vor, die Stadt möge nun endlich dem König eine ergetzlichait erweisen, daz sy etwas ... zu ainer fürstlichen wonung fur Ewer kuniglichen Maiestat an ainem gelegen (geeigneten) ort pawten, dann sonnst ain Lanndfürst zu Freyburg kain sonnder wonung hat, dann zu den Predigern, daz dann gar am schlecht, enng unnd vasst pawloß (baufällig) ding ist, wie Ewer kunigliche Maiestat das on zweifl selbs waysst unnd gesehen hat [Scha98], doch wie schon zu Zeiten Maximilians I. bleibt es auch hier bei der Aufforderung.

 

 

Luther, Totengräber der deutschen Freiheit?

 

Am Ende der Bauernkriege ist Luther mit seiner Entscheidung für das Bündnis mit den Obrigkeiten zwiegespalten und argumentiert recht pessimistisch: Würden die bauren herren, so würde der teuffel apt werden, würden aber solche tyrannen herrn, so würde seyne mutter eptissthyn werden. Derhalben hette (hätte) ich beyde, die bauren gern gestillet und fromme oberkeyt unterrichtet. Nun aber die bauren nicht wollten, haben sie yhren lohn dahyn, diese (die Fürsten) aber wollten auch nicht hören, wolan, sie werden yhren lohn auch haben, … in der helle (Hölle) wird yhr lohn seyn ewiglich, so sie nicht busse thun [Schi17].

 

Während Heine im Bauernkrieg die erste wirkliche Volkserhebung der Geschichte sieht: Luther hatte Unrecht und Thomas Müntzer hatte Recht [Kieß02], urteilt Ludwig Börne, dass nach und nach die Reformation zur Schwindsucht [wurde], an der die deutsche Freiheit starb, und Luther war ihr Totengräber.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann der Beständige
von Lucas Cranach des Ä.

Daß der Mensch sich dem Katholizismus zuneigt, wenn er müde und alt wird

 

 

Friedrich der Weise inmitten seiner Getreuen.

Links: Luther und Friedrichs Beichtvater Georg Spalatin

Rechts: Kurkanzler Gregor Brück und Philipp Melanchton

 

Sarkastisch kommentiert Heine Friedrichs religiösen Spagat: Mögen immerhin die Altgläubigen ihre Glocken läuten und Kyrie Eleison singen, ob solcher Bekehrung - es beweist aber nichts für ihre Meinung, es beweist nur, daß der Mensch sich dem Katholizismus zuneigt, wenn er müde und alt wird, wenn er seine physischen und geistigen Kräfte verloren, wenn er nicht mehr genießen und denken kann. Auf dem Totbette sind so viele Freidenker bekehrt worden - aber macht nur kein Rühmens davon! Diese Bekehrungsgeschichten gehören höchstens zur Pathologie und würden nur schlechtes Zeugnis geben für Eure Sache. Sie bewiesen am Ende nur, daß es Euch nicht möglich war jene Freidenker zu bekehren, solange sie mit gesunden Sinnen unter Gottes freiem Himmel umherwandelten und ihrer Vernunft völlig mächtig waren [Hein34].

 

 So führt schließlich Johann der Beständige,, der im Amt folgende jüngerer Bruder Friedrichs, im sächsischen Kurfürstentum die überfällige Neuordnung des Kirchenwesens durch, was auf die Gründung einer evangelischen Landeskirche hinausläuft.

 

 

Thron und Altar

 

Es läuft weiterhin gut für die Reformation. Zwar bestätigt der Reichstag zu Speyer 1526 das Wormser Edikt von 1521 gegen Luther und seine Anhänger, doch weil die Reichsstände dem Statthalter des Kaisers Erzherzog Ferdinand neue Steuern bewilligen, heißt es im Reichsabschied auch, dass in dieser Sache jeder Stand so leben, regieren und es halten solle, wie ein jeder solches gegen Gott und Kaiserliche Majestät hoffe und vertraue [Rabe89].

 

Schon in seiner Schrift von 1520 An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung hatte Luther die evangelischen Landesherren gebeten, die Leitung der neuen Kirche in ihren Herrschaftsgebieten zu übernehmen. So fühlt sich dann spätestens 1528 Kurfürst Johann ganz als summus epicopus* und Bewahrer seiner Landeskirche, wobei es ihm und den anderen evangelischen Reichsständen vornehmlich um die Vereinnahmung des römischen Kircheneigentums geht.

*oberster Bischof = Herr der Landeskirche

 

Luther sieht diese Notbischöfe als zeitlich begrenzten Behelf und ist so naiv anzunehmen, dass die Landesherren nach der Errichtung neuer Kirchenstrukturen auf ihren Machtzuwachs verzichten werden. Weit gefehlt: In Deutschland sollte das landesherrliche Kirchenregiment, die Symbiose von Thron und Altar, bis 1918 Bestand haben.

 

 Etwa 300 Jahre später kommentiert Heine die Beziehungen zwischen Thron und Altar als etwas Banales: Nicht bloß die römischen, sondern auch die englischen, die preußischen, kurz alle privilegierten Priester haben sich verbündet mit Cäsar und Konsorten, zur Unterdrückung der Völker [Hein34].

 

Discordia am Oberrhein

 

Dagegen stellt die Reformation die Dekapolis im Elsass auf eine Zerreißprobe. Während für viele deutsche Fürsten die neue Religion die Möglichkeit eröffnet, sich gegenüber der katholischen Majestät zu profilieren und emanzipieren, proben die zehn Städte die Versöhnung, den religiösen Kompromiss. Und da wiegt die discordia zwischen den reformatorischen Kirchen am Oberrhein über das Abendmahlsverständnis weit schwerer als der Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten.

 

Bucer mahnt hier dringend eine concordia an. So lädt Philipp von Hessen Luther und Zwingli 1529 nach Marburg zu einem Religionsgespräch ein über die Frage: Brot und Wein ist oder bedeutet Leib und Blut Christi ein. Das Gespräch endet jedoch ergebnislos, denn im Urtext des Neuen Testaments findet sich weder das Wörtchen est noch der Zusatz significat [Goer04].

 

Letztlich sind alle Bemühungen Bucers um eine Einigung der protestantischen Kirchen am Oberrhein vergeblich, denn als im Jahre 1529 die Reformation in der Region ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht, kommt es in Basel zum Bildersturm der Radikalen, während in Straßburg der Stadtrat lediglich die Aussetzung der katholischen Messfeier verfügt, bis bewiesen sey, daß sie Gott gefalle. Somit wird aus dem Münster ein protestantischer Tempel lutherischer Ausrichtung [Gras98].

 

 

Während man bei Euch in der Ketzerei verrückt geworden ist,
rast man hier unter der Herrschaft des Christentums

 

Die vorderösterreichische Stadt Freiburg, wegen ihres temporären Abfalls vom rechten Glauben in den Bauernkriegen am Wiener Hof in Ungnade gefallen, möchte beweisen, dass sie weiterhin gut katholisch ist. Man schreitet nicht nur zu neuerlichen Bücherverbrennungen, sondern auch zur Ausweisung von Bürgern, denen lutherische Gesinnung vorgeworfen wird.

 

Derweil berichtet der Chronist Hans Stolz aus Basel: Als nun die teiffelische elende sach, die lutterey, zu Baßel anfieng zuzunemmen, so jemerlich, das es ein herdten stein (Herdstein) möcht erbarmen; wan man das hochwürdig sacrament auf der gaßen trug zu einem kranckhen, so schreyen die verfluechten menschen über den milten schöpffer, als wan ein heydt da were (über den milden Schöpfer, als ob ein Heide da wäre); Gott seye es geclagt.   Die luterschen bößwücht, die zu Baßel waren, wan sie sterben wolten, so schreyen sie: Henckh mich an den galgen, würff mich in den Rein, und hinauß auf das veldt, das ich in kein külchoff khum (damit ich auf keinen Kirchhof komme). Da ist wol zumerckhen, wie verzweifelte bößwücht sie waren. So Gott der barmhertzig herr in die lenge (auf Dauer) solches nicht leyden mag, so ist die straff Gottes über die von Baßel gangen (gekommen). An dem neündten tag des herbstmonaths (9. Oktober 1526), zwischen vier unnd fünff uhren nachmittag, schlugen das wetter bey helem himmel gehn Baßel in einem thurm in der steinen vorstatt, in der maltzgassen. Es war vill pulfer darein, das der thurm zersprang und zerschlug vill heüßer und ein groß stückh von der rinckhmauren, und wissentlich dreysig menschen jung und alt zu todt, vill menschen die grausamlich gelezt (verletzt) wurden [Stol79].  

 

So schreibt Zasius 1526 an Erasmus in Basel: Was soll ich sagen, während man bei Euch in der Ketzerei verrückt geworden ist, rast man hier unter der Herrschaft des Christentums. Das Singen geistlicher Lieder, welches aber die von Freiburg nit gestatten wollen, gilt der Stadt als lutherisch. Diese wohl gut beobachtete Ansicht dementiert Erzherzog Ferdinand energisch, dass auch ab unserer Hofcanzl gelesen und gesungen werden.

 

 

 

Schmuckkassette am Basler Hof

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der lateinische Text im Bild lautet: Bildnis des Erasmus von Rotterdam
von Albrecht Dürer nach dem Leben gezeichnet.
Erasmus findet sein Bild wenig schmeichelhaft.

Wohl deshalb lautet der eingeschriebene griechische Text:

Seine Schriften geben ein besseres Bild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freiburger Gulli(deckel)

©Matthias Deutschmann

 

 

 

Der Bildersturm in Basel

 

Aus Furcht vor einer Vernichtung seiner Archive durch die Reformierten hatte das Basler Domkapitel bereits 1524 seine Schriften nach Freiburg gebracht, doch bleiben die Herren weiterhin in Basel, während ihr Bischof 1527 seine Residenz ins fürstbischöfliche Schloss zu Pruntrut (Porrentruy) verlegt. Sehr glücklich ist er nicht, denn zwar übt er hier seine weltliche Autorität aus, doch geistlich untersteht sein weltlicher Machtbereich dem Bischof von Besançon. Die Basler Bischöfe residieren in Porrentruy bis zur Flucht vor den französischen Revolutionstruppen im Jahre 1793. Unter Napoleon wird das Basler Fürstbistum 1803 säkularisiert.

 

Anno domini Jesu Christi 1529. Da war groß elend und noth zu Baßel in der statt (zu Basel in der Stadt) von den luterschen bößwüchten unnd frommen Christen. Sie nammen knecht an (warben Truppen) und was ein großer jamer. In dem kammen die von Straßburg, Zürch, Costanz und von Mülhaußen, unnd machten ein vertrag; Gott seye es geclagt. Da machten sie die ordnung, das man das hochwürdig sacrament abthet (abtut), und alle tag in der statt Baßel soll man (nur) zwo meß halten und in der kleinen statt (Kleinbasel) ein meß. Ach Gott! Das elende jahmer unnd noth so alle Christen hertzen erlebt haben.

 

Aufmontag nach der pfaffen faßnacht (am Montag nach der katholischen Herrenfastnacht), da erhub sich ein elende erschröckhliche aufruehr zu Baßel von dem gemeinen ohnnützen volckh, kein wolhabner burger ist nit dabey geweßen. In dem münster da war ein schön crütz, sechzehen schuch lang und drey breith über die brust, war das bild, daß wurffen die bößwücht herab in die kürch unnd leiten jm ein große seül an den halß (legten ein Seil um den Hals), und so ein große menge von knaben und mannen, die das bild zugen ein gaß uff, die ander ab, und wurffen das bild mit steinnen und kodt (Kot) grausamlich, zu gleicher weiß (auf gleiche Weise) wie die Juden Christum unßern herren und erlößer an den thodt gefüerth haben unnd es war auf den abendt, da ließen sie also das crütz ligen. Item den morgen frie (Früh) waren die grüme wuttente hundt (grimmigen wütenden Hunde) auf mit großer ungestüm unnd mit dem bild auf den kornmarckht unnd haben jnen mit großen geschrey verbrendt.  

 

Da war der ganz fromen radt bey einander und vermeindten die elende sach abzustellen, in dem da wurden die verzweifelten bößwücht zu radt (doch auch die verzweifelten Bösewichte hielten Rat) und mit grüm lieffen sie wider in die kilch unnd zerschluegen und zerrissen was in der külch war; aber was von silber und goldt war, das theten sie in jren henden (raubten sie), was an den wenden von bildern war, die haben sie zerrißen und abgethon (abgetan), also haben sie den faßnacht vertriben (also trieben sie die Fastnacht aus).  

 

Item auf dem eschmitwochen frie (Aschermittwochfrüh), da haben die verruchten bueben die frummen man auß dem radt vertriben und etliche mueßten heimlich auß der stat entrinnen. Da wurden sie wider zu rath (Da beratschlagten sie siech wieder) und lieffen in alle kürchen und alle bildter verbrandten sie, was von steinen war, zerschluegen sie, unnd nammen lange leütern und steigen an die wendt und zerrißen alle bildung, das treiben sie die ganze wuchen (Woche); Gott seye es geclagt; und die zu Baßel gewohnt haben, auf das mahl haben sie mir gesagt (die damals zu Basel gewohnt haben) , das die rechten anfenger xiiij (von den Anführern sind 14) unsinnig worden sindt von stunden.

 

Item auf nach der alten faßnacht (der katholischen), da kommen die ketzer von Baßel gehn (nach) Mülhaußen, und wie sie zu Baßel gethon hetten, so grimmiglich wardt es zu Mülhaußen auch verbracht, sie haben an allen beyden orthen das heilig sacrament abgethon; Gott erbarmes. Item die von Baßell und Mülhausen haben alle ordensleüth, weib und man, auß den clostern getreiben, die weldtliche priester von jren priesterlichen würden getreiben und haben die frommen menschen die noch Christen waren, gezwungen das sie vom christlichen glauben mueßten laßen oder großen noth leiden, und alle priester die auf jrer pfruend wolten bleiben, müeßten da ein eydt schweren kein meß sein lebtag zuhaben (einen Eid schwören lebenslang keine Messe zu halten); weiter wa sie erfahren könden (wenn sie erfahren sollten) das man oder frauwen, sie khommen woher sie wolten, und meß oder predig hörten, die sollen an leib und gueth gestrafft. Das hat der Türckh nie gethon, wan er ein orth gewan, so hat er ein jeden in seinem glauben laßen pleiben. O herr Gott, laß dichs erbarmen, das groß elendt und jamer [Stol70].

 

Direkter Augenzeuge der Basler Vorgänge ist Erasmus von Rotterdam Professor der Theologie an der dortigen Universität. Am 9. Februar 1529 stürmen die Reformierten angeführt von der Leineweberzunft die Kirchen: Von Standbildern wurde nichts unversehrt gelassen, weder in den Kirchen noch in den Vorhallen noch in den Kreuzgängen noch in den Klöstern. Was von gemalten Bildern vorhanden war, wurde mit einer Übertünchung von Kalk bedeckt; was brennbar war, wurde auf den Scheiterhaufen geworfen, was nicht, wurde Stück für Stück zertrümmert. Weder Wert noch Kunst vermochten, dass irgendetwas geschont wurde. Am Aschermittwoch entzünden die Bilderstürmer einen Scheiterhaufen mit zerstörten Kunstwerken auf dem Münsterplatz.

 

 

Das Basler Domkapitel flieht nach Freiburg

 

Als die Ausschreitungen gegen die Altgläubigen zunehmen, flieht der große Humanist im April 1529 aus Basel ins gut katholische Freiburg. Im Mai folgt das Basler Domkapitel. Darüber schreibt Ulrich Zasius einem Freund in Basel: Ihr Basler habt uns ein ganzes Theater geschickt, gemischt aus Priestern und ihren Konkubinen: es sind Leute mit schlechtem Beispiel, von denen ich anmerke, dass sie kein Umgang für einen ordentlichen Mann sind [Hug17].

 

Die reichen Herren brachten Geld und Verkehr in die Stadt, weshalb man ihnen anfangs durch die Finger sah; als es dieselben aber fortan bunter trieben, erachtete sich der Stadtrath für bemüßigt, gegen sie einzuschreiten. Während des Winters von 1542 auf 1543 wurden einige Domherren nebst ihren Haushälterinnen gefänglich eingesezt, weshalb die überingen mit Wegzug drohten [Bad82]. Dazu kommt es aber nicht, denn wo sollen sie auch hin. Einsichtig erkennen die Domherren den Ernst der Zeit.

 

Im Jahre 1587 kaufen die Domkapitulare das Stürtzelsche Anwesen und lassen es als ihre permanente Residenz im Exil herrichten. Auf einer dort angebrachten Tafel liest man folgende Inschrift: Mit dem Segen Gottes des Allmächtigen und Besten und unter dem Hochwürdigsten und Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Bischof JACOB CHRISTOPH sowie den derzeitigen Domkapitularen ...  wanderte das Basler Domkapitel mit seinem Clerus wegen des Abfall Basels von dem katholischen Glauben, den die Apostel, ausgehend von Jerusalem, von Anfang allen Völkern predigten, auf Geheiß des Allergnädigsten Kaisers und Herren FERDINAND, immer Mehrer des Reichs, im Jahre des Heils 1529 hierher unter den gütigen Schutz dieser hochangesehenen Stadt Freiburg und hat sich nunmehr dieses Hauses als Curie für sich und die Seinen hergerichtet im Jahre des Heils 1590.

 

Der Basler Hof heute

An der Fassade des Basler Hofs zeugt noch heute die Schmuckkartusche mit den Basler Bistumspatronen von der Anwesenheit des Domkapitels in Freiburg: im Zentrum die Gottesmutter, links der heilige Kaiser Heinrich II. (1002-1024), Stifter des Bistums Basel, und rechts Pantaleon der erste Basler Bischof. Oberhalb des Marienstandbilds bittet eine lateinische Inschrift die Gottesmutter um Unterstützung beim Kampf gegen die Anhänger der neuen Religion: Überwältige, die wider mich streiten, und erheb dich mir zum Beistand [Hug17].

 

 

Der Fürst der Wissenschaftweilt in Freiburg von 1529 bis 1535

 

In Freiburg logiert der 62-jährige Erasmus, ehrfürchtig Fürst der Wissenschaft genannt, zunächst im Haus zum Walfisch, welches der Schatzkanzler Maximilians Jakob Villinger hatte bauen lassen und in dem heute die Städtische Sparkasse ihre Räume hat.

 

 

Haus zum Walfisch
 in der Franziskanerstraße

 

Kurz nach seiner Ankunft in Freiburg Anfang Mai 1529 schreibt Erasmus begeistert an Willibald Pirckheimer in Augsburg: Endlich habe ich die Scholle gewechselt, der Rauraker* ist ein Breisgauer geworden … Die kleine Reise ging besser als ich erwartet hatte. Der Rat der Stadt bewies mir ganz von selbst alle Freundlichkeit, noch ehe mich König Ferdinand brieflich empfahl. Man gab mir ein fürstliches Haus, das seinerzeit für Kaiser Maximilian gebaut wurde, aber unvollendet blieb... und dann einen Brief später: Ubi bene ubi patria, heißt es im Sprichwort. Ich werde also für ein Jahr das so freundliche Klima hier genießen dürfen, wenn mich Mars nicht von hier vertreibt. Allerdings irrt er mit der Annahme, Kaiser Maximilian habe sich einst das Haus zum Walfisch als Alterssitz gewählt.

*Augusta Rauraca die römische Bezeichnung für Basel

 

Im Haus zum Walfisch, meint der Gelehrte, werde die Stadt ihn unentgeltlich wohnen lassen. Als der Bürgermeister ihm eine Mietrechnung über 30 Gulden schickt, ist Erasmus erbost [Hug79].

Gedenktafel am Haus zum Walfisch

 

 

Korrektur auf der Gedenktafel für Erasmus am Haus zum Walfisch. Hier wohnte er nur von 1529 bis 1531 und nicht wie ursprünglich angegeben bis 1535

 

 

 

Also vertreibt nicht der Kriegsgott Mars Erasmus aus seinem Domizil in der Franziskanerstraße, sondern der Ärger mit der Stadt. Als neuen Wohnsitz kauft er 1531 das Haus zum Kind Jesu in der Schiffstraße 7. Das widerspricht dem Stadtrecht, nach dem nur Freiburger Bürger Grund und Boden erwerben dürfen. Um den Erwerb des Hauses zu legalisieren, lässt sich Erasmus deshalb vier Jahre nach seiner Ankunft in Freiburg endlich als professor theologiae in die Universitätsmatrikel eintragen. Von nun an bewohnt er als akademischer Bürger ein von Steuern befreites privilegiertes Haus.

 

Haus zum Kind Jesu in der Schiffstraße 7 vor der Bombardierung Freiburgs. An der Fassade findet sich ein Bild Erasmus' [Kalc17].

 

Als Rektor Paulus Getzonis den Senatsmitgliedern 1533 voller Freude die Zustimmung des Umworbenen zur Aufnahme in die Matrikel der Universität verkündet, ahnt er nicht, dass Erasmus weder eine Vorlesung an der Albertina halten noch an den Sitzungen des Senats teilnehmen wird: Die Würden nahm er an und besaß er, die Bürden aber hatte er von vornherein abgelehnt [Maye07].

 

Doch Stadt und Universität hofieren den großen Humanisten weiterhin, der sich jedoch spreizt und findet: Die Theologie wird hier schwächer betrieben, als mir lieb ist und das Studium der Sprachen gedeiht mittelmäßig [Aurn06]. Die Universität ist zwar gut eingerichtet, aber schlecht besucht, sie hat mehr ehrbare als zahlreiche Schüler [Maye07].

 

Stattdessen arbeitet Erasmus seit 1533 an seinem Liber de sarcienda ecclesiae concordia, deque sedandis opinionum dissidis, cum aliis nonnullis lectu dignis*, in dem er Europa als ein einheitliches christliches Volk, populus Christianus beschreibt, welches in der Kirche, ecclesia, auch ein gemeinsames Haus, eadem domus, bewohnt. Die Gegensätze zwischen Katholiken und Lutheranern erachtet er als überbrückbar und hofft, wie viele seiner Zeitgenossen, auf ein allgemeines, einigendes Konzil, welches eine concordia fidei in einer concordia caritas herstelle. Nötig dazu sind Reformen der Ausbildung der Geistlichen, Reformen der Sitten und Reformen in der Kirche [Walt18].   

*Buch von der Wiederherstellung der kirchlichen Eintracht und der Beseitigung der Meinungsverschiedenheiten  

 

Mit fortschreitender Glaubensspaltung allerdings fühlt Erasmus den religiösen Zusammenhalt Europas über die römische Kirche schwinden. Er ahnt stattdessen das Entstehen pronationaler Strukturen voraus: Ein Stamm wird zum Kampf mit einem anderen Stamm getrieben, Stadt gegen Stadt, Parteiung gegen Parteiung, Herrscher gegen Herrscher …  Der Engländer ist der Feind des Franzosen, aus keinem anderen Grund als dem, dass er Franzose ist. Der Schotte ist dem Briten Feind, aus keinem anderen Grund, als dem, dass er Schotte ist. Der Deutsche ist dem Franzosen Feind, der Spanier beiden [Kata04]. Die verschiedenen Glaubensrichtungen verschleißen sich in einem Narzissmus der kleinen Unterschiede und üben sich in deren Kontrastverstärkung. Erasmus kann die Krankheit der Kirchenspaltung nicht heilen [Walt18].

 

 

Das ganze Jahr über ernähre ich mich von Hühnchen

 

Wie viele seiner Zeitgenossen leidet Erasmus an Gicht, aber als Hypochonder auch an Magenschwäche, so dass er Diät halten muss. Ihm behagt das Freiburger Klima nicht, der ständige Nebel nervt, es regnet zu viel. Gemessen an Basel ist ihm Freiburg zu provinziell, der Markt bietet zu wenig Auswahl, der Wein ist schlecht, die Waren sind zu teuer. Auch findet er das ständige Geläut der gegenüberliegenden Franziskanerkirche und seine Nachbarn nervig.

 

In einem Brief an den Dominikaner Gasperi Scheto beschwert sich Erasmus auch über die Bächle: Est hic alta immundities. Per omnes vias huius oppidi decurrit torrens arte ductus. Is excipit saniem laniorum ac macelli, oletum omnium culinarum, sordes singularum aedium, vomitum ac mictum omnium, feces etiam illorum qui domi latrinas non habent. Ex hac aqua lauantur lintea, purgantur vinaria vasa, atque etiam culinaria. Haec tolerari poterant si esset quod ederetur. Toto anno vescor pullis gallinaceis. Nihil hic lautiti-arum, aut si quid est, ad nobiles defertur ....
Datum Friburgi 23 die Ianuarii Anno a Natali 1534.
*

 *Hier herrscht große Unreinlichkeit. Durch alle Straßen dieser Stadt läuft ein künstlich geführter Bach. Dieser nimmt die blutigen Säfte von Fleischern und Metzgern auf, den Gestank aller Küchen, den Schmutz aller Häuser, das Erbrochene und den Harn aller [Passanten], ja sogar die Fäkalien von denen, die zuhause keine Latrine haben. Mit diesem Wasser werden die Leintücher gewaschen, Weingläser gereinigt, ja sogar die Kochtöpfe. Das könnte man ertragen, wenn es etwas [Rechtes] zu Essen gäbe: Das ganze Jahr über ernähre ich mich von Hühnchen. Hier gibt es keine üppigen Gelage, und wenn schon einmal, wird es den Adligen denunziert …
Freiburg, am 23. Januar 1534 nach Christi Geburt [Unte95].

 

 

Und soll nymandt dhein mist, strow, stain ... in die bäch schütten …

 

Wohl wahr, denn erst viele Jahre später im Jahre 1552 liest man in den Ratsprotokollen die Bestimmungen: Welcher mist uss dem seinen uff die gassen schüttet und den ufs lengst in drey oder vier tagen nit hinweg fueret, sonder uff der gassen ligen lasst, der soll zu straff fünff schilling Rappen verfallen sein ... und über die Reinlichkeit der Bächle: Und soll nymandt dhein mist, strow, stain ... in die bäch schütten … und die Sauberkeit der Brunnen: ... dass nymandt dheinerley wuost noch unsauber wasser, so man fleisch, kraut, wyndeln oder annders weschet, oder die geschirr schwenket, in die bronnen schüttet ... [Baas05].

 

 

Ich wollte lieber unter den Türken wohnen

 

In Erasmus‘ neuem Domizil in der Schiffstraße stehen Sanierungsarbeiten an und so muss er sich mit  Schmieden, Steinmetzen, Schreinern, Spenglern und Glasern herumschlagen. Er schreibt 1531 in einem Brief: Du kennst diese Sorte von Menschen; es ist so widerwärtig, daß ich lieber volle drei Jahre mich mit noch so unangenehmen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigen als nur einen einzigen Monat mit dieser Art Sorgen plagen möchte. Er mäkelt weiter über Freiburg: Die Stadt ist zwar hübsch, aber nicht bevölkert genug [Hug79] und weiter die Stadt ist klein und die Einwohner sind abergläubisch.

 

Lobenswert findet er lediglich den 68-jährigen Huldrichus Zasius: … ich habe in Deutschland noch nichts gesehen, was ich so bewundert hätte wie den Charakter des Ulrich Zasius. Er ist die Lauterkeit selbst, nicht nur lauter gegenüber seinen Freunden. Körperlich altert er, aber es ist kaum zu glauben, wie er geistig noch ganz frisch ist, seine Urteilsschärfe und sein Gedächtnis haben in keiner Weise gelitten. Ein so schlagfertiges, witziges, treffendes und inhaltlich gut improvisiertes reden habe ich selbst bei einem Italiener bisher nicht bemerkt [Hug97]. Es floss die Rede süßer denn Honig über seine Lippen. Ich erwartete einen Juristen zu finden, zwar einen ausgezeichneten, aber doch nur einen Juristen. Allein was gibt es in den Geheimnissen der Theologie, das du nicht untersucht und durchdacht hättest? In welchem Teile der Philosophie bist du nicht vollkommen bewandert? Gibt es überhaupt ein Buch der Alten und Neuen, das du nicht aufgeschlagen, eingesehen, eingesogen hättest?

 

Die Hochachtung, die Erasmus für Zasius empfindet, geht wohl auch auf den Freiburger Fastenstreit des Jahres 1523 zurück. Damals im März kam Erasmus zu Besuch hierher, logierte im Gasthaus zum Schiff, wo man ihm - der kirchlichen Jahreszeit gemäß – nur Fastenspeise servierte. Erasmus aber litt seit langem an Nierensteinen und hatte deshalb vom Papst eine Dispens. Das wusste der Wirt nicht. Da lud nun Zasius den verehrten Freund zu sich in sein Haus Zum Wolfseck in der Herrenstraße ein und ließ dem Gast etwas Rechtes kochen. Das erfuhren ein paar Übereifrige in der damals bereits vom Landesherrn Ferdinand I. auf einen radikal antireformatorischen Kurs getrimmten Stadt, denunzierten Zasius beim Rat. Von dort erhielt er eine amtliche Rüge und einen Bußgeldbescheid [Hug79].

 

Wohl auf dieses Vorkommnis bezieht sich Erasmus‘ Bemerkung über die Freiburger: Nun darf ich schon seit langer Zeit keine Fische mehr essen, und obgleich ich vom Papst einen Dispens habe, so würde man es mir daselbst doch zum Verbrechen anrechnen, wenn ich die Fasten nicht streng hielte [Unte95].

 

Zurück in Basel schreibt Erasmus den Freiburgern ins Stammbuch: Civitas Friburgenensis non omnino suo nomini respondit*. Der Freiburger Kabarettist Matthias Deutschmann ließ zum 900-jährigen Stadtjubiläum einen Freiburger Gulli mit dieser lateinischen Umschrift prägen [Deut21]. Es ist kein Bitcoin, sondern schlicht eine Medaille.

* Freiburg wird seinem Namen nicht ganz gerecht.

 

Erasmus' Ablehnung der Stadt gipfelt in der Bemerkung: Ich wollte lieber unter den Türken wohnen. Schließlich verlässt er Freiburg klammheimlich im Jahre 1535 in Richtung Basel, wo er ein Jahr später stirbt [Baum07].

 

 

König Ferdinand
der spätere
Kaiser Ferdinand I.

 

 

 

Suleiman der Prächtige von Albrecht Dürer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Confessio Augustana

Die Anhänger der Reformation protestieren

 

 Die alte Kirche sucht im Glaubensstreit auf ihre Weise zu vermitteln, doch trotz intensiver Religionsgespräche bestehen die Anhänger des neuen Glaubens auf ihrem Los von Rom, geraten aber durch König Ferdinands geschicktes kirchenpolitisches Taktieren mehr und mehr in Bedrängnis. Als er als kaiserlicher Statthalter auf dem zweiten Reichstag zu Speyer 1529 den toleranten Abschied von 1526 kippen möchte, trifft er auf den geballten Protest der evangelischen Reichsstände, weil ... in den Sachen Gottes Ehre und unser Seelen Heil und Seligkeit belangend ein jeglicher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben muss [Rabe89]. Vierzehn Reichstädte schließen sich der Protestation an darunter die am Oberrhein gelegenen Konstanz und Straßburg [Schi88].

 

Einig sind sich Katholiken und Protestanten lediglich, gemeinsam gegen die jetzt kürzlich newen aufgestanden irsal und sect des widertauffs zu kämpfen. Ob dieser lästigen Konkurrenz sind die Lutheraner besonders eifrig festzustellen: Damnant Anabaptistas, qui improbant baptismo pueros salvos fieri* [Grae05].

*Derhalben werden die Wiedertäufer verworfen, welche lehren, dass die Kindertaufe nicht recht sei

 

Das Reich ist innerlich zertrennt und auch außenpolitisch steht es nicht zum Besten. Die Türken unter Sultan Suleiman dem Prächtigen erscheinen am 22. September 1529 mit 120 000 Mann, unter ihnen christlich-ungarische Truppen, vor Wien und belagern die Stadt. Zwar gelingt es ihnen nicht, die von 16 000 Soldaten unter Nikolaus Graf Salm verteidigte Festung einzunehmen, doch sie rauben das Umland aus, verwüsten es und führen die Bevölkerung in die Sklaverei. Erst am 15. Oktober ziehen die Ungläubigen  wieder ab [Rose04].

 

Im Dauerstreit mit Karl V. hatte François I die Türken bei ihren Angriffen auf die Südflanke der Habsburger offen unterstützt, so dass im Reich eindringlich vor einer französischen Unterdrückung gewarnt wird: O du edels Vaterland, merkstu nit das tyrannisch fürnehmen. Der Französisch Türkisch König, mit sampt seinen Bundesverwandten wollte gern die edel Teutsch nation dringen in die Libertet oder freyhait in der auch seind die Untertan in Frankreich ... [diese] werden gedruckt und schwer geladen als die Esel ... [Schm99].

 

 

Dogmatische Sätze, häufig nur angedeutet, wechseln mit bloßen Schimpfreden ab

 

Am 12. Januar 1530 trifft an der Albertina ein Brief aus Budweis ein, in dem Ferdinand als König von Böhmen um ein Gutachten bittet und sein neues Ansinnen lediglich auf einen gemeinen Auszug aus Luthers und andrer neuen Sectirer Bücher stellte, welcher mit Angabe der Bücher und Jahre in lateinischer oder deutscher Sprache, wie es beliebe, bis nächsten ersten März einzuliefern sei, für neuerliche Gutachten.

 

Die Professoren der Universität sind besonders überrascht, dass Ferdinand in seinem Brief das frühere ausführliche Glaubensgutachten vom 24. Oktober 1524 mit dem Auszug aller neuen Lehren und Bücher, was daran disputierlich befunden mit keinem Wort erwähnte.

 

Dieser gnädigste Befehl* setzte die Universität in nicht geringe Verlegenheit, weniger wegen der Kürze der Zeit, als wegen des Mangels der nöthigen Schriften. Alle Behörden hatten nämlich in Folge der strengsten landesherrlichen Mandate seither nicht nur darüber gewacht, daß keine Schriften der Neuerer nach Freiburg gebracht, sondern daß auch die daselbst vorgefundenen eingeliefert und verbrannt wurden … Dadurch war nun der Universität wenigstens ein großer Theil des Materials, dessen sie zu der von ihr verlangten Arbeit bedurfte, aus der Hand gerückt, und sie konnte nicht umhin, dieses in der Vorlage und zur Entschuldigung derselben (20. Febr. 1530) herauszuheben. Sie klagt wörtlich darüber, daß sie die ihr nöthigen Bücher theils vom Stadtrath zu Freiburg, (der einige zum Andenken in dem Archiv niedergelegt hatte), theils anderswo zusammengebettelt und solche zu möglichster Beschleunigung alsbald unter ihre Theologen und Canonisten vertheilt habe. Sie hätte, versichert sie, allerdings weit mehr Artikel und Irrthümer der Neuerer, aus den päpstlichen Bullen und den verdammenden Gutachten von Paris, Cöln und Löwen aufbringen können; diese Schriften seien aber bekannt und Wiederholungen daraus dürften mehr anekeln als befriedigen. Das möchte freilich auch mit ihrer eignen Zusammenstellung der Fall sein; sie habe jedoch damit nichts weiter gewollt, als einem so hohen Befehl Folge leisten.

*für neuerliche Gutachten

 

Wirklich verräth auch die Arbeit der Universität sowohl die größte Eile, als den Mangel einer Redaction. Man nahm die Auszüge, wie man solche von den verschiednen Professoren erhielt, und stoppelte sie ohne innere Ordnung, bloß nach den Namen der Autoren zusammen. Das Meiste sind bekannte Stellen aus Luthers Schriften, nur Weniges ist aus Melanchthon, Hutten, Hubmaier u. A. eingerückt. Dogmatische Sätze, häufig nur angedeutet, wechseln mit bloßen Schimpfreden ab; was zufällig denjenigen ansprach, der den Auszug besorgte. Wen wundert es: Die Universität wurde für ähnliche Arbeiten nicht weiter in Anspruch genommen [Schr59].

 

Dabei wäre eine sorgfältige Arbeit so wichtig gewesen, hatte doch Kaiser Karl für das Jahr 1530 einen Reichstag mit dem Schwerpunkt Glaubensstreit nach Augsburg einberufen. Durch Clemens VI. in Bologna zum römischen Kaiser gekrönt und damit gestärkt nach Deutschland zurückgekehrt ist Karl jedoch nicht auf religiösen Ausgleich aus, hatte er doch 1528 deutlich gemacht: Ich schwöre zu Gott und seinem Sohne, dass nichts in der Welt mich so bedrückt wie die Häresie Luthers und dass ich das Meinige dafür tun werde, dass die Historiker, die von der Entstehung dieser Ketzerei in meinen Tagen erzählen, auch hinzufügen, dass ich alles dagegen unternommen habe; ja ich würde in dieser Welt geschmäht und im Jenseits verdammt werden, wenn ich nicht alles täte, die Kirche zu reformieren und die verfluchte Ketzerei zu vernichten [Schr09].

 

Kaiserkrönung Karls V. durch Clemens VI.

 

 Confessio Augustana

 

In Wittenberg dagegen bereitet man sich sorgfältig auf den Augsburger Reichstag vor. Es ist Philipp Melanchton, der auf Anweisung seines Kurfürsten Johann des Beständigen eine Apologie, eine Verteidigungsschrift, des protestantischen Glaubens erstellt, denn Luther noch immer gebannt und geächtet, scheut den persönlichen Auftritt vor Kaiser und Ständen. So reist er mit der Delegation nur bis Coburg, dort wo ihn der starke Arm seines Kurfürsten noch beschützen kann.

 

Auf der Veste Coburg am Türstock zur Steinernen Kemenate des Reformators findet sich heute noch die Inschrift: Da zu augspurg die confession wurd übergeben thät martin luther still wirkend hier leben [Seif17]. Luther lebt volle 172 Tage auf der Veste, ist schriftstellerisch tätig und wartet dabei ungeduldig auf Nachrichten aus Augsburg.

 

Verlesung der Confessio Augustana vor Karl V. in Anwesenheit der Kurfürsten und Reichsstände

 

Am 25. Juni 1530 trägt der kursächsische Kanzler Christian Beyer auf dem Augsburger Reichstag die Confessio Augustana der Protestanten vor, eine ausführliche Darstellung der reformatorischen Bewegung. Die hatte Melanchton aus der Apologie entwickelt, als er vom Inhalt eines Gutachten der Gegenseite erfuhr. Die Confessio ist konziliant, kommt in vielen Punkten den Katholiken entgegen und ist auf Versöhnung ausgerichtet. Doch schließlich lehnen die beiden Johannes, Eck und Cochlaeus, vom Kaiser als Gutachter bestellt, in ihrer Confutatio das Augsburger Bekenntnis ab.

 

 

Allayn zu erhaltung cristenlicher warheit

 

Nach dem zähem Ringen der Parteien sieht Karl V. die Verhandlungen im Glaubensstreit als gescheitert an. Als die Anhänger der lutherischen Lehre bereits abgereist sind, setzt der Kaiser mit den Stimmen der altgläubigen Ständemehrheit das Wormser Edikt wieder in Kraft und droht mit dessen gewaltsamer Durchsetzung. Da schließen sich 1531 die meisten protestantischen Stände im christlichen verstendtnus unter Führung des Kurfürsten Johann des Beständigen von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen in Schmalkalden zum gleichnamigen Bund zusammen. Dieser soll allayn zu erhaltung cristenlicher warheit und fridens ym hailigen reich und deutscher Nation und zur entschuttung unbillichs gewalt für uns und unser undertan und vorwanten dienen.

 

Dem Bund treten auch viele Reichsstädte bei, von denen für den süddeutschen Raum Straßburg und Konstanz erwähnenswert sind. Luther dagegen hält nichts von der Vermischung von Religion und Politik: Haben daher die Juristen Recht, daß ein Christ, nicht als Christ, sondern als ein Bürger oder membrum corporis politici muge (möge) widerstehen, das lassen wir geschehen ... Aber ... uns Theologen [ziemet es] nicht, und ist unserm Gewissen gefährlich, zum Verbündnis zu raten [Schmi88].

 

 

 

Vordringen der Reformation (grün eingefärbt), katholische Länder (blau gefärbt) [Atla91]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Friedrich der Großmütige am Dresdener Fürstenfries

 

 

 

Moritz von Sachsen am Dresdener Fürstenfries

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Luther auf dem Totenbett 

Das Münster wird 1530 vollendet

 

Das Münster um 1530Für Freiburg ist 1530 ein gutes Jahr, wird doch der Hochchor des Münsters fertiggestellt. Damit ist die Kirche der einzige große Sakralbau am Oberrhein, der noch in der gotischen Epoche vollendet wird. Mit diesem äußeren Zeichen ihres religiösen Eifers ist die Stadt voll im alten Glauben rehabilitiert, so dass es den Untertanen des Hauses Österreich, die vorher nur die Universitäten Wien und Ingolstadt besuchen durften, nun erlaubt ist, auch in Freiburg zu studieren.

 

 

Das Münster um 1530

 

 

 

 

Regentenwechsel in beiden Sachsen

 

Im Jahre 1532 übernimmt Johann Friedrich der Großmütige Regierung und Kurwürde im ernestinischen Teil Sachsens. In Dresden erbt 1541 der ehrgeizige Albertiner Moritz die Herrschaft. Der sieht in dem heraufziehenden Konflikt zwischen dem Kaiser und den protestantischen Reichsständen eine Chance, die Machtverhältnisse in den sächsischen Landen zu seinen Gunsten zu ändern. Dabei setzt er auf die kaiserliche Karte und hilft Karl V. 1544 mit einem Reiterregiment gegen die Franzosen.

 

François und Karl nun als Freunde beim Einzug in Paris

Aus Furcht vor einem unberechenbaren Konziliarismus hatte die römische Kurie um ihre Privilegien fürchtend (man erinnere sich an das Konstanzer Konzil, auf dem drei Päpste abgesetzt wurden) seit dem Wormser Edikt die immer wieder angemahnte und so notwendige Abhaltung eines den Glaubensstreit schlichtenden Konzils ein Vierteljahrhundert hinausgezögert. Dabei hatte sich die Kirche auch hinter dem französischen König versteckt. Der hatte, auf dass der Glaubensstreit im Reich nicht geschlichtet werde, die Einberufung einer Kirchenversammlung im Einvernehmen mit seiner ecclesia Gallicana stets abgelehnt. Nun stimmt auch François dem Konzil in Trient zu.

 

 

Albrecht braucht wieder einmal Geld

 

 Neben Bayern und habsburgischen Gebieten stemmen sich naturgemäß die geistlichen Kurfürstentümer gegen alle reformatorischen Bestrebungen. Auch Albrecht in Kurköln bekämpft die Ausbreitung lutherischer Lehren in seinen östlichen Dependenzen Magdeburg und Halberstadt, wo er durch seinen Offizial Heinrich Leucker zunächst jegliche reformatorischen Regungen brutal unterdrücken lässt. Als nun aber 1439 im Kurfürstentum Brandenburg und im Reichsstift Quedlinburg die Reformation eingeführt wird, versucht Albrecht wenigstens in seinen Gebieten den römischen Glauben möglichst teuer zu verkaufen: Ertzbischoff Albertus hat hier auff, als Lutheri reformation zugenommen, das Liecht der Wahrheit ihm ziemlich die Augen erleuchtet, und er seinen Glimpff gegen die Evangelischen auff viel Weiß (Weise) und Wege sehen lassen, endlich An. 1540. der Ritterschafft und denen Städten in denen Ertz= und Stifftern Magdeburg und Halberstadt, das exercitium Religionis Augustana Confessionis, gegen Verwilligung einer grossen Geld=Summa, wie Dresserus in Chronico Saxonico fol 579. bezeuget, frey gelassen, ist Anno Christi 1545. den 4. Septembris, nach dem er 32. Jahr regieret, auff den Chur=Mäntzischen Schloß Aschaffenburg gestorben und allda begraben worden [Magd89].

 

 

Under die sieben wunderwerck der weldt gezelt

 

 Im Jahre 1544 bringt Sebastian Münster seine Cosmographia heraus, in der er der statt Friburg mehr als eine Seite widmet. Schließlich hatte er in der statt an der Treisem während seiner Universitätsstudien ein ganzes Jahr verbracht.

 

Freiburg im Jahre 1549. Holzschnitt von Hans Rudolf Manuel in einer 1550 in Basel gedruckten Ausgabe von Sebastian Münsters Cosmographica, d.h. Beschreibung aller Lender ... Die Bildbeschreibung lautet:

Freyburg im Breyszgow ein neiue Statt an einem edlen und fruchtbnaren Ort gelegen, da ein Eingang ist in den Schwartzwald die in kurtzen Jahren trefflich sehr zugenommen hat an Gebäwen, Kirchen, Klöstern, hohen Schulen, Reichthumben ec. Und das sonderlich, nachdem sie ledig worden von ihrem Halßherren dem Graffen von Freyburg und eyngeleibt dem Edlen Hauß Oesterreich. Sie hat wol ein herrlichen Anfang genommen under dem Hertzogen von Zäringen, aber ist under den Hertzogen und nachmals under den Ertzhertzogen von Oesterreich zu grösserer Herrlichkeit erwachsen, in deren sie zu unseren Zeiten ist.

 

 Nachdem Münster die Geschichte Friburgs abgehandelt hat, wendet er sich der Beschreibung der statt zu: Das ich aber wider kom zü der statt Friburg soltu wissen das do ein gros hantirung mit Catzedonien steinen darauß man pater noster, trinck geschirr, messerhefft unnd vil anderen dingen macht. Disse stein werden in Lothringen gegraben aber zü Friburg gebaliert. Es rinnen in disser statt durch alle gassen bechlin das eytel frisch brunnen wasser ist und über winter nit gefriiert. Es fleiist auch neben der statt hin gar ein gut fischreich wasser die Treisem genant entspringt nit fern von ursprung der Tonaw. Weiter ist in disser statt ein fast hübsch münster mit eim hohen thurn, der mit sunderlicher kunst von grund uf bis an den höhsten güpffel uffgefürt ist mit eytel quader und gebildeten steinen, des gleychen man in Teütschland nit findt nach dem thurn zu Straßburg. Die heiden hetten jn vor zeiten under die sieben wunderwerck der weldt gezelt, wo sie ein solich werck gefunden hetten.

 

Damalige Besucher Freiburgs können sich die oben beschriebenen Sehenswürdigkeiten mit folgenden Versen merken:  

Ein Turm ohne Dach,
in jeder Straß' ein Bach,
an jedem Tor eine Uhr,
ein Paternoster an jeder Schnur
[Kalc14].

 

Das meint: den durchbrochenen Turmhelm des Münsters, die Bächle, die Besonderheit, dass es in Freiburg Uhren an allen fünf Stadttoren gibt, und schließlich das Gewerbe der Bohrer und Balierer, die Edelsteine, vornehmlich Granat aus Lothringen, zu Pater noster, d.h., Rosenkränzen verarbeiten.

 

 

Wider das Papsttum zu Rom

 

Wie die Urchristen hatte Luther sein ganzes Leben auf die Ankunft des Herrn geharrt, so wie er es 1521 seinem Vater geschrieben hatte: Ich bin überzeugt, dass der Tag des Herrn nahe herbeigekommen ist. Später 1529 meinte er dann unter dem Eindruck des Türkenansturms: Denn die Welt ist ans Ende gekommen, so dünkt mich jetzt auch: weil das römische Kaisertum fast dahin ist, sei Christi Kommen vor der Tür, und der Türke sei das Ende dieses Reichs [Prei16].

 

Für Luther sitzt auf dem Stuhl Petri der in der Offenbarung des Johannes angekündigte Antichrist der letzten Tage: Unser Kampf gilt nicht dem Papst oder einem Bischof, sondern dem Teufel. Und noch 1545, ein Jahr vor seinem Tod, schreibt Luther in der Schrift Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet: Denn die teufelische Bepsterey ist das letzt unglück auff Erden, und das neheste, so alle teufel thun können mit alle irer macht [Kauf16].

 

 

Mundus ... mox mutandus, Amen

 

Luther ist in evangelischen Landen ein angesehener Mann, dessen Rat gefragt ist. Doch ist er, als er er Ende Januar 1546 bei strengem Winterwetter in seine Geburtsstadt Eisleben reist, um dort einen Familienstreit meiner lieben Herren von Mansfeld zu schlichten, auch ein schwerkranker Mann, wie ein ehemaliger Ordensbruder berichtet: senex, decrepitus, piger, fessus, frigidus ac iam monoculus* [Schi17].

*ein abgelebter, armer, müder, starrer und inzwischen fast einäugiger Greis

 

Doch die Verhandlungen ziehen sich hin und so schreibt Luther frustiert an seine Frau Käthe: Wir haben zu fressen und sauffen gnug und hetten gute tage, wenn der verdrewsliche handel nicht wäre und bin ich nun auch ein Jurist geworden, aber es wird ihnen nicht gedeihen, sie ließen mich besser einen Theologen bleiben [Schi17] ... Wenn ich wieder heim gen Wittenberg komm, so will ich mich alsdann in den Sarg legen und den Maden einen feisten Doktor zu fressen geben [Schw09].

 

Doch man legt ihn nicht in Wittenberg, sondern am 18. Februar 1546 in Eisleben in den Sarg. Am Morgen seines Todestages fragt Luther: Ich bin hie zu Eisleben geboren und getauft, wie wenn ich hier bleiben sollte? [Schi17], und am Abend bittet er seine Freunde für das Evangelium zu beten, denn das Concilium zu Trient und der leidige Bapst zürnen hart mit ihm. Er weiß, die Beratungen dieses Konzils werden die religiöse Spaltung nicht überwinden helfen [Rabe89].

 

Die 25.Sitzung der Trienter Konzils

 

 

*Wahrlich, die Welt wird bald untergehen

 

 

Moritz von Sachsen
von Lucas Cranach

 

 

 

 

Sendschrifften der Königlichenn Maiestat zu Franckreich, etc An die Chur vnd Fürsten, Stende vnd Stett des Heyligen Römischen Reichs Teutscher Nacion, darinn sie sich jrer yetzigen Kriegsrüstung halben uffs kürtzest exelere

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schlacht bei Mühlberg

 

 Nach der Einigung mit François hat Karl den Rücken frei und kann nun, wie er es 1521 in Worms gelobt hatte, an die Bekämpfung der Pestis Germaniae, der deutschen Häresie, gehen. Daran will ich meine Reiche und Herrschaften, meine Freunde, meinen Leib, mein Blut, mein Leben und meine Seele … setzen [Schi88]. Es gelingt ihm 1546, Moritz von Sachsen, indem er ihm die sächsische Kurwürde verspricht, auf seine Seite zu bringen.

 

 

Karl V. in der Schlacht bei Mühlberg
(Gemälde von Tizian im Prado)

 

Wie immer kämpft Karl in der vordersten Linie. Als man ihm anträgt, sich zurückzuhalten, bellt er zurück: Nennt mir einen Kaiser, der je von einer Kanonenkugel getroffen wurde. Bekannter noch wurde diese Schlacht, in der sich ein gewisser Schweppermann* besonders ausgezeichnet hatte, durch einen anderen Ausspruch des Kaisers beim anschließenden kargen Siegesmahl: Jedem ein Ei, dem frommen Schweppermann zwei.

*oder war es die Schlacht bei Mühldorf 1322?

 

 

 Nach seinem Sieg kommt der Kaiser durch Wittenberg und lässt sich die Gruft Luthers zeigen. Als einige spanische Granden den Reformator exhumieren und die Überreste des Ketzers verbrennen wollen, lehnt Karl die Grabschändung mit den Worten ab: Ich führe Krieg mit den Lebenden und nicht den Toten.

 

Moritz erhält wie versprochen nicht nur die sächsische Kurwürde, sondern zusätzlich das ernestinische Herzogtum Sachsen-Wittenberg. Der eine Anführer der Protestanten Johann Friedrich der Großmütige gerät in kaiserliche Gefangenschaft. Als sich der andere Anführer Philipp von Hessen später ergibt, bittet der neue Kurfürst, seinen Schwiegervater weder am Leibe noch mit ewiger gefängnus zu bestrafen [Rabe89]. Als Karl dann Philipp einkerkern lässt, wendet sich Moritz von seinem kaiserlichen Gönner ab und steht nun ob seines Verrats der evangelischen Sache im Reich völlig isoliert da.

 

Karl mit Reichsapfel und Schwert inmitten seiner äußeren und inneren Feinde: Sultan Suleiman der Prächtige, Papst Paul III und François I (links) sowie der Ernestiner Johann Friedrich der Großmütige, sein Rivale der kriegerische Albertiner Moritz mit dem Meißner Wappen und sein Schwiegervater Philipp von Hessen (rechts). Man beachte: der Reichsadler zu Füßen des Kaisers hält sie alle kurz angebunden (Allegorie von Giorgio Guilio Clovia)

 

 

Eine monarchia universalis?

 

Nach dem Sieg über die evangelischen Stände versucht Karl V. 1547/48 auf dem geharnischten Reichstag in Augsburg, die Reichsverfassung im Sinne einer monarchia universalis zu ändern. Außerdem verlangt er ein stehendes Reichsheer in einen von ihm geführten Bund der Reichsstände. Ihnen bietet er dafür in Religionsfragen bis zu deren endgültiger Regelung durch ein Konzil das von einer Kommission ausgearbeitetes Interim an. Dieses erkennt die Heilige Schrift grosser dann aller mentschen gewalt an, gesteht den Protestanten die communio sub utraque (den Laienkelch) und ihren Geistlichen die Ehe zu, doch sollen sie an den sieben Sakramenten, der Form der katholischen Messe sowie der Heiligenverehrung festhalten. Gleichzeitig hält der Kaiser für die katholische Geistlichkeit eine Überraschung mit der formula reformationis bereit, in der vom Klerus eine rechte Lebensführung und ausreichende Kenntnisse in Glaubensfragen verlangt werden. Nur das gründliche Studium der Heiligen Schrift ermöglicht eine gute Predigt und verhindert, dass die Sakramente zu müßigen Schauspielen werden [Rabe89].

 

Karl hat große Hoffnung, mit seiner Kompromissformel den Religionsstreit im Reich zu beenden und zugleich seine kaiserliche Autorität im Sinne einer absoluten Monarchie zu stärken. Jedoch weder die protestantischen noch die katholischen Reichsstände lassen sich durch die kaiserliche Zwischenreligion einlullen. Sie bleiben wach und fürchten um ihre teutsche libertät, die nach den Vorstellungen Karls wohl bald in einer spanischen servitut enden möchte. Sie pochen auf ihre Privilegien und das Recht des Mitregierens: dann die churfursten welen einen kayser, so regirn die stendte mit dem kayser, und ist der kayser kein monarcha [Schm99].  Gegen die Bestrebungen Karls bemüht sich Moritz von Sachsen heimlich um die Hilfe des französischen Königs Henri II: Frankreich möge doch den unterdrückten Deutschen helfen und deren Libertät gegen den Kaiser verteidigen.

 

 

Unt williget nicht ins Interim, dan es hat den Schalck hinter im

 

In den folgenden Jahren findet das Augsburger Interim im protestantischen und katholischen Lager kaum Zustimmung. Flugschriften mit Spottversen machen die Runde: Selich ist der Man, der Gott vertruen kan, unt williget nicht ins Interim, dan es hat den Schalck (Schelm=Bösewicht) hinter im, d. h. es spaltet Katholiken und Protestanten weiter [Schi88]. Geistiges Zentrum des Widerstands der Protestanten ist Magdeburg, unsers Herrgotts Kanzlei [Rabe89]. In einer Flugschrift: Bekentnis, Unterricht und Vermanung der Pfarrhern und Prediger der Christlichen Kirchen zu Magdeburgk wird das Widerstandsrecht der unteren Obrigkeiten verkündet: Wenn die hohe Obrigkeit sich unterstehet, mit gewalt und unrecht [ihre Untertanen] zu verfolgen ... das Göttliche oder natürliche Recht, rechte Lere und Gottesdienst auffzuheben ... So ist die unter Obrigkeit schuldig, aus krafft Göttlichs befehls, wider solch der Obern fürnehmen, sich sampt den ihren ... aufzuhalten [Schi88].

 

Ob dieser Anmaßung ist die Stadt Magdeburg weil sie mit den Churfürsten zu Sachsen Johann Friedrichen in Bunde gewesen, und die Religions=formul das Iterim genant, nicht annehmen wollen, in die Acht erkläret, und von Churfürst Mauritio von Sachsen Anno 1550. belagert worden, so ein gantzes Jahr gewähret[Magd89]. Als der Kaiser Moritz zum obersten Feldhauptmann bei der (ersten) Belagerung von Magdeburg ernennt, sollte der wiederum in die Zwickmühle zwischen Loyalität zum Reich, protestantischer Pflicht und eigenem Ehrgeiz geraten. Insgeheim jedoch ist der Kurfürst bereits zum Oppositionsführer gegen Karl aufgestiegen, und so dient ihm diese Belagerung letztlich nur als Tarnung seiner verräterischen Aktivitäten.

 

 

Der Judas von Meißen

 

 Seinen Titel Judas von Meißen erhält Moritz dann endgültig, als er 1552 in der sogenannten Fürstenrebellion zusammen mit Landgraf Wilhelm von Hessen eigenmächtig den hochverräterischen Vertrag von Chambord unterschreibt, in dem mit Heereskraft und der Hilfe Frankreichs das Joch des vorgestellten Vihischen servituts Karls V. abgeworfen und die alte libertet vnd freiheit, vnsers gelibten vatterlands der Teutschen Nation bewahrt werden soll. Henri II unterstützt die aufständischen Fürsten nicht nur mit Geld, sondern Henricus Secundus Francorum Rex verschickt auch eine Sendschrifften mit dem Titel: Vindex Libertatis Germaniae et principum captivorum*. Ohne den Rächer ist es vmb das Reich vnd Teutsche Nation vnnd volgents umb die gantze Christenheyt geschehen [Schi88].

*Rächer der deutschen Freiheit und der [immer noch vom Kaiser im Schmalkaldischen Krieg] gefangenen Fürsten

 

 

Metz, Toll und Wirten

 

Als Gegenleistung erhält der französische König die Zusicherung, dass er die Stett, so zum Reich von alters gehöret, Vnd nit teutscher Sprach sein, als Nemlich Chamerich (Cambrai), Toll (Toul) Jn Lottringen, Metz, Verdun (Wirten), Vnd was derselben mehr weren, ane (ohne) Verzug Inneme, Vnd die als ein Vicarius* des Heiligen reichs, zu welchem titel wir seine königliche Majestät zukunftig zu befordern geneigt sein, Jnhabe vnnd behalte, Doch furbehalten dem Heiligen reich, sein gerchtigkeit so es denselben Stetten hat. So nimmt Reichsvikar Henri noch im gleichen Jahr in einem als voyage en Allemagne bezeichneten Feldzug die Städte Metz, Toul und Verdun ein und marschiert anschließend gen Straßburg. Doch an der Zaberner Steige macht er kehrt, weil ihm die Einnahme der Reichsstadt zu mühsam erscheint [Kata04].

 *Das Reichsvikariat beinhaltet das Recht zur Vertretung des deutschen Königs im Falle einer Thronvakanz. Dabei übt der pfälzische Kurfürst dieses Recht im westlichen Teil des Reiches, der sächsische in dessen östlichem Teil aus. Moritz überträgt das Vikariat über die zum Reich gehörigen, aber französisch sprechenden Hochstifte somit unberechtigt auf den französischen König.

 

Verbissen doch vergeblich berennt daraufhin der 52-jährige Kaiser drei Monate lang die Festung Metz und bricht schließlich müde die Belagerung ab mit der Bemerkung: Das Glück ist ein Weib, es liebt die Alten nicht [Wein93]. Karl zieht sich nach Innsbruck zurück und überlässt seinem Bruder Ferdinand die Verhandlungen mit den Reichsrebellen. Im Frieden von Passau erreicht Moritz von Sachsen die Freilassung seines Schwiegervaters und die Aussetzung des ungeliebten Interims. Darüberhinaus lässt er sich seinen Kurfürstentitel bestätigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Urkunde des
Augsburger Religionsfriedens von 1555

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carlos Emperador devot
de Montserrat

Statue des alten Karl V.
 im Kloster Montserrat oberhalb Barcelonas 

 

 

 

 

 

 

Philipp II.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Augsburger Reichsabschied von 1555

 

Wie schon Luther mutmaßte, hatte sich das seit 1545 tagende Konzil von Trient (bis 1563) nie ernsthaft um eine Annäherung zwischen den Konfessionen bemüht. Stattdessen werden dort mit tiefgreifenden innerkirchlichen Reformen die Waffen einer Gegenreformation geschmiedet.

 

Es ist verständlich, dass der amtsmüde Kaiser 1555 seinen Bruder Ferdinand (HRR ab 1556-1564) zum Reichstag nach Augsburg schickt allerdings mit der klaren Weisung: Und um Euch den Grund offen zu sagen, wie es sich unter Brüdern gehört und mit der Bitte, nichts anderes dahinter zu suchen: Es ist nur die Sache der Religion, bezüglich derer ich jene unüberwindlichen Bedenken habe, die ich Euch im einzelnen mündlich zuletzt bei unserer Zusammenkunft in Villach dargelegt habe [Rabe89]. Mit der von Karl geforderten kompromisslosen Einstellung in Glaubensfragen kommt die Einigung zwischen Katholiken und Protestanten in Augsburg nicht voran. Deshalb sucht König Ferdinand in Abweichung von seinem Bruder unter Wahrung des status quo nach einer pragmatischen Lösung im Religionskonflikt

 

 

Ubi unus dominus, ibi una sit religio

 

 Schließlich wird am 25. September 1555 nach zähem Ringen in Augsburg ein Friede zwischen den Ständen der Confessio Augustana und denen der Alten Kirche geschlossen, von dem jedoch die mit der Gegenlehr, die Reformierten, und alle Andersgläubigen ausdrücklich ausgeschlossen sind. Die Friedenspflicht betrifft die Reichsstände, die nach dem Grundsatz Ubi unus dominus, ibi una sit religio* ihren Untertanen eine Religion aufzwingen können, für die dann das exercitium publicum religionis** gilt. Anhängern der anderen Konfession wird lediglich das exercitium privatum religionis** zugestanden [Goer04]. Außerdem haben diese Menschen bei Gewissensnöten das beneficium emigrandi, das Recht auf Auswanderung, unter Verkauf ihres Hab und Guts.

*Wo ein Herr ist, dort sei eine Religion. Erst im 17. Jahrhundert wird daraus die griffige Formulierung: Cuius regio, eius religio

**öffentlicher Gottesdienst in Kirchen mit Glockengeläut im Gegensatz zu häuslicher Andacht auch in Bethäusern ohne Glocken  

 

Konfessionswechsel sind den Ständen freigestellt,  einer Sicherung geistlichen Besitzes nach dem Stand von 1552: Dort wo ein Herr ertzbischoff, bischof, prelat oder andere geistlich Stands von der alten religion abtretten würde, daß derselb seines Stands und ampts alsbald ipso jure de facto entsetzt sein solle [Rabe89]. Als Kompensation für das reservatum ecclasiasticum* garantiert der König in einer geheimen Declaratio Fernandiae in katholischen Gebieten den dort befindlichencprotestantischen Städten und Adeligen weiterhin Religionsfreiheit.

*Geistlicher Vorbehalt

 

In bikonfessionellen Reichsstädten wie Aachen oder Augsburg soll paritätisch verfahren werden, Bei Streitfällen ist das Reichskammergericht in Speyer anzurufen, das allerdings über eine katholische Richtermehrheit verfügt. Entscheidungen des Gerichts sind bindend und sollen notfalls kriegerisch mit einer Reichsexekution durchgesetzt werden [Ehre18].

 

Der Reichsabschied zum Religionsfrieden lautet: Um der Stände und Untertanen Gemüter wieder in Ruhe und Vertrauen gegeneinander zu stellen, die teutsch nation, unser geliebt vatterland, vor endlicher zertrennung und undergang zu verhütten, haben wir Uns mit Kurfürsten, Fürsten und Ständen und sie hinwiederum mit uns geeinigt und verglichen, ... [dass] die Keiserliche Maiestat und wir alle stende, ... auch ein stant den andern, bei diesen nachfolgenden religions-, auch gemeiner constitution des ufgerichten landfriedens alles inhalts bleiben lassen sollen ...[und] bei Keiserlichen und Königlichen würden, fürstlichen ehren, waren worten und peen des lantfriedens, ... die streitig religion nicht anders, dann durch christliche freundliche, friedliche mittel und weg zu einhelligem, christlichem verstand und vergleichung zu bringen [Lese89, Schi88].

 

Das ist zwar edel formuliert, aber letztlich bedeutet dieser Vergleich den Verlust der universitas christiana, der Klammer, die das Heilige Römische Reich bisher zusammenhielt: der Glaube an eine, allein seligmachende Kirche. Dass nun jeder Herr die Religion seiner Untertanen bestimmt, vertieft neben Zugeständnissen Ferdinands bei der landeshoheitlichen Gerichtsbarkeit und beim Münzwesen den föderativen Charakter des Reiches. So tritt in der Folge die Hausmachtpolitik der Fürsten gegenüber den Reichsinteressen stark in den Vordergrund. Auch das katholische Kaiserhaus Österreich zieht sich mehr und mehr auf seine Stammländer zurück.

 

 

Große Hoffnungen hatte ich - nur wenige haben sich erfüllt

 

Müde, erbittert und ausgebrannt dankt der erst 56-jährige Karl 1556 ab. Sein Rückzug zieht sich über elf Monate hin: Er legt das Amt des Meisters des Ordens vom Goldenen Vlies nieder, gibt seinem Sohn Philipp im Oktober 1555 zunächst Burgund, im Januar 1556 Spanien und die amerikanischen Provinzen sowie im April die Franche-Comté (die Freigrafschaft Burgund). Schließlich wird sein Bruder Ferdinand, dem schon die Habsburgischen Erblande gehören und der bereits König vom Böhmen und von Ungarn ist, im September 1556 König des Heiligen Römischen Reiches [Wind13].  

 

Dabei erklärt Karl: Vor vierzig Jahren, am selben Ort, am Vorabend des Dreikönigstages, hat mich der Kaiser, mein Großvater, für volljährig erklärt. Dann wurde ich König von Spanien, dann selbst Kaiser – Ich habe die Kaiserkrone gesucht, nicht um über noch mehr Reiche zu gebieten, sondern um für das Wohl Deutschlands und der anderen Reiche zu sorgen, der gesamten Christenheit Frieden und Eintracht zu erhalten und zu schaffen und ihre Kräfte gegen die Türken zu wenden. Ich habe darum viel beschwerliche Reisen machen, viele beschwerliche Kriege führen müssen … aber niemals mutwillig, sondern stets sehr gegen meinen Willen als Angegriffener...

 

Große Hoffnungen hatte ich - nur wenige haben sich erfüllt, und nur wenige bleiben mir: und um den Preis welcher Mühen! Das hat mich schließlich müde und krank gemacht. Ihr wisst alle wie sehr ... Ich habe alle Wirrnisse nach Menschenmöglichkeit bis heute ertragen, damit niemand sagen könnte, ich bin fahnenflüchtig geworden. Aber jetzt wäre es unverantwortlich, die Niederlegung noch länger hinauszuzögern. Glaubt nicht, dass ich mich irgend Mühen und Gefahren entziehen will. Meine Kräfte reichen einfach nicht mehr hin. Vertraut meinem Sohn, wie er euch vertraut, seid einig, übt stets Gerechtigkeit und lasset den Unglauben nicht in eure Reihen. Zu dieser Erklärung passt der Text des angeblichen Lieblingslieds Karls. Wurde es bei dieser Gelegenheit gespielt?

 

Mille regretz de vous abandonner
Et d'eslonger vostre fache amoureuse,
Jay si grand dueil et paine douloureuse,
Quon me verra brief mes jours definer. 

Tausendfach bedaure ich, euch zu verlassen,
 Mich von eurem liebevollen Antlitz zu entfernen,
 Ich fühle soviel Traurigkeit & schmerzhafte Verzweiflung,
 Dass man mich bald meine Tage enden sehen wird.

 

Der Kaiser fährt fort: Was mich betrifft: ich weiß, daß ich viele Fehler begangen habe, große Fehler, erst wegen meiner Jugend, dann wegen des menschlichen Irrens und wegen meiner Leidenschaften, und schließlich aus Müdigkeit. Aber bewusst habe ich niemandem Unrecht getan, wer es auch sei. Sollte dennoch Unrecht entstanden sein, geschah es ohne mein Wissen und nur aus Unvermögen: ich bedaure es öffentlich und bitte jeden, den ich gekränkt haben könnte, um sein Verzeihen. [Schm06].

 

Schreibt‘s am 25. Oktober 1555 in Brüssel und zieht sich anschließend in das spanische Kloster San Yuste zurück. Nun ist er richtig verrückt geworden [Grae05], kommentiert Papst Paul IV. diese Entscheidung wohl im Hinblick auf des Kaisers wahnsinnige Mutter Johanna.

 

Bereits 1558 stirbt Karl. Sein Erbe wird geteilt, wie er es gewünscht hatte, zwischen seinem Sohn Philipp und seinem Bruder Ferdinand, der sich de facto schon seit 1522 wesentlich um die Innenpolitik des Reiches gekümmert hatte. Die versammelten Kurfürsten zu Frankfurt wählen den römischen König zu Karls Nachfolger und setzen ihn ohne Mitwirkung des Papstes als Erwählten Römischen Kaiser auf den Thron [Rabe89].

 

 

Frieden ? in deutschen Landen von 1555 bis 1618

 

Kaum ist der Religionsfriede unter Dach und Fach, bricht unter den Protestanten ein erbitterter Streit um den rechten Glauben aus. Im Vorfeld der Wormser Religionsgespräche von 1557 hatten sich die Anhänger der angeblich reinen lutherischen Lehre die Gnesiolutheraner als Fundamentalisten nicht mit den Pragmatikern der von Erasmus und Melanchton beeinflussten gemäßigten Philippisten, die einen Ausgleich mit den Katholiken anstreben, auf eine gemeinsame Diskussionsplattform einigen können, so dass die katholische Verhandlungsdelegation entnervt abgereist war.

 

Als nach dem Scheitern der Gespräche die Parteien in altbewährter Manier mit Streitschriften das Klima anheizen wollen, führt Zasius aus, dass dies noch mehr verhassung verursachen werde, Gott welle es einmal zue ain mittern und einträchtigen weg richten [Schm99]. So müssen häufig die Landesherren eingreifen, damit ihnen bei einer zu großen Abweichung der Lehrmeinung von der Confessio Augustana  in ihren Herrschaften die Friedensgarantie von Augsburg nicht verloren geht.

 

Der Augsburger Religionsfrieden ist brüchig, besonders da Katholiken und Protestanten im Nachhinein versuchen, das Kräfteverhältnis zwischen den Konfessionen zu ihren Gunsten zu ändern. So werden die altehrwürdigen katholischen Bistümer Bremen und Verden abgewickelt.

 

Bereits 1556 wird im Südwesten des Reiches Baden-Durlach evangelisch und Markgraf Ernst Friedrich besetzt 1596 zum Missfallen der altgläubigen Stände das überschuldete Baden-Baden seines katholischen Vetters Eduard Fortunat. Die Kur- und die Oberpfalz kehrt nach einem kurzen katholischen Zwischenspiel zur Reformation zurück und wird 1571 nach dem Bekenntnis seines Kurfürsten Friedrichs III. sogar calvinistisch. 

 

An der Saar und im Unterelsass werden nach 1555 zunächst nur kleine Herrschaften protestantisch. Doch dann lässt der Verlust des Reichsvogteisitzes Hagenau und der Reichsstadt Colmar - Ferdinand I hat solche anno 1558 durch einen Vertrag an sich gebracht und dem hauß Oesterreich einverleibt [Bade61] - für den alten Glauben die habsburgischen Landesherren an kriegerische Auseinandersetzungen denken [Rabe89]. Andererseits fürchtet mit der Ablösung der Pfälzer durch die Habsburger als Landesherren die Dekapolis um ihre religiöse Freiheit, zumal der erste Repräsentant des Kaisers, der Reichsvogt Nikolaus Bollwiller, ein katholischer Hardliner ist. Die zehn Städte schließen die Ränge im Namen ihrer Freiheit: die katholischen Städte unterstützen die protestantischen. Im Jahre 1577 kommen die Vertreter des Städtebundes in Straßburg zusammen und bekräftigen formell ihren Vertrag auf gegenseitiger Unterstützung und religiöse Toleranz.

 

Es kommt zu Säkularisierungen von Klöstern in protestantischen Territorien wie der Vereinnahmung von vier Klöstern durch die evangelischen Landesherren. Das verstößt eindeutig gegen das reservatum ecclasiasticum und so landet der Vierklösterstreit von 1598 beim Reichskammergericht, dass Dank seiner katholischen Mehrheit die Restitution des Kircheneigentums verfügt. Eine Revision des Urteils beim reichsständigen Deputationstag verfängt nicht, da auch dort die Katholiken die Mehrheit haben. Daraufhin blockieren die Protestanten im Jahr 1600 eine Revision des Reichskammergerichts.

 

In bikonfessionellen Reichsstädten werden sich ändernde Ratsmehrheiten zur Belastung der konfessionellen Koexistenz [Ehre18]. Aber auch bei stabilen Verhältnissen erregen Provokationen durch katholische Prozessionen den Unmut der Protestanten. Hat der Konflikt von 1608 in Donauwörth wegen der prunkvollen Markusprozession die Katholiken in Nordirland zur Nachahmung angeregt? Das Aufbegehren der protestantischen Mehrheit zieht eine Reichsexekution nach sich, bei der der damit beauftragte Herzog Maximilian von Bayern die freie Reichsstadt annektiert und zu einer katholischen Landstadt degradiert.

 

 

... bin auch zu nichts verpflichtet ...

 

Während in Württemberg inzwischen die Mehrheit des Adels protestantisch ist, kommt es am Oberrhein zu einer Adelskrise, denn im katholischen Vorderösterreich ist im Elsass die Ritterschaft lutherisch gesinnt. Deshalb mahnen  besonnene Männer - wie Lazarus von Schwendi unter dem Eindruck der Gräuel der Bartholomäusnacht im Nachbarland und der das Reich bedrohenden Türkengefahr - ein friedliches Zusammenleben zwischen den Konfessionen an.  Als ehemaliger General der kaiserlichen Truppen an der Ostfront gegen die Türken betont er, dass Religionsstreitigkeiten, die Fähigkeit des Reiches gegen die Ottomanen zu kämpfen, schwächen. Als Autor eines Werks über die Regierung des Reiches und die religiöse Toleranz übt er diese auch in seinem Privatleben, indem er als zweite Frau eine Protestantin heiratet.

 

Als er 1573 zum kaiserlichen Reichsvogt in Hagenau ernannt wird, ruht die ganze Hoffnung der protestantischen Städte im Elsass auf ihm. Er enttäuscht sie nicht. Als die vorderösterreichische Regierung in Innsbruck ihn auffordert, die drei evangelischen Untervögte von Münster, Türkheim und Kayserberg abzusetzen, ignoriert Lazarus diesen Befehl [Vogl09]. Er schreibt dazu: Es denn auch meins thuens und beruefs nit ist, mich in die verfolgung und austilgung der newen religion einzumischen. … Das ich mich aber für mein person in die sachen mischen und den leüthen ire gewissen zu einer oder andern religion grüblen, zwingen und verpflichten solt, das ist meins berueffs, thuens und gemüeths gar nit, bin auch zu nichts verpflichtet … [Spec18].

 

 

Wo das christentum dann sey ?

 

De zielenvisserij, die Seelenfischerei. Eine Allegorie des Malers Adriaen Pietersz. van de Venne um 1614 zu den Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken in den Niederlanden. Während zur Linken die Protestanten versuchen, die schiffbrüchigen Seelen in ihr Boot zu ziehen, ist oben rechts die katholische Geistlichkeit um die religiös Ertrinkenden bemüht.

Den einfachen Bauern und Bürgern bleiben die Glaubensstreitigkeiten unverständlich, wenn der schlesische Dichter Friedrich von Logau fragt: Luthrisch, Päbstisch und Calvinisch, dies Glauben alle drey sind vorhanden; doch ist Zweifel, wo das christentum dann sey. Damals kursiert folgendes Flugblatt [Schi88]:

 

Die liebe fromme Einfalt, durch einen armen Schafhirten vorgebildet, sagt vnd klagt:


ACh HERR Gott, ein elends wesen,
wir können wedr schreibn noch lesen,
Sein vngelehrt, einfältig Leut,
Verstehen nicht den grossen Streit,
So all Lehrer täglich treiben,
In dem predigen vnd schreiben,
Werden im Glauben nur verjrrt,
Mancher gar Epicurisch wird,
Oder lebt so hinein im Tag,
Daß er gar nichts mehr glauben mag.

Es ist etwann bey hundert Jahr,

Fiel Luther dem Bapst in die Haar,
Der Bapst wolt das nicht gut seyn lan,
Fiel den Luther auch wider an,
Das rauffen wärt ein kurtze Frist,
Da mengt sich drein der Calvinist,
Fiel Bapst vnd Luther in die Haar,
Drauff der Zanck noch viel ärger war,
Dann Bapst vnd Luther widerumb,
Sich raufften mit Calvin, all umb,
Schwer Artickel, ohn maß vnd end,
Das hochwirdige Sacrament,
Gab vns der Bapst in einer gstalt,
Der Luther wider, brach das bald,

Raycht vns den Leib vnd Blut deß Herrn,
In beyder gstalt,viel glaubtens gern;
Calvinus sagt die Meynung sein:
Es wer nichts da dann Brot vnd Wein,
Das grüblen verstehe ich nit,
In der Tauff habens auch viel Strit,
Vnd von der Person Jesu Christ,
Ein grosses disputiren ist,
Von seiner Allenthalbenheit,
Ist widerumb ein schwerer Streit,
Deßgleichen von der Gnadenwahl,
Habens ein grossen Zanck zumal,
Luther spricht: daß jeder Mensch frey,
Zur Seligkeit versehen sey.
Aber Calvin verwirfft die Lehr,
Deß rauffens ist layder noch mehr:
Der Bapst rufft die Heiligen an, Luther,
Calvin lassens anstahn,



Wollen auch von der Meß nichts hörn,
Der Bapst helts heilig, hoch in Ehrn,
Auff Maria die Jungfrawen,
Setzt Bapst Hoffnung vndVertrawen,
Dagegen Luther vnd Calvin,
Verachten das in jhrem Sinn.
Der Bapst wil, man soll Walfahrt gahn,
Luther vnd Calvin fechtens an.
Der Bapst verbeuts Fleisch in der Fastn,
Drumb heissen sie jhn ein Fantastn.
Der Bapst die Heiligthumb verehrt,
Luther und Calvin solchs abwehrt.
Bapst und Luther die Bilder leidn,
Calvinus sagt: man soll sie meidn.
Meßgewand, Kertzen, die Kirch zu ziern,
Das läst Luther dem Bapst passirn.
Dargegen wil der Calvinist,
Das der Brauch gar vnnötig ist.
Bapst und Luther zu feyrn pflegen
ApostlTag, aber dagegen
Widerspricht solchs der Calvinist.
Im Calender auch ein Streit ist*,
Der New Calender als ich sag,
Gfällt allweg eh vmb zehen Tag.
Luther vnd Calvin die zween Mann,
Wollens zehen Tag später han.
Der Punct seynd ein grosser Hauffen,
Drumb sich die drey Männer rauffen,
Vnd wäret noch je länger je mehr,
Der gemein Lay beklagt das sehr,
weil er davon wird jrr vnd toll,
Weiß nicht wem Theil er glauben soll,
Vnd ist layder zu vermuten,
Es möcht sich noch ein Lehr außbruten.

Beschluß:

HERR Jesu, schaw du selbst darein,
Wie vneins die drey Männer seyn,
Komm doch zu deiner Kirch behend,
Vnd bring solch zancken zu eim end.

E N D E.

*Als Gregor XIII. 1582 mit der Bulle Inter gravissima den Julianischen Kalender mit dem Sonnenlauf wieder in Einklang bringt, wird der resultierende Verlust von 10 Kalendertagen von den Reformierten nicht akzeptiert. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts ist der neue verbesserte Kalender in den deutschen Landen allgemein eingeführt.

 

Wohl dem, der bei all dem Hader und all der Verwirrung sein Gottvertrauen nicht verliert wie Georg Neumark:

 

Wer nur den leben Gott lässt walten,
und hofft auf ihn allezeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut
der hat auf keinen Sand gebaut.

 

 

 

 

An die Radherrn aller stedte deutsches Lands

 

Christliche schulen auffrichten und hallten

 

Die Glaubensrichtungen versuchen, sich auch im Bildungsangebot zu übertreffen. Luther selbst hatte bereits 1520 verlangt, in den Schulen soll die furnehmst vnd gemeynist lection sein, die heylig schrifft, vnnd den iungen knaben das Evangelij. Vnd wolt got, ein yglich (jegliche) stadt, het auch ein maydschulen, darynnen des tags die meydlin ein stund das Euangelium horetenn, es were deutsch odder latinisch. Der Reformator weiß, dass die Bildung der Jugend seinen aufklärerischen Bestrebungen gut tut, denn wenn Schulen zunehmen, so stehets wol, und die Kirche bleibt rechtschaffen. Junge Schüler und Studenten sind der Kirchen Samen und Quellen. Um der Kirche willen muss man christliche Schulen haben und erhalten; denn Gott erhält die Kirch durch Schulen, Schulen erhalten die Kirch [Goer04].

 

Da es aber an Schulen mangelt, richtet Luther 1524 An die Radherrn aller stedte deutsches lands die dringende Bitte, das sie Christliche Schulen auffrichten und hallten sollen ... die allerbesten Schulen, beide für Knaben und Maidlein, an allen Orten aufzurichten, dass die Welt ... doch bedarf feiner, geschickter Männer und Frauen, dass die Männer wohl regieren könnten Land und Leute, die Frauen wohl ziehen und halten könnten Haus, Kinder und Gesinde [Schi88]. In seiner Schrift verteidigt er besonders die Lehre der alten Sprachen und zeichnet gleichzeitig ein Bild seiner Landsleute, welches die Jahrhunderte überdauert hat: Ja, sprichstu aber mal, ob man gleich sollt und müste schulen haben, was ist uns aber nütze lateynisch, kriechisch und ebreyisch zungen und andere freye künste zu leren? künden wyr doch wol deutsch die Bibel und Gottis wort leren, die uns gnugsam ist zur selickeyt. Antwort: Ja, ich weys leyder wol, das wyr deutschen e müssen ymer bestien und tolle thier seyn und bleyben, wie uns denn die umbligenden lender nennen und wyr auch wol verdienen. Mich wundert aber, warumb wyr nicht auch ein mal sagen: Was sollen uns seyden, wein, würtze und der frembden auslendischen ware, so wyr doch selbs weyn, korn, wolle, flachs, holtz und steyn ynn deutschen landen nicht alleyn die fülle haben zur narung, sondern auch die kür und wal zu ehren und schmuck? Die künste und sprachen, die uns on schaden, ja grösser schmuck, nutz, ehre und frumen (frommen) sind beyde zur heyligen schrifft zuverstehen ... So lieb nu alls uns das Euangelion ist, so hart last uns uber den sprachen hallten. Denn Gott hat seyne schrifft nicht umb sonst alleyn ynn die zwo sprachen schreyben lassen, das allte testament ynn die Ebreische, das new ynn die Kriechische. Welche nu Gott nicht veracht, sondern zu seynem wort erwelet hat fur (vor) allen andren, sollen auch wyr die selben fur allen andern ehren [Köpf01].

 

 

Daß man Kinder zur Schule halten solle

 

Zeitlebens verteidigt Luther auch die humanistisch-reformatorische Universitätsausbildung. In seiner Predigt, Daß man Kinder zur Schule halten solle, sagt er 1530: Und kehre dich nichts daran, dass jetzt der allgemeine Geizwanst die Wissenschaft so sehr verachtet und sagt: Ha, wenn mein Sohn deutsch schreiben, lesen und rechnen kann, so kann er genug; ich will ihn zum Kaufmann (in die Lehre tun). Sie sollen in Kürze so kirre werden, dass sie einen Gelehrten gern zehn Ellen tief aus der Erde mit den Fingern grüben. Luther begründet die Universitätsausbildung von Theologen und Juristen wie folgt: Denn der Kaufmann soll mir nicht lange Kaufmann sein, wo die Predigt und die Rechte hinfallen (nicht beachtet werden), das weiß ich fürwahr. Wir Theologen und Juristen müssen bleiben, oder sie sollen allesamt mit uns untergehen ... Wo die Theologen aufhören, da hört Gottes Wort auf und bleiben nichts als Heiden, ja nichts als Teufel; wo die Juristen aufhören, da hört das Recht samt dem Frieden auf und bleibt nichts als Raub, Mord, Frevel und Gewalt, ja nichts als wilde Tiere. Theologie und Recht sind für ihn die Garanten der Gesellschaft und gewähren den moralischen und rechtlichen Schutz für die menschlichen Aktivitäten wie der des Kaufmanns, denn was aber der Kaufmann erwerben und gewinnen wird, wo der Frieden aufhört, das will ich ihm alsdann sein Kassenbuch sagen lassen, und wie nütze ihm alsdann all sein Gut sein wird, wo die Predigt dahinfällt (entfällt), das soll ihm sein Gewissen recht zeigen [Goer04].

 

Die hohen Schulen im Reichsgebiet boomen. Nach der Neugründung von evangelischen Universitäten wie Marburg (1529), Königsberg (1544), Jena (1558), Helmstedt (1576), Gießen (1607), Straßburg (1621), Rinteln (1621) und Altdorf bei Nürnberg (1622) beklagt der Jesuit Petrus Canisius im Zuge der Gegenreformation auch Zweiter Apostel Deutschlands genannt: Es ist ja wirklich traurig, dass die Katholiken in Deutschland so wenig und noch dazu ganz armselige Universitäten haben [Schi88]. Deshalb betreibt er als Vorstufe von katholischen Hochschulen die Gründung von Ausbildungsstätten für Jesuiten. Aus der 1533 gegründeten Schule in Dillingen wird dann 1554 eine Universität. Später bekommt die Gegenreformation mit Würzburg (1582), Graz (1585), Paderborn (1614), Molsheim im Elsass (1617) und Salzburg (1622) weitere hohen Schulen. Die Calvinisten, weniger zahlreich, betreiben die altehrwürdige Universität von Heidelberg (1386), gründen 1584 Herborn und übernehmen 1605 die bis dahin evangelische Hochschule Marburg.

 

 

Die statt Freyburg im Preißgew ist ain zimbliche, schöne, wolerpawne statt

 

Auch in einer 1563/64 erschienenen Beschreibung der vorderösterreichischen Lande wird zunächst die Freiburger Universität erwähnt: Die statt Freyburg im Preißgew ist ain zimbliche, schöne, wolerpawne statt, allda auch in dieser statt ain universität oder hohe schuel ist. Daselbs möcht ain landsfürst wol je zu zeiten sein residenz halten und besuechen. Wie wol es nun in der stat kain burg oder schloß hat, so möchte doch etwa mit der zeit ain glegne burg mit wenigistem costen alda erpawt und zuegericht werden* ... die gemelte statt Freyburg samt der universitet daselbs steet dem hochloblichen haus Österreich wol an und ziert die Verdern Land (Vorlande) nit wenig [Zotz02].

*Gemeint ist das Burghaldenschloss, welches 1366 die Freiburger Bürger beim Aufstand gegen Graf Egino IV. arg zugerichtet hatten. Zwar hatte die Stadt es notdürftig wieder hergerichtet, doch ohne angemessene Räume für die Unterbringung eines hohen Gastes.  

In Ermangelung einer Freiburger Residenz hatte Ferdinand bei seinem ersten Besuch 1524 immerhin  in des Kaysers Haus zu den Predigern Wohnung nehmen  können. Jetzt im Jahre 1562 bei seinem zweiten Aufenthalt in der Stadt muss er mit dem Haus zum Walfisch vorlieb nehmen. Der Kaiser kommt aus Frankfurt, wo die Fürsten seinen Sohn Maximilian (II.) als deutschen König zu seinem Nachfolger bestimmt hatten. Es war die letzte Krönung, an der sämtliche Kurfürsten persönlich anwesend waren.

 

 

Zu Freiburg christlich ...

 

Ferdinand verbringt Weihnachten 1562 in der Stadt und bleibt bis zum 7. Januar 1563 in Freiburg. Damit der Kaiser während der Weihnachtsfeiertage die Gottesdienste ungestört in der nahe gelegenen Klosterkirche St. Martin besuchen kann, lässt die Stadt einen gedeckten Gang vom zweiten Stock des Hauses zum Walfisch zur Kirche errichten [Spec10]. Wohl auch deshalb mögen die Hofleute den Empfang in Freiburg als christlich bezeichnet haben. Sonst sind des Kaisers Begrüßung und Bewirtung entlang seiner Reiseroute zu Frankfurt unbesinnlich, zu Mainz fürstlich, zu Oppenheim vermöglich, zu Speyer tapfer, zu Landau liederlich, zu Hagenau demüthig, zu Straßburg prächtig, zu Schlettstadt bäuerisch, zu Kolmar freundlich, zu Breisach kriegerisch, zu Freiburg christlich, zu Basel herrlich, zu Rheinfelden zierlich, zu Waldshut einmüthig, zu Schaffhausen einfältig, zu Konstanz stattlich, zu Ueberlingen listiglich, zu Ißny mäßig, zu Kempten ehrlich, zu Innsbruck kaiserlich [Weiz38].

 

Auch bei seinem zweiten Besuch in Freiburg geht es Ferdinand weniger um den rechten Glauben seiner Schäfchen als um neue Geldquellen. Die hat er bitter nötig, denn zusätzlich zu steigenden Militärausgaben muss der Kaiser den Türken für einen abgeschlossenen Stillhaltefrieden 30 000 Gulden jährlich entrichten. Deshalb bestellt Ferdinand für den 29. Dezember einen Landtag zu Freiburg und verlangt für fünf Jahre eine Steuer von einem Gulden pro 100 Gulden Vermögen.  Diese unerhörte Zumutung weisen die Stände zurück. Schließlich einigt man sich auf einen Kompromiss: die Stände überweisen jährlich 40 000 Gulden an die kaiserliche Kasse. Hinzu kommen ein Rappenpfenning von jeder Maas in Wirthshäusern ausgeschenkten Weins und eine Einmalzahlung von viermalhunderttausend Gulden. Hierbei haben es auch ihre Majestät allergnädigst bewenden lassen mit Vermelden: was Sie mit gutem Willen von ihren Ständen nicht erhalten, begehrten Sie auch nicht durch andre Mittel zu suchen. Quod notandum* [Schr57].

*Was festzuhalten ist

 

 

Es könnte mich auch Gott höher nit strafen,
als daß er von dem katholischen Glauben mich ließ abfallen

 

Ferdinand I. muss erleben, dass der Protestantismus in seinen Erbländern immer weiter um sich greift. Da sein ältester Sohn Maximilian II., seit 1562 gewählter römischer König, mit der neuen Religion sympathisiert, teilt er mit Bedacht im Jahre 1564 die habsburgischen Gebiete unter seine drei Söhne auf.

 

Maximilian, Haupt der casa d’Austria und nach dem Tode seines Vaters im gleichen Jahr Kaiser (1564-1576) erhält Ober- und Niederösterreich mit der Hauptstadt Wien und ist König von Böhmen und Ungarn, der zweite Sohn Erzherzog Ferdinand (1564-1595) wird Herrscher über Tirol, Vorderösterreich und die Vorlande und residiert in Innsbruck, während Ferdinands Jüngster Erzherzog Karl (1564-1590), in Graz über die Steiermark, Kärnten, Krain und Görz regiert.

 

Vater Ferdinand ätte seine Freude an Karl gehabt, betreibt der doch in Innerösterreich energisch die Gegenreformation. Erzherzog Ferdinand dagegen setzt zunächst auf ein Lippenbekenntnis: daß ich ein katholischer Fürst bin und mit Gottes Gnaden bleiben will; es könnte mich auch Gott höher nit strafen, als daß er von dem katholischen Glauben mich ließ abfallen. Ich bin die Kirche zu defendieren gesonnen, und sollte es auch mein Blut kosten [Desc08]. Diese Gefahr besteht nicht, denn die Vorlande mit Freiburg bleiben weiterhin gut katholisch.

 

Erzherzog Ferdinand kommt trotz der Ermahnungen Lazarus von Schwendis, dass die vorderösterreichischen Lande ein Fürstentum mit einer stolzen Ritterschaft seien, erst m 20. Oktober 1567 in den Breisgau. Nach einem feierlichen Einzug der 50 Mann starken Delegation ins Freiburger Münster, dient man Ferdinand die Stadt als Residenz an. Doch nach der Erbhuldigung fordert er vielmehr, man möge ihm doch Schulden von einer Million Gulden abnehmen. Schließlich bewilligen die Stände unter Hinweis auf die zu teure Hofhaltung nur 600 000.

 

Wegen der dem Protestantismus zuneigenden Ritterschaft lässt Ferdinand eine konfessionelle Bestandsaufnahme in seinen Gebieten erheben und bestimmt 1579 seinen illegitimen Sohn Andreas von Österreich (1558-1600) zum Gubernator in den Vorlanden. Als Kardinal und Bischof von Konstanz und Brixen ist Andreas besonders geeignet, den rechten Glauben zu vertreten, zumal er auch als Propst von Patris, Ölenberg, Kaltenbrunn, St. Morand und St. Ulrich auf der Larg im Elsass dem Prälatenstand angehört [Spec10].

 

 

   

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Mahntafel am Freiburger Martinstor

 

 

 

 

 

 

 

 

Hexen brauen Hagel im Hefelin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gebhard
Truchsess von Waldburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rudolf II.

 

 

 

Franz Grillparzer 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein brüchiger Friede, während in den Nachbarstaaten Kriege toben

 

Die Zeit von 1555 bis 1618 war bis zum Jahre 2008 die bisher längste Friedensperiode der deutschen Geschichte*, in der Schweden Krieg mit Dänemark, Russland und Polen um die Ostseeherrschaft führt.

*Ab 2009 nur mehr die zweitlängste Friedensperiode

 

Die Niederlande beginnen 1568 mit einem Aufstand ihren 80-jährigen Dauerkrieg mit Spanien nur unterbrochen von einem Waffenstillstand von 1609 bis 1621. Dagegen hatten die spanischen Habsburger 1604 an der Somerset House Conference ihren Frieden mit den Engländern gemacht.

 

In Frankreich toben ab 1562 die Hugenottenkriege - mit ihrem Höhepunkt der Bartholomäusnacht am 24. August 1572 - und finden erst 1598 mit dem Frieden von Vervin und dem Toleranzedikt von Nantes ihr vorläufiges Ende. Nachdem Frankreich zur Ruhe gekommen ist, flammt der Gegensatz zwischen den Habsburgern und den Bourbonen wieder auf.

 

Zwar bedrohen die Türken immer wieder die Ostgrenze des Reiches, doch lässt diese Gefahr Katholiken und Lutheraner gegen den Erbfeind der Christenheit eher zusammenrücken. Die Stände und vor allem die Kurfürsten sehen sich in zunehmender Verantwortung für das Reich. Flugschriften appellieren, das gemeine Vaterland zu beschützen wider des Türken wüten und toben ... Dann bürgerlicher Krieg und Zwytracht haben niemals keinen nutzen noch frommen geschaffet ... [Schm99].

 

 

Der Pfaltzgraff mit Secten behengt?

 

So kommt es, dass anfänglich die Reichstage dem Kaiser fast gänzlich ohne Murren die finanzielle Türkenhilfe bewilligen, doch das Zusammengehörigkeitsgefühl im Angesicht der äußerlichen Bedrohung überdeckt nur eine fortschreitende Zerrüttung des Reiches durch religiöse Auseinandersetzungen.

 

Maximilian II. als Rem. Keyser im Kreise seiner Kurfürsten.
Dritter von rechts: der mit sondern Secten behengte Pfalzgraf

Kaiser Maximilian II. (1564-1576), den Evangelischen zugeneigt, ist besonders die Abweichung der Kurpfalz von der Confessio Augustana ein Dorn im Auge, wenn er von schädlichen Secten spricht, die mit schrecklicher ärgerung und verwirrung vieler Christlicher gewissen ... gantz beschwerlich einwurtzeln. Und so fragt er im Jahre 1566 auf dem Reichstag in Regensburg die lutherischen Reichsstände ganz direkt, ob sie dafür hielten, daß er der Pfaltzgraff, der augspurgischen Confession mit verwandt wäre oder ob er mit sondern Secten behengt sei [Rabe89].

 

 

 

Heidelberger Katechismus

 

Vielleicht hatte Maximilian den Heidelberger Katechismus aus dem Jahre 1563 gelesen, nach dem beim Abendmahl Brot und Wein nicht in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden. Der Sohn sitzt der zur Rechten Gottes und steigt nicht bei jeder Messe auf den Altar herab. Das Abendmahl ist lediglich ein gedechtnuß-Mahl.

 

 Als Mitautor dieses Katechismus verteidigt der Pfälzer Friedrich auf dem Reichstag seine Sakramentsauffassung und fordert wie weiland Luther mit der Bibel in der Hand vehement seine Mitkurfürsten auf, ihn eines Besseren zu belehren. Zur Wahrung des Religionsfriedens erreicht Kurfürst August von Sachsen schließlich eine Tolerierung des Heidelberger Katechismus im protestantischen Lager [Zwie13].

 

 

Soll man straffen vom leben zum tode,
unnd man solle solliche straff mit den feur thun

 

Hexenverfolgungen hat es in ganz Europa seit dem 15. Jahrhundert gegeben. Auf dem Konzil zu Konstanz (1431-1437) definiert sich der dämonisch verschwörerische Charakter der Hexen und Hexenmeister. Der malleus maleficarum (Hexenhammer) der Dominikanermönche Jakob Sprenger und Heinrich Institoris von 1487 liefert schließlich das Instrumentarium zur Identifizierung und Verurteilung von Hexen: Dann es ist unlaugbar wahr, das die Zauberer, Unholden; und Hexenwerckh ein unmenschlich, abschewlich, auch unnatürlich Laster, Jha, quod plus est crimen laesae Maiestatis divinae* dann vermög nit allein der weltlichen, sonder auch der Göttlichen Rechten die Zauberer und Zauberin Eintweder mit dem fewer abzuetilgen, oder sie sonsten anderwerths hinzurichren seÿen [Thie97].

*was mehr ist, ein Verbrechen, welches die göttliche Majestät verletzt

 

Ende des 15.Jahrhunderts erreichen Hexenverfolgungen und –prozesse das Oberrheingebiet, doch werden bis zum Ende des 16.Jahrhunderts in Freiburg lediglich acht Hexen zum Tode verurteilt. Dagegen kommt es zu zwei Häufungspunkten im Jahr 1599 und in den Jahren 1603/1604 mit jeweils 20 Prozessen und 12 Hinrichtungen bzw. 21 Prozessen und 13 Hinrichtungen. Die Anklagen beziehen sich üblicherweise auf die Behexung von Menschen (meist chronische Erkrankungen) und Tieren (Lähmung) sowie Missernten und das Brauen von Unwettern. Eine Catharina Memmingerin gesteht ihren Richtern: Item und zum fünfzehnten wahr, dass sie vor ungefähr sieben Wochen neben anderen … in (den) Bromberg gefahren seien. Daselbst geholfen in einem Hefelin (Hafen=Gefäß) ein Wetter kochen, das sie mit anderen Weibern umgestoßen, der Meinung, den Reben und daran verhoffenden Herbst was Schaden zuzufügen [Thie97]. Um zu wahrer erkanndtnuß zu erlangen, werden Urgichten (Geständnisse) regelmäßig mit einer peinlichen Befragung, d. h. unter Folter erzwungen, unter der auch nach Komplizen geforscht wird. Gegen gutes Honorar liefert die Rechtsfakultät der Freiburger Universität für die Hexenprozesse regelmäßig Gutachten im Sinne der Anklage und empfiehlt beim crimen exceptum der Hexerei, die Folter sollte so lange, so oft und mit solchen Mitteln ausgeübt werden können, dass ein Geständnis unweigerlich erzielt werden konnte [Thie97].

 

Peinliche Befragung von Frauen durch den Folterknecht

 

Etwa ein Viertel der Verurteilten sind Hexenmeister, doch der Großteil der Hingerichteten entspricht dem typischen Hexenbild: es sind alte Frauen meist Witwen. So beklagt sich Salome Mennin 1603: Meine Herren werden aber ein Häufflin Arme verbrennen, und wan es an die Reichen khompt, werde man nachlassen [Thie97]. Dies ist vielleicht die einzige Irrung der Verurteilten, denn vier Jahre zuvor hatte das Freiburger Hexengericht zwischen dem 30. Januar und dem 24. März 1599 zunächst neun Arme und Alte zum Tode verurteilt und hinrichten lassen, dann aber mit den Ratswitwen Catharina Stadellmenin, Anna Wolffartin und Margaretha Mößmerin drei Frauen der Oberschicht gefangen gesetzt und zur Erzwingung von Geständnissen gefoltert. Catharina Stadellmenin, die zu später Stunde getanzt und andere Frauen getroffen habe, wird von ihren Nachbarn und dem Münsterpfarrer ein lasterhaftes Leben vorgeworfen. Schnell wird man so zur Hexe, zumal Mitbürger auf dem Schlossberg Hexenzusammenkünfte, d. i. eine große Menge Volckh, gleichsamb springendt und durcheinander-wipselnd, beobachten.

 

Eintragung im Vergichtbuch der Stadt Freiburg über die Hinrichtung von Margaretha Mößmerin und ihren Kolleginnen

 

Nachdem wie üblich die drei Frauen unter den Schmähungen des Pöbels auf offenen Karren vor die Stadtmauer gebracht worden waren, berichtet das Buch der Geständnisse, das Vergichtbuch über den weiteren Verlauf des 24. März 1599: Diese Margaretha Mößmerin ist sampt vorgehenden und nachvolgenden hexen mittwochen den 24. Martii anno 1599 uff dem schutzrein (Schützenrain) mit dem schwerdt gericht unnd hernacher under dem galgen zuo asche verbrentt worden. Gott verzeihe den armen seelen. Amen. Wegen ihrer Geständnisse hatte man die Frauen gnadenhalber enthauptet, bevor man ihre Leichen in Anwesenheit der Obrigkeit und der Zünfte verbrennt.

 

Zuständig für die Prozesse gegen die erwähnten zwölf Frauen ist Johann Jacob Renner, Stadtrat, Obristmeister und für Jahr 1599 auch Statthalter des Schultheißen in Freiburg. Im Jahre 1882 benennt der Stadtrat eine Straße nach Renner, der sein Erbe von 18.000 Gulden den Armen Freiburgs gestiftet hatte.

 

 

Eine von der Stadt beauftragte Namenskommission empfiehlt 2016 in ihrem Gutachten, die Rennerstraße umzubenennen, denn Renner habe sich damalige klare und begründete Stellungnahmen gegen den Hexenwahn nicht zu eigen gemacht, sondern sich durch sein Verhalten sogar als ein besonders eifriger Hexenjäger erwiesen [Goeb16].

 

Mit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieg flauen die Hexenverfolgungen im Breisgau ab. Die Bevölkerung hat nun andere Sorgen.

 

 

Pedetentim et graduatim

 

Gegen Ende des 16.Jahrhunderts verlangsamt sich die Ausbreitung der Reformation, ja im Zuge der katholischen Reform und Gegenreformation* kehren viele Territorien in deutschen Landen in den Schoß der Alten Kirche zurück. So etwa gewaltsam wie im Fall des Kurfürstentums Köln, als der amtierende Fürstbischof Gebhard (1577- 1583), Truchsess von Waldburg, sein Verhältnis zur protestantischen Stiftsdame Anna von Mansfeld durch Heirat legalisieren und deshalb zum protestantischen Glauben übertreten möchte. Es sind bairische Truppen, die in Köln den geistlichen Vorbehalt mit Waffen 1583 durchsetzen und so den Katholiken die Mehrheit im Kurfürstenrat erhalten. Als Gegenleistung darf der Bayernherzog Wilhelm V. (1579-1597) den freien Posten mit seinem jüngsten inzwischen 29-jährigen Bruder Ernst (1583-1612) besetzen. Schließlich ist Ernst von Bayern berufserfahren, denn schon mit 12 Jahren wurde er zum Bischof von Freising gewählt. Mit neunzehn ist er bereits Oberhirte im Bistum Hildesheim und ab 1581 mit siebenundzwanzig Bischof in Lüttich. Der neue Kölner Erzbischof und Kurfürst wird dann 1584 auch noch Bischof von Münster und macht aus der einst wiedertäuferischen Stadt im Norden Deutschlands ein auch noch heute starkes Bollwerk des Katholizismus, übertroffen nur noch von Paderborn in der Steigerung: Schwarz, Münster, Paderborn.

*Die katholische Reform ist die Selbstbesinnung der Kirche auf das katholische Lebensideal durch innere Erneuerung, die Gegenreformation ist die Selbstbehauptung der Kirche im Kampf gegen den Protestantismus [Rabe89].

 

Die katholische Reform kommt durchaus friedlich daher mit schulischer und Universitäts-Ausbildung im jesuitischen Sinne, Prinzenerziehern, Kapuziner-Beichtvätern und barocker Prachtentfaltung. Die Habsburger nutzen ihre Möglichkeiten der Nobelierung glaubenstreuer und besonders konvertierter Untertanen sowie das Recht zur Legitimierung außerehelicher Kinder von Adeligen voll aus.Diese Kombination von Kaiser und katholischer Kirche bietet persönliche Vorteile, denn für die zahlreichen im rechten Glauben erzogenen Nachkommen des Adels gibt es zur Versorgung Posten bei Hofe oder als Domherren an den Kathedralen. Dem haben die Evangelischen nichts entgegenzusetzen. Was soll nun mit den nicht erbberechtigten Söhnen der Protestantischen Fürsten geschehen?

 

 Bei der Zurückdrängung der Reformation in den habsburgischen Erblanden sind besonders die Bayern unter ihren erzkatholischen Herzögen behilflich, und zwar non verbis sed factis, non fulminator, sed pedetentim et graduatim*. Dagegen nimmt nach den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens mit dem lutherischem Ethos des leidenden Gehorsams das Volk die Religion der jeweiligen Obrigkeit in der Regel ohne zu Murren an [Rabe89].

*Nicht mit Worten, sondern Taten, nicht Blitze schleudernd, sondern bedächtig und schrittweise

 

Doch nicht in allen Reichsgebieten geht die Gegenreformation bedächtig vor. In der Steiermark schwingt Bischof Martin Brenner (1548-1616) mit Unterstützung des in Graz residierenden Landesherren Erzherzog Ferdinand (1578-1637) seinen malleus haereticorum (Ketzerhammer). Zwischen 1598 und 1605 verlassen 11 000 Protestanten freiwillig oder vertrieben die innerösterreichischen Gebiete und fliehen u. a. nach Württemberg, wo der Herzog zu ihrer Aufnahme die Stadt Freudenstadt gründet [Wils09].

 

 

 Leidend an Schwermut

 

Im Jahre 1576 wird Rudolf II. (1576-1612) deutscher Kaiser. Er verlegt 1583 die habsburgische Residenz von Wien auf den Hradschin in sein geliebtes Prag. Dort findet der depressive, zögerliche und handlungsschwache - manche Quellen schreiben auch geisteskranke - Monarch beim protestantischen böhmischen Adel administrative und militärische Unterstützung. Sein Beichtvater und Leibarzt schreibt über die Seelenlage des Kaisers: Er ist nicht besessen, wie einige glauben, sondern leidet an einer Schwermut, die mit der Zeit nur allzu tiefe Wurzeln geschlagen hat. Freilich leugne ich nicht, daß böse Geister sich sein Leiden freudig zu Nutze machen, um den Kaiser bisweilen durch allerhand Vorstellungen zu täuschen [Mann06].

 

Während bei Hof über die Hauptblödigkeit Rudolfs spekuliert wird, beschäftigt sich der Kaiser mit Philosophie, Allchemie, Magie und unter Anleitung der Astronomen Tycho Brahe und Johannes Kepler besonders mit Astrologie, denn er besaß hohe Intelligenz, wenn der Drang des Augenblicks sie nicht trübte [Mann06]. Des Kaisers Motto ist „FULGET CAESARIS ASTRUM“ (Es leuchtet des Kaisers Gestirn.

 

Franz Grillparzer schildert in seinem Drama Ein Bruderzwist im Hause Habsburg die Stimmungsschwankungen des Kaisers, der sich voller Schwermut in eine zunehmende Unnahbarkeit flüchtet: Ich hielt die Welt für klug, sie ist es nicht. Gemartert vom Gedanken drohnder Zukunft dacht ich die Zeit mit gleicher Furcht bewegt, im weisen Zögern sehnd die einzge Rettung. So ruhen die Staatsgeschäfte und die um Audienz Nachsuchenden selbst der eigenen Familie warten wochenlang auf einen Termin. Dann aber beeindruckt Rudolf seiner Besucher mit Intelligenz, seiner Neugier und seinem breiten Wissen.

 

Im Jahre 1595 stirbt Erzherzog Ferdinand. Da sein illegitimer Sohn Andreas nicht erbberechtigt ist, verwaltet zunächst Rudolf II. die habsburgische Herrschaft in Vorderösterreich.

 

Wegen der Eigenbrötelei des Kaiser braucht es wiederholte und drängende Vorstellungen der Freiburger Stände bei Hof, dass die Vorlande seit dem Tode des Erzherzogs keinen Landesherren hätten. Endlich ernennt Rudolf im Prager Vergleich 1602 seinen zweitjüngsten Bruder den Deutschmeister Erzherzog Maximilian (1558-1618) zum Gubernator in Vorderösterreich, d.h., in Tirol und den Vorlanden.

 

Hier bestätigt sich der abgewandelte Spruch: Rufe keinen Ferscht, wenn er nicht benötigt werscht; denn die Freude der Freiburger über ihren neuen Herrn währt nur kurz, ja sie schlägt in Ernüchterung um, als Maximilian bei seinem einzigen Besuch in Ensisheim im Jahre 1604 beträchtliche Geldforderungen anmeldet, so die Übernahme einer Schuldsumme von 200 000 Gulden und die Verwilligung des Maßpfennigs auf weiter 10 Jahre sodann eine Reichs- und Türkenhilfe von je 50 000, und daneben eine Extratürkensteuer von je 30 000 Gulden auf drei Jahre [Bad82].

 

 

Es folgt der schreckliche Dreißigjährige Krieg

 

 

Zurück zu Luther

 

 

 

 

Diese Gelder tun bitter Not, denn an der Ostgrenze kommt das Reich nicht zur Ruhe. So muss im Jahre 1605 Rudolfs jüngerer Bruder Erzherzog Matthias (1612-1619) gegen die aufständischen Stände der Ungarn unter Stefan Bocskay (1557-1606) ins Feld ziehen. Auf militärische Unterstützung der protestantischen Stände in Österreich und Mähren angewiesen schließt der streng katholische Matthias nach Zugeständnissen in religiösen Fragen mit ihnen ein Bündnis. Dennoch ist der Krieg nicht zu gewinnen, da Bocskay vom türkischen Großsultan unterstützt wird. Notgedrungen handelt Matthias 1606 in Zitvatorok mit Fürst Stephan einen Frieden aus und erkauft sich mit 200 000 Gulden von den Türken eine teure dreijährige Waffenruhe.

 

Noch ist die Tinte unter den außenpolitischen Verträgen nicht trocken, da nehmen innenpolitisch die Provokationen zwischen den Konfessionen wieder zu. In einer Flugschrift: Trewhertzige Erinnerung: Eines deutschen Patrioten an die Stende des Reichs Augspurgischer Confession beschuldigt dieser die Katholiken, vom Teufel und seinem Knecht, dem Papst, wie auch von dessen Hetz und Bluthunden (den Jesuiten) zum Schaden am Vaterland geführt zu werden ... und die Welsche Practiken zuviel gelernet [zu haben], von welchem das Sprichwort war ist: Tedesco Italanato, Diabolo incarnato ... [Schm99].

 

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